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Politik & Soziales

(aus Hinz&Kunzt 258/August 2014)

258-Meldungen
Arbeitslose, die als Ein-Euro-Jobber zum Beispiel in der Grünpflege tätig sind, bekommen dafür 1,70 Euro pro Stunde. Machen Null-Euro-Jobber bald die gleiche Arbeit ohne finanzielle Entschädigung? Foto: Mauricio Bustamante

Kritik an „Null-Euro-Jobs“
Das Hamburger Jobcenter plant eine neue Maßnahme für 500 Langzeitarbeitslose. Das Konzept zur „beruflichen Eingliederung“ erinnert an die als Ein-Euro-Jobs bekannten Arbeitsgelegenheiten. Jedoch soll es im neuen Programm keine Aufwandsentschädigung für die Teilnehmer geben. Kritiker sprechen deshalb schon vor dem Start von „Null-Euro-Jobs“. Die Hälfte der neunmonatigen Maßnahme, die von Beschäftigungsträgern durchgeführt wird, soll aus einem „Bildungsteil“ bestehen. Wie der aussehen wird, kann das Jobcenter noch nicht sagen: „Das Ergebnis der Ausschreibung bleibt abzuwarten.“ Denkbar seien „Tätigkeiten im Bereich Holz, Verkauf, Garten oder Küche“. Wenn Arbeitslose die Teilnahme an der Maßnahme ablehnen, kann ihnen die Hilfe gekürzt werden. Theoretisch kann das Jobcenter Arbeitslose immer wieder in solche Maßnahmen stecken. Arbeitsloseninitiativen und Träger kritisieren die Pläne. Klaus Wicher, Hamburger Vorsitzender des Sozialverbands Deutschland, sagte, so würden Arbeitslose „erfahren müssen, dass Arbeit nichts wert ist“. Tim Golke von der Hamburger Fraktion
Die Linke erklärte, die Planungen liefen „auf schlichte Zwangsarbeit hinaus“. BEB

Arbeitszwang rechtswidrig
Britische Arbeitslose dürfen nicht mittels Kürzung ihrer Unterstützung zu unbezahlter Arbeit gezwungen werden. Entsprechende Urteile bestätigte im Juli das höchste britische Gericht. Das Gesetz, das das „Zurück zur Arbeit“-Programm ermöglicht, verstößt demnach gegen die Menschenrechtskonventionen. BEB

Wassersperren: Merkblatt soll helfen
Die Hamburger Wasserwerke wollen Menschen, die ihre Rechnungen nicht bezahlt haben, mit der vierten Mahnung künftig ein Merkblatt mit Adressen und Telefonnummern von Schuldnerberatungsstellen schicken. Das teilte der Senat mit. Damit entsprechen die Wasserwerke einem Ersuchen der Bürgerschaft, das auf eine Initiative der Linkspartei zurückgeht. Nach Senatsangaben wurde vergangenes Jahr 702 Haushalten die Wasserversorgung gesperrt, im ersten Quartal 2014 waren 152 Haushalte betroffen. Warum das Merkblatt erst mit dem vierten Mahnschreiben verschickt werden soll, erklärt der Senat damit, dass erst dann die Menschen erreicht würden, die tatsächlich in finanziellen Nöten seien. UJO

Hamburger wohnen nach Einkommen getrennt
Hamburg gehört im Bundesvergleich zu den Städten mit der ausgeprägtesten einkommensbezogenen „Segregation“, wie ­die räumliche Trennung unterschiedlicher Gruppen genannt wird. Das ergibt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und ­Berufsforschung (IAB). Bei der Verteilung gilt laut Forschern: Je höher der Anteil sogenannter Niedriglöhner in einer Stadt, desto stärker ausgeprägt ist die Trennung. In Hamburg bekommt jeder fünfte Arbeitnehmer Niedriglohn (bundesweit: 15 Prozent), verdient also weniger als zwei Drittel des Durchschnittslohns. Harburg, Wilhelmsburg, Horn und Jenfeld sind Gegenden mit ­einem hohen Anteil an Niedriglöhnern. In Alster- und Elbnähe ist ihr Anteil gering. Die Forscher warnen vor den Folgen
der Segregation: Wenigverdienern stünden meist „schlechtere öffentliche Ressourcen“, etwa Schulen, zur Verfügung. BEB

Leiharbeit: Nach drei Monaten ist Schluss
Gering qualifizierte Leiharbeiter behalten ihren Job kürzer als gut qualifizierte und werden von neuen Schutzklauseln deshalb nur selten profitieren. Das ergibt sich aus einer neuen Studie des IAB. Demnach sind 36 Prozent der Leiharbeiter mit Hochschulausbildung nach neun Monaten noch bei der gleichen Zeitarbeitsfirma. Bei Kollegen ohne abgeschlossene Berufsausbildung sind es nur 18 Prozent. Union und SPD wollen, dass ein Leiharbeiter höchstens 18 Monate an dasselbe Unternehmen überlassen werden darf und nach neun Monaten genauso viel verdient wie ein Stammbeschäftigter. UJO

Mindestlohn mit Sonderregeln beschlossen
Der Bundestag hat den Mindestlohn beschlossen. Ab 2015 sollen Arbeitnehmer mindestens 8,50 Euro brutto die Stunde verdienen. Allerdings beschlossen Union und SPD Ausnahmen, etwa für unter 18-Jährige. Langzeitarbeitslose haben in den ersten sechs Monaten einer Beschäftigung keinen Anspruch auf den Mindestlohn, Praktikanten müssen die ersten drei Monate darauf verzichten. In letzter Minute verständigten sich Union und SPD auf weitere Sonderregeln: Zeitungszusteller sollen erst ab 2017 vom Mindestlohn profitieren, bei Erntehelfern dürfen Kost und Logis verrechnet werden. UJO

Passende Strafen für Gewalttäter
Die Bundesregierung will gesetzlich festlegen, dass Richter bei Urteil und Höhe einer Strafe „rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe“ der Täter berücksichtigen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) begrüßt den Vorschlag, fordert aber, dass schon bei polizeilichen Ermittlungen auch „Gewalttaten gegen wohnungslose ­Menschen systematisch berücksichtigt werden“. Mindestens 1056 Wohnungs­lose seien zwischen 1989 und 2012 in Deutschland infolge von Straftaten ­verletzt oder getötet worden. BEB

Flüchtlingsunterbringung: bald Schiffe und Zelte
Die Sozialbehörde überlegt, Flüchtlinge auf Wohnschiffen ­unterzubringen. Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hatte ­angesichts des großen Bedarfs der Süddeutschen Zeitung gesagt: „Mir ist es egal, ob 100 Plätze in einem Containerdorf entstehen oder auf einem Schiff. Hauptsache, wir ­bekommen genügend.“ Befürchtungen, Migranten könnten auf so alten Schiffen untergebracht werden, wie es bis 2006 im Hafen der Fall war, wies ein Behördensprecher zurück. „Das ist völlig indiskutabel“, sagte er Hinz&Kunzt. Die Standards von Wohnschiffen hätten sich seitdem ­verbessert. Auch der Vorschlag der Grünen, Flüchtlinge auf ausrangierten Kreuzfahrtschiffen ­unterzubringen, werde ­geprüft. Derweil will die Innenbehörde am Harburger Bahnhof Zelte aufstellen lassen, weil die Zen-trale Erstaufnahme völlig überfüllt ist. In manchen Nächten sollen dort bis zu 60 Menschen Schlange stehen. BELA/UJO

Was Gastronomen bezahlen
Was verdienen Angestellte von Kneipen und Restaurants? Das will die ­Initiative Gastro-Lohn Hamburg mit einer Umfrage im Internet ermitteln (siehe www.gastro-lohn.org). Der Lohnspiegel soll im Herbst veröffentlicht werden und bei künftigen Gehaltsverhandlungen helfen. Außerdem, so die Initiatoren, sollen „Kunden bewusst entscheiden können, wo sie am liebsten ihren Kaffee oder ihr Bier trinken wollen“. UJO

Wurstfabrik Schwarz Cranz: Subunternehmen pleite, Arbeiter werden nur teilweise übernommen
Aufräumen nach dem Arbeiteraufstand in Neu Wulmstorf: Rund 100 Rumänen hatten Mitte Juni tagelang gegen miese Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung protestiert. Eingesetzt wurden sie beim Wursthersteller Schwarz Cranz, ihr Arbeitgeber war allerdings ein Subunternehmer. Noch während der Proteste beantragte die Ver­packung und ­Logistik Dienstleistungs-GmbH Insolvenz. Die Firma, die vorher BIR Service GmbH hieß, hatte sich kurz zuvor umbenannt, offenbar, um nicht weiter mit der BIRGROUP aus Lübeck in Verbindung gebracht zu werden. Die ist bundesweit mit mehreren Firmen als Dienstleister tätig und hatte noch im Juni auf ihrer Internetseite eine Erklärung der BIR Service ver­öffentlicht, in der es hieß: „Selbstverständlich zahlen wir gesetzeskonforme Löhne.“ Nach den Protesten bekam ein Teil der Arbeiter ausstehenden Lohn ausbezahlt, unterschrieb Aufhebungsverträge und verzichtete so auf sämtliche Ansprüche. Nach Angaben des vorläufigen Insolvenzverwalters arbeiteten im Juli rund 200 Beschäftigte der Verpackung und Logistik Dienstleistungs-GmbH in der Wurstfabrik. Im Juni habe die Firma laut ihrer Buchhaltung 604 Mitarbeiter gehabt. Immerhin: Schwarz Cranz will jetzt 120 Beschäftigte übernehmen. „Weitere sollen folgen.“ Andere Arbeiter sollen nach Informationen von Hinz&Kunzt zu einem anderen ­Subunternehmen wechseln – und ebenfalls in der Wurstfabrik eingesetzt werden. UJO

Abschiebungshaft vor Änderungen
Menschen, die abgeschoben werden ­sollen, dürfen nicht in Strafgefängnissen untergebracht werden. Das hat der ­Europäische Gerichtshof entschieden. Die Diakonie begrüßte das Urteil: „Abschiebungshäftlinge haben keine Straftat begangen“, so Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik. Der Generalanwalt des EuGH hatte die bisherige Praxis als „Verstoß gegen die Menschenwürde“ bezeichnet. In Hamburg sitzen im Schnitt acht Menschen in Abschiebungshaft, so die Innenbehörde. Sie sind in der Justizvollzugsanstalt Billwerder untergebracht – gemeinsam mit Strafgefangenen. „Wir führen Gespräche mit anderen Bundesländern“, so ein Sprecher. Ziel sei eine Kooperation.„Wir hätten kein Problem damit, ­Abschiebungshäftlinge anderswo unter­zubringen.“ Frauen werden heute schon in der Abschiebungshaftanstalt ­Eisenhüttenstadt untergebracht. UJO

Saga GWG verspricht 1000 neue Wohnungen
In diesem Jahr will die Saga GWG mehr als 1000 Wohnungen fertigstellen. Das städtische Wohnungsunternehmen könnte damit erstmalig seine Zusagen einhalten. 2011 hatten Saga GWG und die Stadt eine neue „Wohnungsbauoffensive“ vereinbart. Doch vergangenes Jahr konnte Saga GWG gerade einmal 200 Wohnung fertigstellen. Die jetzt präsentierte ­Jahresbilanz macht Hoffnung: Das Unternehmen steigerte die Ausgaben für Neubau, Modernisierung und Instandhaltung von 237,5 auf 306,6 Millionen Euro im Vergleich zu 2012. Problematisch aber ist, dass der Anteil preisgebundener ­Wohnungen stark abnimmt. Allein in den vergangenen sechs Jahren fielen 20.000 Wohnungen aus der Bindung. JOF