Steuerhinterziehung: mehr Fahnder, mehr Einnahmen
(aus Hinz&Kunzt 255/Mai 2014)
759 Millionen Euro
zusätzliche Steuereinnahmen haben Hamburgs Finanzämter vergangenes Jahr infolge von Betriebsprüfungen verbucht. Zum Vergleich: 2003 waren es 690 Millionen Euro. Offiziell stehen 686 Mitarbeiter für die Prüfung von Unternehmen zur Verfügung. Tatsächlich gibt es derzeit aber nur 598 Betriebsprüfer, weil den Finanzämtern Personal fehlt und die restlichen 88 deshalb Steuererklärungen von Bürgern bearbeiten müssen. Weitere 49 Millionen Euro trieben 2013 die 88 Hamburger Steuerfahnder ein.
Sie gehen, anders als Betriebsprüfer, konkreten Hinweisen auf Steuerhinterziehung nach.
Zum Vergleich: 2003 sorgten damals 70 Fahnder für zusätzliche 32 Millionen Euro.
Damit sorgt jeder zusätzliche Steuerfahnder pro Jahr für Mehreinnahmen von rund einer Million Euro – kostet jedoch nur 70.000 Euro. Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft fordert deshalb mehr Personal.
Die Finanzbehörde hingegen betrachtet diese Gegenüberstellung als „rein rechnerische Größe, die sich nicht als Grundlage für Personalentscheidungen eignet“. Im Vergleich zu anderen Bundesländern sei Hamburgs Steuerfahndung „personell adäquat ausgestattet“.
Wie viel Geld sich der Staat entgehen lässt, zeigt die große Zahl der Steuerhinterzieher, die sich offenbaren, um einer Strafe zu entgehen. 202 Hamburger haben sich allein in den ersten beiden Monaten dieses Jahres selbst angezeigt. Vergangenes Jahr gingen 637 entsprechende Anzeigen in Hamburg ein, 2012 waren es 187.
Laut Behörde haben sich seit Frühjahr 2010 insgesamt 1842 Hamburger selbst angezeigt, die Steuern in Höhe von 578 Millionen Euro hinterzogen hatten. Viele Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Bislang rechtskräftig festgesetzte Mehreinnahmen für den Staat:
157 Millionen Euro.
Derzeit gehen Steuerhinterzieher straffrei aus, wenn sie sich selbst anzeigen. Sie müssen neben den hinterzogenen Steuern lediglich einen Strafzuschlag von fünf Prozent bezahlen.
Eine Selbstanzeige ist jedoch ungültig, wenn sie nicht vollständig ist – wie im Fall des jüngst verurteilten Ex-FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß.
Die Bundesregierung prüft eine Verschärfung der Gesetze. Die Finanzbehörde befürwortet das ebenso wie eine Erhöhung des Strafzuschlags, hält aber „grundsätzlich an der Beibehaltung des Instrumentes strafbefreiende Selbstanzeige fest“.
Auch in den anderen Bundesländern hat sich die Zahl der Selbstanzeigen drastisch erhöht. Bundesweit zeigten vergangenes Jahr mehr als 25.000 Steuersünder späte Reue. Neben dem „Hoeneß-Effekt“ werden der Ankauf sogenannter Steuer-CDs mit Daten von mutmaßlichen Betrügern und das Scheitern eines Steuerabkommens mit der Schweiz Ende 2012 für den Anstieg verantwortlich gemacht.
Text: Ulrich Jonas