Wofür Hinz&Kunzt zusammen mit anderen Organisationen kämpft: eine Zwischenbilanz.
(aus Hinz&Kunzt 249/November 2013)
Mehr Wohnungen für Obdachlose
Das Problem: Mindestens 1000 Menschen in Hamburg leben auf der Straße, weitere 9250 Wohnungslose und Flüchtlinge in städtischen Unterkünften. Sie alle haben es schwer, eine Wohnung zu finden. Dass sie oft weder Meldeadresse noch Arbeitsvertrag haben, schreckt viele Vermieter ab. Wenn es jedoch zu wenig Wohnungen für Obdach- und Wohnungslose gibt, hat das schlimme Folgen für das Hilfesystem: Es „verstopft“, weil diejenigen, die in Wohnunterkünften leben, dort jahrelang bleiben müssen. So kann niemand aus den Notunterkünften nachrücken.
Sachstand: Die Stadt hat einen Vertrag mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Saga GWG und zehn Wohnungsbaugenossenschaften abgeschlossen. Diese haben sich darin verpflichtet, jährlich gut 1000 Wohnungen an „vordringlich Wohnungssuchende“ zu vermieten. Neben Obdach- und Wohnungslosen geht es auch um Menschen, die ihre Wohnung zu verlieren drohen. Der SPD-Senat hat außerdem versprochen, jährlich für den Bau von mindestens 6000 Wohnungen zu sorgen. Mindestens ein Drittel davon sollen Sozialwohnungen sein.
Was fehlt: Wohnungsunternehmen in die Pflicht zu nehmen ist eine gute Idee. Doch muss die Stadt sicherstellen, dass die Unternehmen ihre Zusagen auch einhalten. Bislang ist das nicht der Fall: Im ersten Halbjahr 2013 vermieteten die Kooperationspartner 364 Wohnungen an Menschen, die sie dringend brauchen – das sind nur 33 Prozent der für dieses Jahr zugesagten Wohnungen. Nun hat die Stadt neue Verträge ausgearbeitet, die für mehr Wohnungen sorgen sollen. Das Diakonische Werk fordert vor allem von der städtischen Saga GWG mehr Einsatz: Die Hälfte der jährlich 9000 Wohnungen, die das städtische Unternehmen neu vermietet, müsse an Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen gehen. BEB/UJO
Innenstadt für alle
Das Problem: Ist ein Bettler, der auf dem Bürgersteig sitzt, eine Belästigung für andere Bürger? Darf ein Obdachloser auf einem öffentlichen Platz ein Bier trinken? Gesellschaftliche Außenseiter sind manchen ein Dorn im Auge. Auch aus diesem Grund wird der öffentliche Raum zunehmend privatisiert. Ob in Einkaufspassagen oder auf dem Bahnhof, immer häufiger gilt: Die Stadt gehört nicht mehr allen.
Sachstand: 1996 startete der damalige Innensenator Hartmut Wrocklage (SPD) mithilfe eines „Bettlerpapiers“ den Versuch, Randgruppen aus der Innenstadt zu vertreiben. Mit einer Kampagne stoppte Hinz&Kunzt zusammen mit anderen Organisationen die Pläne. Die Auseinandersetzung ging immer weiter: Bis heute werden Obdachlose und Bettler aus Einkaufszentren oder von den Bürgersteigen vertrieben, weil sie angeblich stören. Teile der Flächen vor dem Hauptbahnhof wurden kürzlich erfolgreich privatisiert. Mit einem Vertrag hat die Stadt der Bahn AG für zunächst zehn Jahre öffentlichen Raum „zur Nutzung“ überlassen. Seitdem bestimmen Sicherheitsleute des Verkehrsunternehmens darüber, wer sich rund um den Bahnhof aufhalten darf und wer nicht.
Was fehlt: Obdachlose, Drogenkranke und Bettler gehören zur Gesellschaft wie andere Bürger auch. Deshalb dürfen sie nicht vertrieben werden. Vielmehr sollten in der Innenstadt Angebote für sie geschaffen werden, beispielsweise eine zweite, dringend benötigte Tagesaufenthaltsstätte neben dem Herz As. Wie vorteilhaft das für Betroffene und Anwohner ist, zeigt das Beispiel des „Drob Inn“: Seitdem die Beratungsstelle in die Repsoldstraße umgezogen und vergrößert worden ist, hat sich die Lage für Drogenkranke und Nachbarn deutlich entspannt. UJO
Kleinere Unterkünfte
Das Problem: Wer einmal mit fremden Menschen in einem Raum geschlafen hat, kann sich vorstellen, wie belastend das auf Dauer ist: keine Rückzugsmöglichkeiten, keine Ruhe, wenig Platz. In Hamburg leben mehr als 9000 Menschen in sogenannter öffentlicher Unterbringung, bis zu 650 in einer Unterkunft, in Zimmern mit zwei Betten und mehr. Für die meisten bedeutet das ein jahrelanges perspektivloses Leben im Getto. Dabei ist längst unbestritten: Je größer eine Unterkunft ist und je länger Menschen dort leben, desto geringer wird ihre Chance, zurück in eine Wohnung zu finden.
Sachstand: Hinz&Kunzt fordert kleine Unterkünfte, in denen höchstens 20 Menschen leben. Wie es gehen kann, zeigt die Neue Wohnung gGmbH: In fünf Projekten (drei Häuser, zwei Containerplätze) wohnen jeweils höchstens 20 Wohnungslose zusammen – betreut von einem
Sozialarbeiter und gut integriert in den Stadtteil. Mehr als 800 ehemals Obdachlose haben so seit 1996 den Weg zurück in eine eigene Wohnung gefunden. Weil die städtischen Zuschüsse aber nicht reichen, ist die Neue Wohnung auf Spenden und Gelder einer Stiftung angewiesen.
Was fehlt: Vor allem Geld, denn kleine Unterkünfte und gute Betreuungsschlüssel kosten. Außerdem geeignete Standorte, Nachbarn ohne Vorurteile und Hausbesitzer, die der Stadt gute Angebote zur Unterbringung von Wohnungslosen machen. Der Senat geht davon aus, dass Hamburg bis Ende kommenden Jahres weitere 1900 Plätze in Unterkünften
benötigt. Würde man die Höchstzahl pro Einrichtung auf 45 Bewohner beschränken, fehlten der Stadt allein für die zusätzlichen Wohnungslosen mehr als 40 neue Standorte. UJO
Faire Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie
Das Problem: T-Shirts für 2,50 Euro kann es nur auf Kosten von Menschen geben. Die Mitarbeiter von Modediscountern wie Kik werden oft miserabel bezahlt, den Arbeitern in den Herstellungsländern wie Bangladesch geht es noch viel schlechter, hatte NDR-Reporter Christoph Lütgert recherchiert und auch bei uns veröffentlicht. Näherinnen in Asien bekamen 30 Euro im Monat als Lohn, Verkäuferinnen in Deutschland unter 6,50 Euro die Stunde. Hinzu kamen Brände und Einstürze in asiatischen Fabriken, bei denen Tausende Arbeiter starben.
Sachstand: Im Mai dieses Jahres tat sich etwas in Sachen Brandschutz und Gebäudesicherheit in Bangladesch: Große Modehäuser haben ein Abkommen unterschrieben, wonach die Zustände in den Fabriken verbessert werden sollen. Weniger erfreulich verlaufen Verhandlungen über Entschädigungszahlungen an Opfer von Fabrikeinstürzen, sagt Berndt Hinzmann von der Clean Clothes Campaign. Oft hätten die Konzerne unangemessen geringe Summen gezahlt. „Den Unternehmen geht es nicht um Verantwortungsübernahme, sondern um Kostenminimierung.“ Auch die Löhne für Arbeiter würden trotz Streiks nur langsam erhöht. Beim Discounter Kik in Deutschland hat sich die Situation der Mitarbeiter ein wenig verbessert: Seit 2010 gilt dort ein Mindestlohn von 7,50 Euro.
Was fehlt: Von fairen Arbeitsbedingungen kann in Asien noch keine Rede sein. In manchen Fabriken müssen die Arbeiter bis zu 19 Stunden täglich schuften. Die Löhne müssten angehoben, der Arbeitsschutz gewährleistet werden. Im Oktober brannte es erneut in einer Fabrik in Bangladesch. Mindestens neun Menschen starben, 50 Arbeiter wurden verletzt. BELA
Ein echtes Sozialticket
Das Problem: Mobilität ist wichtig, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen oder auf Job- und Wohnungssuche zu gehen. Deswegen sind Hilfeempfänger und andere Menschen mit wenig Geld auf Bus und Bahn dringend angewiesen. Doch das ist zu teuer. Weil viele sich die Tickets nicht leisten können, fahren sie ohne Fahrschein. Werden sie kontrolliert, drohen Geldbußen und im Wiederholungsfall Gefängnisstrafen. 519 Menschen verbüßten 2009 wegen wiederholten Schwarzfahrens eine „Ersatzfreiheitsstrafe“. Aktuelle Zahlen liegen nicht vor, weil sie nur mit hohem Aufwand zu ermitteln wären, so die Justizbehörde auf Nachfrage. Recht und Ordnung werden teuer erkauft: Ein Hafttag kostet den Steuerzahler laut Justizbehörde 156,47 Euro.
Sachstand: Ein echtes Sozialticket gab es in Hamburg bis 2003. Damals schaffte die Regierungskoalition aus CDU, FDP und Schill-Partei es ab. Zwar galt das Sozialticket nur außerhalb der Hauptverkehrszeiten, dafür war es aber erschwinglich: Hilfeempfänger zahlten 15,50 Euro, die Sozialbehörde 13,25 Euro als Verlustausgleich an den Verkehrsverbund. 20.000 Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose nutzten es. Seit 2009 gibt es eine Sozialkarte, mit der Hilfeempfänger beim HVV 19 Euro Ermäßigung auf Monatskarten erhalten. 58.000 Hamburger haben sie.
Was fehlt: Die Sozialkarte ist eine Entlastung für Menschen mit wenig Geld – doch Mobilität bleibt für sie zu teuer. Im Hartz-IV-Regelsatz sind 24 Euro für Bus und Bahn vorgesehen. Eine Monatskarte für den Großbereich, die zeitlich nicht begrenzt ist, kostet in Hamburg mindestens 79,90 Euro (mit Sozialrabatt 60,90 Euro). Eine CC-Karte kostet 45,50 Euro (mit Sozialrabatt 26,50 Euro) – ist aber am Morgen und nachmittags nicht gültig, weshalb Betroffene etwa für Behördentermine in dieser Zeit zusätzlich Einzelfahrscheine kaufen müssen. Günstiger käme ein Abo, das viele aber nicht abschließen können, weil dazu ein Bankkonto nötig ist – und das bekommt nicht jeder (siehe Seite 35). Deswegen brauchen wir unbedingt wieder ein Sozialticket, das diesen Namen auch wirklich verdient. BEB
Schluss mit den Dumpinglöhnen
Das Problem: In vielen Hamburger Hotels werden Reinigungskräfte mit Hungerlöhnen abgespeist. Die Art und Weise, wie das geschieht, steht beispielhaft für viele andere Branchen: Die Arbeit wird an Subunternehmer vergeben, diese bekommen dafür aber mitunter so wenig Geld, dass sie ihre Mitarbeiter gar nicht anständig bezahlen können.
Sachstand: Nach drei Hinz&Kunzt-Hotelreports und dem daraus erwachsenen öffentlichen Druck ist bei einigen Hoteliers die Bereitschaft gewachsen, sich um die Löhne der sogenannten Zimmermädchen zu kümmern. Doch immer noch putzen in vielen Hotels Menschen für unter fünf Euro die Stunde. Immerhin: Nachdem bekannt wurde, dass auch Mitarbeiter städtischer Unternehmen oft mies bezahlt werden, hat der Senat im Sommer einen Landes-Mindestlohn eingeführt. Seitdem gilt: Wer für die Stadt arbeitet oder für ein von ihr beauftragtes Unternehmen, darf nicht weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdienen.
Was fehlt: Vor allem mehr Mitarbeiter beim Zoll, der sicherstellen soll, dass Mindestlöhne tatsächlich gezahlt werden. Denn das Beispiel der „Zimmermädchen“ zeigt auch, dass ein (Branchen-)Mindestlohn – für Reinigungskräfte sind neun Euro die Stunde gesetzlich vorgeschrieben – nur wenig hilft, wenn niemand seine Einhaltung kontrolliert und durchsetzt. Außerdem fehlen härtere Strafen für Reinigungsunternehmer, die Mitarbeiter ausbeuten, und für Hotelbetreiber, die ihren Subunternehmern so wenig Geld überweisen, dass diese die Putzkräfte gar nicht anständig bezahlen können. UJO
Sozialversicherungspflichtige Arbeit statt Ein-Euro-Jobs
Das Problem: Rund 80.000 sogenannte erwerbsfähige Hilfebedürftige in Hamburg müssen schon länger als zwei Jahre von Hartz IV leben. Viele haben wegen ihres Alters, ihres schlechten Gesundheitszustands oder wegen fehlender Ausbildung so gut wie keine Chance auf einen regulären Job. Früher gab es für diese Menschen den zweiten Arbeitsmarkt: sozialversicherungspflichtige Jobs, die vom Staat bezuschusst oder bezahlt wurden. Mit den Hartz-Reformen wurden diese so gut wie abgeschafft. Stattdessen gibt es vor allem Ein-Euro-Jobs, die keine Perspektive, aber entwürdigende Bezahlung („Aufwandsentschädigung“) bieten.
Sachstand: „Tariflohn statt Sozialhilfe!“ hieß ein Programm, das der damalige Hamburger SPD-Senat Ende der 1980er-Jahre auflegte. So entstanden Jobs für Menschen, die üblicherweise keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Heute wären wir froh, wenn Bund und Land Langzeitarbeitslosen überhaupt einigermaßen anständig bezahlte Stellen anbieten würden. Denn der Bund hat die Gelder drastisch zusammengestrichen: 2010 überwies er Hamburg noch rund 184 Millionen Euro für die Förderung von Hartz-IV-Empfängern, dieses Jahr nur noch 93 Millionen Euro. Geförderte sozialversicherungspflichtige Jobs für Arbeitslose sind die Ausnahme: In Hamburg gibt es davon derzeit 555. Problem: Endet die Förderung, fallen die Betroffenen in den Hartz-IV-Bezug zurück.
Was fehlt: Ein größerer sozialer Arbeitsmarkt mit langfristig abgesicherten Stellen für Menschen, die aus dem ersten Arbeitsmarkt herausgefallen sind. Ein nach Tarif bezahlter, öffentlich geförderter Arbeitsplatz kostet den Staat genauso viel wie ein Ein-Euro-Job – bringt den Betroffenen aber viel mehr. UJO
Kampf gegen Abzockvermieter
Das Problem: 2010 deckte Hinz&Kunzt das „System Kuhlmann“ auf: Der damalige CDU-Politiker Thorsten Kuhlmann bereicherte sich systematisch mit der Vermietung von Wohnraum an Hilfeempfänger. Der Trick: Die Mietverträge wiesen für die oft heruntergekommenen Zimmer und Wohnungen deutlich mehr Quadratmeter aus als real vorhanden. Die Folge: Jobcenter und Sozialämter zahlten auf Kosten des Steuerzahlers drauf.
Sachstand: Nachdem andere Medien den Skandal aufgriffen und weitere Abzock-Vermieter aufflogen, entschloss sich das Jobcenter zur Flucht nach vorne und erstattete gegen mehrere Vermieter Strafanzeigen wegen des Verdachts auf Mietwucher und Betrug. Zudem verklagte das Amt Kuhlmann und Co. auf Rückzahlung der zu viel gezahlten Mieten. Thorsten Kuhlmann hat nach mehreren Gerichtsurteilen inzwischen rund 280.000 Euro überwiesen, insgesamt 700.000 Euro fordert die Stadt. Die Zivilprozesse gegen andere Vermieter gestalten sich schwierig und zähflüssig. Ergebnisse der Strafverfahren stehen noch aus.
Was fehlt: Zwar müssen Hilfeempfänger nun gegenüber dem Amt die Wohnungsgröße angeben. Solange aber preiswerter Wohnraum Mangelware bleibt, ist es ein Leichtes, heruntergekommene Buden überteuert zu vermieten: Im Zweifel schauen Ämter lieber weg, als Menschen auf die Straße zu schicken. Und: Mietwucher darf kein Kavaliersdelikt sein. Die derzeitige Rechtsprechung macht Verurteilungen aber unmöglich. UJO
Mehr Betten für kranke Obdachlose
Das Problem: Wer Fieber hat, gehört ins Bett. Für Menschen, die auf der Straße leben müssen, gelten andere Gesetze. Sie können sich nirgends auskurieren, ob bei Grippe oder bei offenen Beinen. Denn ein Fall fürs Krankenhaus sind sie nicht. Zwar betreibt die Caritas eine Krankenstube für Obdachlose. Doch sind deren 16 Betten viel zu wenig. Seit Jahren ist die Krankenstube zu 100 Prozent ausgelastet, obwohl die Patienten nur in Ausnahmefällen länger als sechs Wochen bleiben dürfen.
Sachstand: Die Obdachlosen-Übernachtungsstätte Pik As hat vor einigen Jahren einen „Gesundheitsflur“ für Kranke eingerichtet. Zudem gibt es seit Juni in Hamburg drei sogenannte Schwerpunktpraxen für Wohnungslose. Hier bieten Hausärzte zweimal die Woche eine Sprechstunde für Menschen an, die in eine „normale“ Arztpraxis in aller Regel nicht gehen. An zwei Standorten beraten auch Psychiater.
Was fehlt: Da es wegen des demografischen Wandels immer mehr ältere Menschen auf der Straße gibt: ein Pflegeheim nur für Obdachlose. Das Diakonische Werk musste die Planung einer solchen Einrichtung auf Eis legen, weil sich Stadt, Kranken- und Pflegekassen nicht auf ein auskömmliches Finanzierungsmodell einigen konnten. Dass es gehen kann, zeigt München: Dort gibt es drei Pflegeheime für Obdachlose. Möglich ist das, weil die Stadt dort bereit ist zuzuzahlen. Die Hamburger Sozialbehörde will die Betroffenen hingegen in normale Pflegeheime integrieren. Problem: Suchtverhalten und psychische Erkrankungen machen das schwer bis unmöglich. UJO
Konto für jedermann
Das Problem: Wem Gläubiger auf die Pelle rücken, der ist seine Bankverbindung schnell los. Das wird teuer. Denn auch Menschen mit Schulden müssen weiterhin Miete und Heizkosten überweisen, Bareinzahlungen aber kosten viel Geld. 670.000 Menschen bundesweit haben Schätzungen zufolge kein eigenes Girokonto.
Sachstand: Schon 1995 erklärten die Geldinstitute in einer Selbstverpflichtung, jedem Menschen in Deutschland auf Wunsch ein Girokonto auf Guthabenbasis einzurichten. In der Praxis halten Banken sich nicht immer an ihr Versprechen. Immerhin: Seit 2010 gibt es das sogenannte Pfändungsschutzkonto (P-Konto).
Was fehlt: Das Recht auf ein Girokonto muss per Gesetz festgeschrieben und einklagbar sein. Entsprechende Vorstöße von Oppositionsparteien wurden von der Bundesregierung blockiert. Nun fordert die Europäische Kommission einen Rechtsanspruch auf eine Bankverbindung – Erfolgsaussichten ungewiss. UJO
Hausbesuch statt Räumung
Das Problem: Eine Zwangsräumung ist ein traumatisches Erlebnis. Und wer einmal in einer Notunterkunft landet, findet oft lange Zeit nicht mehr raus. In der Regel haben die Betroffenen Mietschulden. Die sind meist Ausdruck dafür, dass die Mieter Probleme haben – und eine Hilfe brauchen, die sie sich selbst nicht holen können.
Sachstand: Frühe Hilfen sind nicht nur wirksamer als Räumungen, sondern auch billiger für die Stadt, wissen Experten. 2005 richtete die Stadt Fachstellen für Wohnungsnotfälle ein, die den Betroffenen rechtzeitig helfen sollen. Der Erfolg der Fachstellen ist messbar, aber ausbaufähig: 2005 landeten noch 2316 Haushalte auf der Straße, vergangenes Jahr wurde 1590-mal eine Wohnung in Hamburg zwangsgeräumt. Das ist immer noch zu viel.
Was fehlt: Wer helfen will, muss oft und manchmal mehrmals Hausbesuche machen – und das geschieht zu selten. Nur 1713-mal klingelten die Fachstellen vergangenes Jahr an einer Haustür, angesichts von 4428 Räumungsklagen viel zu selten. Fachstellen-Mitarbeiter sehen das ähnlich, doch fehlt ihnen Personal für mehr aufsuchende Hilfen. Hinz&Kunzt fordert: Jeder Zwangsräumung muss mindestens ein Hausbesuch vorangehen. UJO
Text: Ulrich Jonas, Beatrice Blank, Benjamin Laufer
Fotos: Mauricio Bustamante