Bettelverbot, neue Runde: Wie Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) behinderte Bettler aus der City vertreiben will
(aus Hinz&Kunzt 159/Mai 2006)
Eigentlich war das Thema Bettelverbot wieder vom Tisch. Doch jetzt will Bezirksamtsleiter Markus Schreiber es doch noch einführen – speziell für behinderte Bettler aus Südosteuropa.
Ihnen sollen wegen „unerlaubter Sondernutzung des öffentlichen Raums“ Platzverweise erteilt werden. Womöglich werden ihnen auch die Einnahmen weggenommen. Wer trotz Platzverweises bettelt, muss Bußgeld bezahlen. Rechtliche Grundlage soll das Wegerecht sein.
Der City-Bürgermeister glaubt, dass die zum Teil stark behinderten Menschen zum Betteln gewungen werden. Als Indiz dafür sieht er, dass die Bulgaren in der Vergangenheit gemeinsam an- und abreisten und sich einen kleinen Hotelkeller teilten. „Wir haben gesehen, wie diese Menschen dort untergebracht waren. Das dürfen wir nicht dulden. Ich will weiter in den Spiegel gucken können.“
Mitarbeiter des Bezirklichen Ordnungsdienstes (BOD) sollen künftig als Detektive eingesetzt werden, um das zu beweisen. Er wolle „nicht den Bulgaren schaden, im Gegenteil, ich will ihnen helfen“, so Schreiber. Dass das Bettelverbot etwas mit der Fußball-Weltmeisterschaft zu tun haben könnte oder gar mit den Hamburger Geschäftsleuten, die erst kürzlich ein Bettelverbot gefordert hatten, weist er von sich. „Mir geht es hierbei nicht um die Interessen der Wirtschaft“, sagt er.
Wieso es hilfreich sein soll, den Bulgaren Platzverweis zu erteilen, sagte er indes nicht. Die Hamburger Diakoniechefin und Hinz&Kunzt-Herausgeberin Annegrethe Stoltenberg findet deswegen den Vorstoß „übereilt und bedenklich“. „Dies ist ein Schritt in die falsche Richtung – weit weg von Hilfe, Toleranz und Weltoffenheit“, sagte sie. „Es ist unverständlich, warum nach langen und guten Überlegungen zum Thema nun voreilig auf diesen Vorschlag aus der Handelskammer eingegangen werden soll.“
Annegrethe Stoltenberg betont, dass polizeiliche Erkenntnisse weder über strafbare Handlungen noch über organisierte Strukturen bei Bettlern aus Osteuropa vorliegen.
Im Gegenteil: Nach Polizeiangaben seien diese Menschen freundlich und nicht aggressiv. „Ihr einziges Vergehen besteht offenbar darin, dass der Anblick armer und behinderter Menschen stören könnte“, so die Landespastorin. „Das Wegerecht ist in diesem Zusammenhang ein rechtlich zweifelhaftes Ersatzinstrumentarium. Es muss einen mit Sorge erfüllen, wie sehr in Bezug auf bettelnde Menschen über Ordnungsrecht und wie wenig über Hilfsangebote nachgedacht wird.“
Mehr als zweifelhaft ist indes, ob Bettelverbote für bestimmte Menschengruppen überhaupt rechtens sind. Um das herauszufinden, müsste ein Betroffener gegen einen Platzverweis klagen. Dass jedoch einer der Bulgaren hier vor Gericht ziehen wird, scheint derzeit eher unwahrscheinlich.