Säen, mähen, striegeln: Ein Jahr lang haben Auserwählte das Grün herangezogen, das in diesem Monat in den WM-Stadien ausgerollt wird. Die Hamburger Fotografin Susanne Katzenberg hat die aufwändige Produktion von Fußballrasen dokumentiert
(aus Hinz&Kunzt 159/Mai 2006)
Vergangenen Sommer stand ich im Morgennebel an einer Grasfläche in Südhessen. Ich war allein, aber plötzlich waren die Geräusche da: die Rufe der Fans, der Jubel, die Nationalhymnen. Die wunderbare Atmosphäre vor einem großen Fußballspiel. Und ich fragte mich beim Blick auf den Rasen: Ist er’s? Liegt vor mir der WM-Rasen, der unter ständiger Überwachung heranwächst? Der ein Jahr lang gemäht und gestriegelt, beregnet und belüftet wird? Der kurz vor der WM in die Stadien transportiert und dort ausgerollt wird?
Vielleicht war er’s. Zumindest gehörte das Feld im Morgennebel einem der beiden Züchter, die den Zuschlag für den WM-Rasen 2006 bekommen haben. Aber wo das Gras wirklich wächst, war bis zum Abtransport in diesem Monat geheim. Die FIFA befürchtete wohl Vandalismus, vielleicht auch Trophäenjagd. Auf das Thema war ich im vergangen Jahr gestoßen, als ich im Deutschlandfunk einen Bericht über Engelbert Lehmacher hörte. Er ist Landschaftsarchitekt in Osnabrück und hat sich darauf spezialisiert, Sportplätze mit Belag auszustatten. Jetzt gehört er zum „Rasenkompetenzteam des OK FIFA WM 2006“ – ja, das heißt wirklich so. Für ihn ist das natürlich der Zenit seiner Karriere. Ich mochte seine Stimme im Radio, die Beschreibung seines Labors klang wundersam, und ich wusste: Den will ich treffen.
Die Technology Review, ein Magazin, für das ich schon mehrfach fotografiert hatte, fand die Idee gut und hat mich beauftragt. Aber diese Geschichte hätte ich auch ohne Auftrag gemacht. Also habe ich Herrn Lehmacher in seinem Labor besucht, ein echter Westfale, der relativ trocken doch eine große Leidenschaft für Rasen vermittelt hat. Danach war ich bei Büchner Fertigrasen in Hessen. Inhaber Thomas Büchner hat mir gezeigt, wie Fußballrasen produziert wird. Er ist es auch, der im April 2005 den offiziellen WM-Rasen ausgesät hat. Büchner beliefert fünf süddeutsche Stadien, das holländische Unternehmen Hendriks sieben norddeutsche.
Ich habe Feuer gefangen für diese Geschichte: Menschen im Hintergrund, die keine gefeierten Helden sind, aber ihren Beitrag leisten, damit alles läuft. Alle, die ich porträtiert habe – vom Rasenzüchter bis zum Stadionordner –, habe ich als sehr engagiert und liebevoll erlebt. Es ist ihnen Stolz und Vorfreude auf die WM anzumerken. Inzwischen kenne ich mich richtig gut mit Fußballrasen aus – auch schön! Außerdem hat das ganze Humor: Um diesen Rasen, der mit unglaublichem Aufwand hergestellt worden ist, auf den „die ganze Welt schaut“ und der als „Visitenkarte der WM“ gilt, wurde so ein Geheimnis gemacht. Dabei ist es doch einfach nur schöner Rasen…
In Fußball habe ich mich vor einigen Jahren verliebt, in das Phänomen Fußball. Ich mag Rituale, Fußball hat viele Rituale – und man weiß trotzdem nie, wie es ausgeht. Außerdem kann man dabei mit ganz unterschiedlichen Menschen in Kontakt kommen.
Auf die Weltmeisterschaft freue ich mich sehr. Ich werde die Spiele im Fernsehen verfolgen – obwohl ich immer noch hoffe, dass mich jemand ins Stadion einlädt. Der Originalrasen wird nach der WM übrigens bei Quelle verkauft, entweder als frisches Stück für den Garten oder in Acryl gegossen. Ist das nicht unglaublich? Genau wie die Idee, bei der nächsten WM vielleicht Kunstrasen zu verwenden und ihn mit Rasenduft zu besprühen.
Protokoll: Detlev Brockes
Susanne Katzenberg
Jahrgang 1967, ist gelernte Betriebsschlosserin. 1999 begann sie mit dem Studium der Fotografie. Sie lebt als freie Fotografin in Hamburg. In Hinz&Kunzt erschien 2004 ihre Fotoserie „Badezeit – Schwimmbäder der Jahrhundertwende“