Das Rote Kreuz hilft und beherbergt Baby Miranda und ihre Eltern Kristine und Ruslans für vier Wochen in einem Hotelzimmer. Der jungen Lettin aus dem Winternotprogramm wurde fünf Tage nach der Geburt ihr Baby weggenommen. Jetzt kann die Familie endlich zur Ruhe kommen.
Das war knapp: Einer obdachlosen Lettin wurde nur wenige Tage nach der Geburt ihr Neugeborenes weggenommen. Ein Schock für die Familie. Am Mittwoch hat Hinz&Kunzt den Vorfall öffentlich gemacht. Jetzt stehen die Chancen gut, dass die Eltern kommende Woche ihr Kind zurückbekommen.
Am 13. Februar um 5.41 Uhr hat in Hamburg die kleine Miranda das Licht der Welt erblickt. Ihre Geburt verlief ohne größere Komplikationen, erzählt Mutter Kristine. Nach fünf Tagen wurde die 27-jährige Lettin aus dem Krankenhaus entlassen. Es sollte vorerst die letzte gemeinsame Nacht mit ihrem Baby sein.
Miranda wurde von ihren Eltern getrennt. Weil ihre Eltern – Wanderarbeiter aus Lettland – in Deutschland keine feste Bleibe gefunden haben. Und weil Obdachlosigkeit eine Kindeswohlgefährdung darstellt.
Im Kinderschutzhaus kümmerte man sich anschließend um ihr Kind, erzählen Kristine und ihr Lebensgefährte Ruslans mit Hilfe einer Dolmetscherin im Gespräch mit Hinz&Kunzt. Zwei Mal am Tag durften die Eltern ihr Baby besuchen. „Miranda geht es gut.“ Mutter Kristine wirkt erleichtert, aber auch erschöpft. Das Paar schlief im Winternotprogramm in der Spaldingstraße. Ruslans durfte Kristine im Frauentrakt nur besuchen. „Die erste Nacht konnte ich kaum schlafen“, sagt die Lettin. Sie habe sich unsicher gefühlt.
Dabei wollten Kristine und Ruslans im vergangenen Sommer eigentlich all ihre Probleme hinter sich zu lassen. „Lettland, Game over.“ Ruslans versucht in einer Mischung aus englischen und deutschen Wortbrocken die Situation in seinem Heimatland zu beschreiben. „Keine Arbeit, keine Familie, no Chance.“ Über einen Bekannten hörte Kristine von einem Job als Erntehelferin in den Niederlanden. Sie machten sich auf die Reise. „Kristine hatte richtige Arbeit.“ Ruslans wirkt fast stolz, als er davon erzählt. In den Niederlanden existiert ein gesetzlicher Mindestlohn. Aktuell liegt der bei 9,11 Euro pro Stunde. Kristines Lohn betrug bei fast 200 Stunden Arbeit pro Monat aber nur 800 Euro. Die Hälfte davon behielt ihr Chef zudem für die Unterkunft ein. Ruslans konnte nur mit Gelegenheitsjobs Geld verdienen. Ihm waren die Papiere geklaut worden.
Trotzdem waren Kristine und ihr Freund zufrieden. „Wir wären gerne geblieben“, sagt Kristine. Aber als ihr Chef von der Schwangerschaft Wind bekam, feuerte er Kristine und nahm ihnen ihre Bleibe. Sie suchten Zuflucht auf einer Bank in der Wartehalle des nächstgelegenen Bahnhofs. Bis die Polizei sie dort vertrieb. Kristine war im sechsten Monat schwanger. So konnte es nicht weitergehen. „Deutschland besser“, sagt Ruslans und erklärt damit, warum sie schließlich in Hamburg landeten. Erst kamen die beiden im Winternotprogramm unter. Im Januar wurde ihnen dann durch eine großzügige Spende ein Hotelzimmer bereitgestellt.
Aber nur bis zur Geburt. „Klar ist, das Kindeswohl darf nicht gefährdet werden“, sagt Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. „Und die Spaldingstraße ist tatsächlich keine geeignete Unterbringung. Aber es muss sichergestellt werden, dass einer Mutter nicht wenige Tage nach der Geburt einfach das Kind weggenommen wird.“ Kristine und Ruslans hat das alles verunsichert. „Wir haben Angst, unser Kind ganz zu verlieren“, ergänzt Kristine. Nur bei ihren Besuchen durfte Kristine ihr Baby stillen. Hauptsächlich wurde das Kind mit der Flasche ernährt. „Mothermilk is much better“, sagt Ruslans und blickt traurig auf den Boden.
Am Mittwoch haben wir ihren Fall öffentlich gemacht. Das Rote Kreuz hat geholfen und Kristine und Ruslans aus dem Winternotprogramm geholt und der gesamten Familie für vier Wochen ein Hotel-Zimmer angeboten. Zum Schutz der Familie, die endlich die dringend notwendige Ruhe finden kann. Anschließend wird das Rote Kreuz gemeinsam mit Kristine und Ruslans über ihre Perspektiven in Hamburg sprechen. Ruslans ist glücklich. Er will sich der Herausforderung stellen. „Ich weiß, dass ich arbeiten und die Sprache lernen muss“, sagt er. „Denn ohne Arbeit, kein Geld. Und ich will mich um meine Familie kümmern können.“
Text: Jonas Füllner
Foto: Mauricio Bustamante