Ein ehemaliger Subunternehmer hat den Wursthersteller Schwarz Cranz auf 1,8 Millionen Euro Schadenersatz und Nachzahlungen verklagt. Die erste Verhandlung vor dem Landgericht Hamburg endete am 15. Mai ohne Ergebnis. Das Verfahren gibt Einblicke in eine Branche, die sich gerne bedeckt hält.
1,8 Millionen Euro: Diese stattliche Summe und damit eine „Abfindung“ in Höhe von rund drei Monatsumsätzen fordert der ehemalige Subunternehmer Holger Landgrebe vom Wursthersteller Schwarz Cranz GmbH vor dem Landgericht Hamburg. Die Güteverhandlung, bei der der Richter versucht zu vermitteln, endete am 15. Mai ohne Ergebnis. Gut zwei Jahre lang hatte Landgrebe nach eigenen Angaben Mitarbeiter seiner Firmen in die Wurstfabrik in Neu-Wulmstorf geschickt: als sogenannte Werkvertragsbeschäftigte und als Leiharbeiter. Im Mai vergangenen Jahres soll Schwarz Cranz die Zusammenarbeit dann plötzlich beendet haben. Von einem Tag auf den anderen sei Mitarbeitern gesagt worden, sie bräuchten nicht mehr zu kommen, so die Klagebegründung. Zudem habe der Wursthersteller Angestellte abgeworben und schulde hierfür Entschädigung.
Schwarz Cranz bestreitet diese Darstellungen. „Ansprüche der Klägerin bestehen meiner Einschätzung nach nicht“, teilte der Anwalt von Schwarz Cranz auf Nachfragen von Hinz&Kunzt mit. Die Geschäftsbeziehung sei „einvernehmlich aufgehoben“ worden. Zudem würden Ansprüche „selbst dann nicht bestehen, wenn es die bestrittenen Abwerbungen gegeben haben sollte“.
Vor wenigen Wochen erst war der Wursthersteller aus Neu-Wulmstorf in die Schlagzeilen geraten: Ehemalige Beschäftigte eines anderen Subunternehmers hatten gegenüber dem „Hamburg Journal“ des NDR vorenthaltenen Lohn und teure Unterkünfte beklagt. Sowohl Schwarz Cranz als auch der Subunternehmer hatten die Vorwürfe bestritten und auf angemessene Lohnbedingungen verwiesen. Vergangenen Sommer hatte bereits „Spiegel TV“ über ungarische Arbeiter berichtet, die in der Wurstfabrik von Schwarz Cranz für einen weiteren ehemaligen Subunternehmer gearbeitet und sich über fehlenden Lohn beklagt hatten. Auch Hinz&Kunzt hatte kürzlich über Ausbeutung in der Branche berichtet.
„Arbeits- und Einsatzbedingungen bei der Klägerin oder der Beklagten sind nicht Gegenstand des Verfahrens“, betonte der Anwalt von Schwarz Cranz gegenüber Hinz&Kunzt. Der Richter ging in der Verhandlung dennoch auf die Medienberichte ein: „Es ist bedauerlich, wenn man solche Missstände zur Kenntnis nehmen muss“, erklärte er. „Doch für den Rechtsstreit sind sie nicht von grundlegender Bedeutung.“ Er forderte beide Seiten auf, sich über einen Vergleich Gedanken zu machen. Anschließend unterbreitete er ihnen eine bemerkenswerte Idee: Man könne doch überlegen, ob man im Falle einer Einigung einen Teil des Geldbetrags nicht der Klägerin auszahle, sondern „dafür verwendet, Missstände zu beheben“. Wie genau das aussehen könne, überlasse er der Vorstellungskraft der Beteiligten, so der Richter weiter. „Beide Seiten müssten dafür sagen: Hier ist möglicherweise etwas schiefgelaufen, was die Arbeitsverhältnisse angeht. Deshalb nehmen wir das Geld nicht nur für uns, sondern lassen es einer Institution zukommen, die sich um solche Dinge kümmert.“
Bis zum 12. Juni haben die Rechtsanwälte Zeit, sich zu verständigen oder dem Gericht ihre Sicht der Dinge glaubhaft zu machen. Einigen sie sich nicht auf einen Vergleich, will der Richter am 10. Juli sein Urteil verkünden.
Text: Ulrich Jonas
Foto: Mauricio Bustamante