Ex-Bezirksamtschef Hans-Peter Strenge über das Bettelverbot
(aus Hinz&Kunzt 160/Juni 2006)
1. Die Verfügung ist handwerklich ordentlich aufgezogen und benennt mit § 61 HWG , wenn man denn nach dem Wegerecht vorgehen will, die richtige Rechtsnorm.
2. Rechtlich wackelig ist aber die Einschätzung als wegerechtlich unerlaubte Sondernutzung: Das Bezirksamt führt nämlich „neben rein straßenrechtlichen Gesichtspunkten“, auf die es allein ankommt und die hier gar nicht dargelegt werden (Behinderung des Fußgängerverkehrs, Tische, Stühle, pp.), lauter andere Gründe an (Einreisezwecke, wechselnde Sitzorte, die Menschenwürde, Hintermänner, Übernachtungsorte). Darauf kann jedoch nur polizei- bzw. ordnungsrechtlich reagiert werden.
3. Die Straße dient heute zu vielerlei – von der Straßenmusik bis zum Flugblattverteilen, Stehenbleiben, Sitzenbleiben und eben auch Um-Spenden-bitten. Deshalb sind Bettlersatzungen in süddeutschen Städten, die auf wegerechtliche Grundlagen gestützt waren, aufgehoben worden.
4. Das Bezirksamt verweist auf ein „Organisationsgefüge“, das aber dem Einzelbettler wenigstens wegerechtlich überhaupt nicht zugeordnet werden kann.
5. Zum Vollstrecken sagt das Bezirksamt selbst, dass immer das mildeste Mittel zu wählen ist, in der Verfügung wird aber gleich das schärfste Mittel (unmittelbarer Zwang) angedroht. Platzverweise können übrigens auf wegerechtlicher Grundlage nicht ausgesprochen werden.
Hans-Peter Strenge (SPD)
Jahrgang 1948, war von 1984 bis 1996 Bezirksamtsleiter in Altona, danach als Staatsrat in der Justizbehörde unter anderem für Bezirksangelegenheiten zuständig. Heute ist er Präsident der Synode der Nordelbischen Kirche.