„Brot für die Welt“ wird 50. Wie und nach welchen Grundsätzen die kirchliche Organisation arbeitet, zeigt das Beispiel zweier Projekte in Uganda. Ein Bericht von Birgit Müller
(aus Hinz&Kunzt 196/Juni 2009)
Wer spendet, will vor allem eins wissen: Kommt das Geld an? „Ja, da sind wir uns ganz sicher“, sagt Joachim Jung, Afrika-Referent von Brot für die Welt. „Wir haben inzwischen ein fein ausgeklügeltes Kontroll- und auch Beratungssystem.“ Wie das funktioniert, haben wir vor zwei Jahren als Mitglieder einer Delegation in Uganda selbst miterlebt.
Hier stimmt was nicht! In Hoima, ein paar Stunden westlich der ugandischen Hauptstadt Kampala, besuchen wir eine Werkstatt, die zu einem großen Behindertenprojekt gehört. Hier sollen eigentlich Prothesen hergestellt werden, aber die dicke Staubschicht verrät: Seit Wochen wurde in diesen Räumen nicht mehr gearbeitet.
Die Mitarbeiter drucksen herum. Schließlich ist auch Ronald Kitanda dabei, der verlängerte Arm von Brot für die Welt in Uganda. Fast überall, wo die Organisation Unterstützung leistet, gibt es auch einen einheimischen Berater vor Ort, der die Projekte besucht und betreut, halb helfend und natürlich auch kontrollierend. Er muss entsprechende Berichte nach Deutschland schicken.
Ronald Kitanda ist höflich und zurückhaltend, normalerweise. Jetzt sagt er wenig, man spürt seine Verärgerung. Ronald Kitanda und Joachim Jung hatten das Projekt schon angemahnt. Denn der obligatorische halbjährliche Projektbericht sowie der Bericht des Wirtschaftsprüfers waren bislang nicht eingegangen.
Es herrscht Klärungsbedarf. Vor Ort erfahren wir schon: Die wichtigste Mitarbeiterin ist aufgestiegen und in die Hauptstadt abberufen worden. Der Nachfolger ist komplett überfordert. Afrika-Referent Joachim Jung entzieht dem Projekt trotzdem nicht gleich die Unterstützung. Allerdings: Das Projekt muss seine Probleme offen legen – und das tut es auch. Zum Glück stellt sich heraus: Geld
ist nicht unterschlagen worden. Aber die Mitarbeiter
kommen mit einem neu eingeführten Buchungssystem nicht klar. Und die Frage ist, ob der Nachfolger wirklich geeignet ist für den Job.
Irgendwie hatten die ugandischen Projektleiter schon gemerkt, dass es so nicht weitergehen kann, aber wussten nicht so recht, was tun. Jetzt beraten sie sich mit Jung und Kitanda. Danach beschließen sie, personelle Konsequenzen zu ziehen und stellen sich neu auf. Seitdem läuft das Projekt wieder an. Joachim Jung ist froh darüber. „Wenn wir bei jedem Rückschlag gleich die Mittel streichen würden, müssten wir immer wieder von vorne anfangen und langfristig wäre wenig gewonnen.“
Zumal auch wir von anderen Teilen des Projektes ausgesprochen begeistert sind. Wir haben nämlich
selbstbewusste behinderte Kinder kennengelernt, die
– dank des Projektes – in die Schule gehen dürfen und
lernen, sich gegen andere durchzusetzen. Schulbesuch
ist für Behinderte in Uganda noch längst keine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil: Die Kinder erzählen, wie sie früher misshandelt wurden, von Nachbarn, anderen Kindern – und den eigenen Eltern.
Wir haben auch die dazugehörigen Eltern getroffen. Etwas verschämt räumen sie ein, dass sie lange gebraucht haben, ihre Kinder als normale Menschen anzusehen
und nicht als Fluch. Dass sie ihre Kinder sogar geschlagen, angebunden oder eingesperrt hätten, weil sie nicht
mehr weiterwussten.
Eltern wie Kindern geht es deutlich besser als
früher. Die Kinder haben ärztliche Hilfe, Medikamente, Rollstühle und Prothesen bekommen. Viele Familien
haben sogar jetzt ein besseres Auskommen als früher,
weil sie über das Projekt Kontakt zu einem staatlichen Landwirtschaftsprogramm bekommen haben. Das bietet Fortbildungen und Kleinkredite an.
Entwicklungshilfe auf höchster Stufe, finden wir: Hilfe zur Selbsthilfe, Zusammenarbeit mit einem ugandischen Partner – und mit dem Landwirtschaftsfonds übernimmt auch der Staat einen Teil der Verantwortung. Das
Behindertenprojekt erfüllt damit alle Voraussetzungen und Ziele seines deutschen Partners Brot für die Welt.
Die zeitweise Führungskrise im Projekt hat bei den behinderten Schülern und ihren Eltern offensichtlich noch keine spürbaren Auswirkungen. Was wahrscheinlich daran liegt, dass die Eltern inzwischen eins gelernt haben: sich selbst zu helfen.
Zwei Jahre später: „Strafen oder versöhnen am Beispiel von Uganda“ heißt eine Tagung in Hamburg, ausgerichtet wird sie von Brot für die Welt und damaligen Delegationsmitgliedern. Hört sich theoretisch an, ist es aber nicht.
Bischöfin Maria Jepsen bringt es auf den Punkt: „Es geht nicht nur um tägliches Brot, sondern auch um das tägliche Recht auf ein friedliches Leben im eigenen Land.“ Wenn nicht gar auf ein Überleben im eigenen Land.
Denn in den Flüchtlingslagern in Norduganda leben Hundertausende von Menschen, die täglich auf interna-tionale Lebensmittelspenden angewiesen sind. Vermutlich könnten sie sich hervorragend selbst versorgen, wenn sie ihre fruchtbaren Äcker bestellen könnten. Aber das ist unmöglich, weil seit Jahrzehnten Krieg herrscht zwischen den Regierungstruppen und der Rebellenarmee, der Lords Resistence Army (LRA) unter Joseph Kony.
Brot für die Welt beteiligt sich nicht an den Lebensmittelspenden. „Für Nothilfe ist unsere Schwesterorganisation Diakonie Katastrophenhilfe zuständig“, sagt Joachim Jung, Afrika-Referent in der Deutschlandzentrale. „Unsere
Aufgabe ist langfristig angelegte Entwicklungsarbeit. Und wir verfolgen ja eher das Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe nach dem Motto: Gib den Menschen keinen Fisch, sondern lehre sie zu fischen.“
In diesem Fall heißt das: Brot für die Welt unterstützt die Friedensprojekte des Vereinigten Kirchenrates von
Uganda (UJCC), der ökumenisch und stammesübergreifend arbeitet. Ihm ist es mit zu verdanken, dass die
ugandische Regierung und die LRA sich an den Verhandlungstisch gesetzt haben.
Bis Ende 2008 sah es sogar so aus, als würden die Kriegsparteien einen Friedensvertrag unterzeichnen. Doch in letzter Minute machte Rebellenführer Joseph Kony einen Rückzieher und verschwand wieder in den Busch.
Denn offensichtlich hatte Kony darauf spekuliert, dass der Internationale Strafgerichtshof (ICC) seine Haftbefehle gegen ihn und andere Rebellenführer bei Vertragsunterzeichnung zurückzieht. Das ist allerdings nicht der Fall.
Hat der ICC erstmal einen Haftbefehl erlassen, muss Angeklagten auch der Prozess gemacht werden. Das macht eine Vertreterin des ICC bei der Tagung in Hamburg deutlich. Eigentlich findet das der Vereinigte Kirchenrat in Uganda auch richtig.
Ein Dilemma für die Menschen vor Ort. Reverend Arinaitwe Rwomukubwe macht keinen Hehl daraus, dass er es wichtig findet, dass Kony eines Tages für seine Taten bestraft wird. „Alles andere wäre ungerecht.“ Aber er macht auch deutlich: „Wenn wir wählen müssen zwischen Gerechtigkeit und Frieden, dann sollten wir uns zunächst für den Frieden entscheiden.“
Denn die Acholi, um die es hauptsächlich geht,
haben inzwischen schon das Gefühl, dass es für sie nie Frieden geben wird – oder dass ihre Kultur bis dahin
ausgestorben ist.
Reverend Silvester Arinaitwe Rwomukubwe wirbt deshalb dafür, der LRA ein „attraktives Angebot“ zu machen: Reue- und Versöhnungsriten nach traditioneller Art der Acholi. Und die sieht so aus: Es müsste eine Wahrheits- und Versöhnungskommission eingerichtet werden. Täter und Opfer müssten ihre Geschichte erzählen können. Täter, die aufrichtig bereuen, müssten um die Vergebung der Opfer ersuchen. Wer sich verweigert oder nicht ernsthaft Reue zeigt, wird in Uganda bestraft oder dem ICC überstellt.
Deswegen ist seine Haltung klar: „Dem Frieden muss jedes Opfer gebracht werden“, sagt Reverend Rwomukubwe eindringlich, „denn ohne Frieden bleibt Gerechtigkeit eine Illusion.“
Brot für die Welt ist eine Hilfsorganisation der evangelischen Landes- und Freikirchen in Deutschland. Sie hat keine eigenen Projekte, sondern unterstützt mehr als 1000 Projekte zur Ernährungssicherung, zu Bildung und Menschenrechten. Initiatoren müssen immer einheimische Kirchen und Partnerorganisationen in Afrika, Lateinamerika, Asien und Osteuropa sein. Oberstes Ziel ist: Hilfe zur Selbsthilfe. Mehr Infos unter www.brot-fuer-die-welt.de