Eine Wohnung im Wunschstadtteil können sich in Hamburg nur noch Großverdiener leisten. Menschen mit niedrigem Einkommen werden von steigenden Mieten an den Stadtrand getrieben. Das wird sich auch mit der Einführung des Mindestlohns nicht ändern. Zumal diese fatale Entwicklung auch die betrifft, die einen Durchschnittslohn bekommen.
Singles haben die Wahl: Angenommen, ein alleinlebender Mann mit Vollzeitarbeitsstelle zum Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde sucht in Hamburg eine Wohnung. Angenommen, er oder sie will nicht mehr als 30 Prozent des Einkommens für die Kaltmiete ausgeben. Dann kann er sich aussuchen, welcher der folgenden fünf Stadtteile sein neues Zuhause werden soll: Ochsenwerder oder Gut Moor, Francop, Moorburg oder Neuenfelde? Das sind nicht gerade die Quartiere, die auf der Wohnwunschliste der meisten stehen. Aber das einzige, was sich der Mindestlöhner leisten kann. Das ist eins der Ergebnisse, die die Redakteure von Spiegel Online in einer interaktiven Karte zum Wohnen mit Mindestlohn in deutschen Städten zusammengestellt haben.
Für Hamburg ist dort auch herauszulesen: Alleinerziehende mit Mindestlohn kommen mit 30 Prozent ihre Lohns für die Miete nicht aus, mit bis zu 50 Prozent müssen sie rechnen. Dann haben sie die Chance auf eine passende Wohnung südlich der Elbe. Am zentralsten wohnen sie dann in Rothenburgsort oder auf der Veddel.
Ob alleinerziehend, Single oder Familie: In den Karten zum Wohnen vom Mindestlohn sind beliebte Stadtteile wie Eimsbüttel oder Ottensen so gut wie immer rot eingefärbt. Rot heißt: Hier ist es zu teuer. Das gilt selbst für den recht optimistischen Wohnkostenfaktor 30, also 30 Prozent vom Lohn für die Miete. Doch damit kommt in Hamburg kaum jemand aus, weiß Stefan Schmalfeld vom Mieterverein zu Hamburg: „Unsere Mitglieder mit Durchschnittsverdienst zahlen häufig 40 bis 50 Prozent ihres Einkommens.“ Die Folge davon, dass die Miete weit mehr als die früher gängigen 25 bis 30 Prozent vom Budget verbraucht: „Es fehlt an allen anderen Ende. Zur Kaltmiete kommen Neben- und Betriebskosten. Geld für die Familie, Bildung oder Reisen bleibt nicht übrig. Das trifft vor allem die, die keine Transferleistungen beziehen, denen die Stadt bei den Wohnkosten also nicht unter die Arme greift.“
Städtisches Wohnen, sagt Stefan Schmalfeld, können sich auch Menschen mit Durchschnittslohn – „die Krankenschwester oder der Polizist“ – längst nicht mehr leisten. „Sie sind dort, wo sie gerne wohnen wollen, ausgeschlossen.“ Noch härter trifft es Menschen mit Mindestlohn, am härtesten Geringverdiener, die keine staatlichen Leistungen beziehen.
In Hamburg ist die Schere zwischen Arm und Reich groß. Das schlägt sich auch in den Wohnkosten nieder. Der durchschnittliche Anteil, den die Miete am Nettolohn ausmacht, ist nämlich laut IVD erstaunlich gering: nur 21,7 Prozent. Wie die Auswertung von Spiegel Online und die Erfahrungen des Mietervereins zeigen, geben viele wesentlich mehr für die Miete aus. Das bedeutet: Der Durchschnitswert kann nur dann so gering sein, wenn andere einen deutlichen geringeren Teil ihres Lohns für die Miete ausgeben.
„Das ist eine fatale Entwicklung“, sagt Stefan Schmalbeck. Eine Auswertung der Wohnungsangebote in Hamburg hat im Januar ergeben, dass die Neuvertragsmieten bei durchschnittlich 11,80 Euro liegen. „Es bedarf keiner großen Rechenkünste, um zu merken, dass viele es sich nicht leisten können, in die Stadt oder innerhalb der Stadt umzuziehen“, sagt Schmalfeld. Aber: „Bleiben, wo sie wohnen können immer mehr auch nicht, weil dort die Mieten nach Sanierungen teilweise drastisch steigern.“ Wo soll das alles hinführen? Stefan Schmalfeld sieht wenig Grund, dass sich das bald ändern wird. Im Gegenteil: „Viele arbeiten nur noch, um zu wohnen.“
Text: Beatrice Blank
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