Immer mehr Hamburger können ihre Stromrechnung nicht bezahlen. Laut Senat wurde in den ersten drei Monaten dieses Jahres 3200 Haushalten die Stromzufuhr gekappt – 500 mehr als im ersten Quartal 2013. Die Linke fordert, Sperren zu verbieten und einen Spartarif für Geringverdiener.
3200 Hamburger Haushalte mussten allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres zeitweise im Dunkeln sitzen, weil ihnen die Stromversorgung gesperrt wurde. Das teilte der Senat auf eine Bürgerschaftsanfrage der Linkspartei mit, die Hinz&Kunzt vorliegt. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 2700 Haushalte gewesen. Damit ist die Zahl der Stromsperrungen in Hamburg innerhalb eines Jahres um fast 20 Prozent gestiegen. „Die Zahlen zeigen, dass – anders als vom Senat behauptet – hier dringender Handlungsbedarf besteht“, kommentiert Cansu Özdemir von der Linksfraktion. Die Stadt müsse dringend alle Beteiligten an einen Tisch holen und mit ihnen gemeinsam einen Plan gegen Energiearmut erarbeiten.
Der Senat beschwichtigt: Tendenziell sei die Anzahl der Sperrungen in den ersten Monaten eines Jahres immer höher als in den Folgemonaten, argumentiert er in der Drucksache. So sei im gesamten Jahr 2013 rund 5800 Haushalten in Hamburg der Strom gesperrt worden. Damit war die Zahl der Betroffenen zwischenzeitlich offenbar gesunken: 2012 waren früheren Senatsangaben zufolge 8500 Hamburger Haushalte von einer Stromsperrung betroffen gewesen.
Die Linkspartei streitet seit Jahren für neue Maßnahmen gegen Energiearmut. So forderte sie bereits im August 2012 in einem Antrag den Senat zum Handeln auf. Wegen stark steigender Preise könnten immer mehr Menschen ihre Rechnungen für Strom und Gas nicht begleichen. Deshalb solle Hamburg Modelle entwickeln, einkommensschwache Haushalte zu entlasten und Sperren zu verhindern. Die regierende SPD hatte den Antrag im Oktober vergangenen Jahres abgelehnt. Die Vorschläge, so die Begründung, seien „nicht geeignet, die Problematik zu lösen“.
Konkret fordert die Linkspartei unter anderem die „Entwicklung eines sozialökologischen Spartarifs“ für Geringverdiener und die Installation sogenannter Prepaid-Systeme. Diese sind in anderen Ländern weit verbreitet und bieten Menschen mit geringem Einkommen die Möglichkeit, ihren Stromverbrauch besser zu steuern. In Großbritannien beispielsweise nutzen mehrere Millionen Haushalte entsprechende Angebote der Energieversorger, im Voraus zu bezahlen.
In Deutschland werden Prepaid-Zähler nur von einigen Stadtwerken angeboten – oft im Rahmen von Modellversuchen, die zeigen sollen, ob und wie sich die Energiekosten von Menschen mit geringem Einkommen senken und Stromsperrungen vermeiden lassen. So setzt der städtische Grundversorger RheinEnergie in Köln im Rahmen eines Pilotprojekts Prepaid-Zähler ein, die den Strom nicht abstellen, sondern die Leistungskraft senken, wenn Kunden ihre Raten nicht mehr zahlen. Das bedeutet: Den Betroffenen steht eine Mindestmenge Strom immer zu Verfügung.
Auf Bundesebene haben Union und SPD vergangenen Herbst in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, Energiearmut wirksamer bekämpfen zu wollen. Auf Anfrage von Hinz&Kunzt erklärte das zuständige Ministerium für Verbraucherschutz, die Bundesregierung prüfe derzeit, „ob und wie Versorgungsunterbrechungen infolge der Nichtzahlung von Strom- und Gasrechnungen noch besser vermieden werden können“. Prepaid-Zähler seien dabei eine Möglichkeit. Jedoch sei ihre Einführung „mit zahlreichen Fragen und hohen Kosten verbunden“. Wann die Prüfungen abgeschlossen sein werden, konnte das Ministerium nicht sagen.
Text: Ulrich Jonas
Foto: Andreas Morlok/pixelio.de