Seit 1. Januar bekommen Hartz-IV-Empfänger neun Euro mehr. Das Diakonische Werk kritisiert das als immer noch zu wenig. Auch in Hamburg wird die Erhöhung von der Preissteigerung verschluckt. Hinz&Künztler Matthias Sell will Hartz IV am liebsten ganz abschaffen – und macht sich politisch dafür stark.
Zum 1. Januar 2014 wurde der Hartz-IV-Regelsatz entsprechend der allgemeinen Preissteigerung erhöht. Alleinstehende bekommen jetzt 391 Euro im Monat, neun Euro mehr als bisher. Auch die Sätze für Kinder steigen. Sozialverbände kritisieren auch die erhöhten Regelsätze als zu niedrig: „Die Mini-Anhebung wird den Betroffenen nicht gerecht“, sagt Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik des Diakonischen Werkes. Der Regelsatz müsse mindestens 70 Euro höher sein und bei über 440 Euro liegen.
Neue Regelsätze, neue Preise
Auch für Hamburger Hilfeempfänger gilt: Die Anhebung reicht, wenn überhaupt, gerade mal, um teurere Preise auszugleichen. Zum Beispiel für Bus- und Bahnfahrkarten. Die Preise hierfür hat der HVV zum 1. Januar nämlich erhöht. Ein Einzelfahrschein für den Großbereich kostet ab Januar 3 statt 2,95 Euro, eine 9-Uhr-Tageskarte 5,90 Euro (vorher 5,80 Euro). Für eine CC-Monatskarte für den Großbereich werden 57,60 Euro (bisher 55,40 Euro) fällig. Die CC-Karte gilt nicht zwischen 6 und 9 Uhr sowie von 16 bis 18 Uhr.
Wegen der zeitlichen Begrenzung ist dies die günstigste Monatskarte, auf die auch arme Menschen häufig zurückgreifen. Die Sozialbehörde zahlt Hilfeempfängern einen Zuschuss von 19 Euro zur Monatskarte, der zu zahlende Preis liegt dann bei 36,40 Euro. Im Hartz-IV-Regelsatz sind aber – auch nach der Erhöhung – nur rund 24 Euro für Verkehr vorgesehen. Ein echtes Sozialticket, eine bezahlbare Karte für den Großbereich ohne zeitliche Beschränkungen, gab es in Hamburg bis 2003. Hinz&Kunzt fordert, dass es wieder eingeführt wird.
Dieser Forderung schließt sich auch Hinz&Künztler Matthias Sell an. Er lebt selbst von Hartz IV und verdient sich mit dem Straßenzeitungsverkauf etwas dazu: „Ich kann mir nur das billigste Ticket leisten“, sagt er. „Eine CC-Karte, mit der ich aber vom Geltungsbereich und zeitlich eingeschränkt bin. Will ich weiter fahren, muss ich eine Ergänzungskarte kaufen. In den Sperrzeiten brauche ich eine reguläre Fahrkarte, die ich voll zahlen muss. Eine Einzelfahrt im Großbereich kostet ab sofort drei Euro. Das ist ein Achtel von dem, was im Regelsatz der Grundsicherung für Fahrtkosten für den ganzen Monat vorgesehen ist. Wie soll das funktionieren? Von der Erhöhung haben wir jedenfalls nichts.“
Für Arme, gegen Armut
Weil er Armut selbst gut kennt, setzt Matthias Sell sich dagegen ein. Er findet: „Wenn wir für arme Menschen Veränderungen wollen, müssen sich auch arme Menschen beteiligen. Gegen Armut setzen Großindustrielle sich halt nicht so ein. Die haben andere Interessen. Ich finde es wichtig, dass gerade jemand wie ich sein Recht in Anspruch nimmt, an der Politik teilzuhaben.“ Deswegen sitzt er als zugewählter Bürger für die Partei die Linke in einem Ausschuss der Bezirksversammlung Wandsbek und ist Mitglied in der Landesarbeitsgruppe Arbeit und Armut.
Hartz IV würde er am liebsten ganz abschaffen: „Du hast fast keine Chance, von Hartz IV wieder wegzukommen. Du kriegst da einfach einen Stempel, das ist ein richtiges Stigma.“ Dieses Jahr will Matthias Sell vielleicht sogar selbst offiziell bei den Bezirkswahlen kandidieren: „Und dann habe ich mir vorgenommen, mich nicht „kaufen“ zu lassen, also keine Deals einzugehen. Alle starten ja eigentlich mit hohen Ansprüchen – und nehmen dann irgendwann doch das kleinere Übel in Kauf, kapitulieren quasi. Aber ich finde, das ist Verrat an denen, die auf sie hoffen und sie gewählt haben.“ BEB