Bewohner und Stadtteilaktivisten planen beim Neubau der Esso-Häuser mit. Damit scheint eine Lösung im jahrelangen Konflikt um die Häuser am Spielbudenplatz gefunden. Bezirksamtsleiter Andy Grote spricht von einer „Riesenchance für St. Pauli“.
Der Neubau der Esso-Häuser wird zum Stadtteilprojekt. „Auf dem Grundstück soll ein echtes, unverwechselbares Stück St. Pauli entstehen“, so Bezirksamtsleiter Andy Grote. „Damit das gelingt, wollen wir gerade an diesem umkämpften und symbolträchtigen Vorhaben eine neue Qualität von Beteiligungskultur erproben.“ Bereits bei einem Stadtrundgang durch Mitte präsentierte uns der Bezirksamtsleiter seine Vorstellungen für den Kiez und andere Projekte in seinem Distrikt:
Von der U-Bahn-Station St. Pauli kommend führt unser Weg vorbei an den Tanzenden Türmen. Seit dem Abriss der Esso-Häuser wirken die Hochhäuser am Eingang zur Reeperbahn noch imposanter. Der Bezirksamtsleiter ist hin und her gerissen, als wir ihn um ein Urteil bitten. „Ich glaube, wenn in 20 Jahren jemand auf die Idee käme, das abzureißen, dann würde es Proteste wie heute bei den Esso-Häusern geben“, sagt er, um dann allerdings anzufügen. „Im Erdgeschoss hätte ich mir schon ein bisschen mehr St. Pauli gewünscht.“ Denn die Fassade wirke abweisend. Grote meint: „Was ich schade finde, ist, dass die Häuser nicht mit der Umgebung kommunizieren.“
Was bei den Tanzenden Türmen nicht gelungen ist, das soll beim Neubau der Esso-Häuser am Spielbudenplatz jetzt besser werden. Vor dem Bauzaun erläutert Grote die Vorstellungen des Bezirks: „Anwohner und Gewerbetreibende aus dem Stadtteil sollen konkrete Ideen entwickeln.“
Um das zu ermöglichen, gibt der Bezirk sogar ein spezielles Beteiligungsverfahren in Auftrag. Der von Stadtteil-Initiativen eingeforderte Treffpunkt und Planungscontainer „Planbude“ soll dabei „eine ganz entscheidende Rolle“ übernehmen. Mitglieder der „Planbude“ sind Stadtplaner, Architekten, aber eben auch Aktivisten aus dem Stadtteil. „Ein Novum“, da ist sich Grote sicher. Tatsächlich wurden noch nie zuvor Anwohner so früh in Neubaupläne miteinbezogen. Sind die Esso-Häuser somit der positive Gegenentwurf zu Stuttgart 21? „Wir wollen an alle Bewohner des Stadtteils Fragebögen versenden, zu Veranstaltungen einladen und eben auch die Präsenz vor Ort mit einem Container hinbekommen, um ständig ansprechbar zu sein“, sagt Grote.
Noch im August soll es losgehen. Damit auch auf dem verwaisten Spielbudenplatz das Leben zurückkehrt, will der Bezirk übergangsweise sogar Gastro-Container aufstellen. „In denen können die ehemaligen Gastronomiebetriebe aus den Esso-Häusern ein bisschen ihre wirtschaftliche Not lindern“, so Grote.
Für die Bewohner, die Gewerbetreibenden und die Stadtteilinitiativen bahnt sich damit ein großer Erfolg an. Jahrelang stritten sie vergeblich um den Erhalt der Häuser. Jetzt ist ein neuartiges Beteiligungsverfahren geplant und darüber hinaus wurde durch die Bezirksversammlung festgelegt, dass der Anteil der Sozialwohnungen mit 50 Prozent den sogenannten Drittelmix deutlich überschreitet.
Bei dem Planungsverfahren soll zudem überlegt werden, welche Qualitäten der alten Esso-Häuser übernommen werden können und wie sich die Vielfalt St. Paulis in einen Neubau abbilden kann. „Wir betreten gemeinsam mit dem Bezirk, der Planbude und der Stadtteilgesellschaft Neuland“, sagt Bernhard Taubenberger, Sprecher der Bayerischen Hausbau. „Als Eigentümerin des Areals akzeptieren wir, dass der Prozess der vorgezogenen Bürgerbeteiligung einer Projektgruppe anvertraut wird, die sich ganz wesentlich aus Akteuren der Stadtteilinitiativen zusammensetzt, die unseren Vorstellungen für die Zukunft des Areals ablehnend gegenüberstehen.“
Auch die Gegenseite ist zufrieden: „Gerade weil städtische Beteiligungsprozesse in der Vergangenheit oft nicht mehr als eine Beteiligungsshow waren, ist es an der Zeit, solch ein demokratisches Experiment zu wagen und als Chance zu nutzen, um etwas Positives für den Stadtteil zu erreichen“, so Jenny Maruhn von der Initiative Esso-Häuser. Und die Mitglieder der Planbude lassen verlauten: „Wo könnte das gelingen, wenn nicht hier?“
Die Planungscontainer sollen möglichst innerhalb der nächsten zwei Wochen aufgestellt werden. Den gesamten Prozess begleiten soll ein Gremium aus Vertretern der Kommunalpolitik, des Bezirksamts, der Eigentümerin und der Stadtteilinitiativen. An das Beteiligungsverfahren schließt ein städtebaulicher Wettbewerb an, der voraussichtlich ein halbes Jahr in Anspruch nehmen wird. Erst dann kann ein neuer Bebauungsplan erstellt werden. Mit einer neuen Bebauung der Fläche ist somit nicht vor 2017 zu rechnen.
Die Esso-Häuser sind allerdings nur eines von vielen Neubauprojekten im Bezirk Mitte. Auf unserem Rundgang durch Mitte reden wir mit Andy Grote darüber, wie der Bezirk steigenden Mieten begegnen will, welche Antworten er auf die Wohnungsnot hat und welche Angebote der Bezirk für Obdachlose bereithält. Gerade was den Sozialen Wohnungsbau angeht strahlt Grote Zuversicht aus. „Es muss klar sein, dass geförderte Wohnungen dazugehören“, so Grote, während wir den Spielbudenplatz Richtung Kastanienallee verlassen. Dann würden Investoren auch pragmatisch handeln. „Wir stellen sie ja nicht vor die Wahl.“
Text: Jonas Füllner
Foto: Florian Busch
Den ganzen Rundgang können Sie ab dem 31. Juli in der neuen Hinz&Kunzt nachlesen …