Graphic Novels :
Vom Leben gezeichnet

Die israelische Autorin Rutu Modan hat in der Graphic Novel „Das Erbe“ ein Stück ihrer jüdischen Familiengeschichte gezeichnet und erzählt. Am Samstag stellt sie ihr Buch im Rahmen des Hamburger Comicfestival vor.

Für die Großmütter von Autorin  und Illustratorin Rutu Modan war  ihre Heimat Polen „wie ein einziger Friedhof“, über den sie nie sprachen.  In Das Erbe begibt die Enkelin sich trotzdem mit ihnen auf die Reise dorthin. Im Oktober ist sie beim Comicfestival  in Hamburg zu Gast. Bild: Rutu Modan (Titelbild „Das Erbe“)
Für die Großmütter von Autorin
und Illustratorin Rutu Modan war
ihre Heimat Polen „wie ein einziger Friedhof“, über den sie nie sprachen.
In Das Erbe begibt die Enkelin sich trotzdem mit ihnen auf die Reise dorthin. Im Oktober ist sie beim Comicfestival
in Hamburg zu Gast.

Jede Familie hat sie: Geheimnisse. Da ist der seltsame Onkel, der nie zu Feiern eingeladen wird. Die Schwägerin mit den mysteriösen Ticks. Bei der israelischen Comicautorin Rutu Modan waren es die Großmütter, die Teile ihrer Vergangenheit verheimlichten. „Sie sprachen nie über ihre Heimat Polen. Für sie war es ‚ein einziger großer Friedhof‘“, erzählt die 48-Jährige. Beide Jüdinnen waren vor den Nazis geflohen.

Rutu Modan lässt ihre Familiengeschichte nun in einer außergewöhnlichen Graphic Novel wieder aufleben. „Das Erbe“ lautet der Titel des Werks, das sie jetzt beim Hamburger Comicfestival präsentiert: Da­rin reist die 85-jährige Regine Segal mit ihrer Enkelin Mika von Tel Aviv nach Warschau. Vordergründig, um ihr altes Haus wiederzubekommen. Doch nach und nach zeigen sich die wahren Beweggründe der alten Dame … „Regines Charakter ist stark an meine beiden Großmütter angelehnt“, sagt Autorin Rutu Modan. „In meinem Buch kann ich das tun, was wir zu Lebzeiten leider nie konnten: gemeinsam in die Heimat zurückkehren.“ Dabei mischen sich die Erinnerungen der alten Dame mit den neuen Erfahrungen der jungen Frau, die diese im modernen Polen macht. In schillernden Farben bleibt dabei auch so mancher Seitenhieb auf den organisierten Gedenktourismus nicht aus. Modan gelingt das Kunststück, das schwere Thema leicht und dennoch berührend darzustellen.

Über den Gast aus Israel freut sich eine Hamburgerin besonders: Anke Feuchtenberger, Professorin im Design-Department der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW), selbst als deutsche Comic-Koryphäe stilprägend für literarische Comics und eine Freundin von Modan. „Sie ist eine großartige Erzählerin“, sagt Feuchtenberger über Modan.
Als sie 1998 das erste Mal auf Arbeiten der Kollegin stieß, sei sie „geradezu elektrisiert“ gewesen. „Ich schätze ihre menschliche Wärme, ihr Interesse und das Staunen über krude und deswegen menschliche Lebensgeschichten“, sagt Feuchtenberger.

Sie selbst schickt Studierende ihrer Comic-Klasse zum Festival. Diese haben sich mit dem Thema „Tiere in Bildgeschichten“ auseinandergesetzt: Da sieht man Vögel, die angeln, Faultiere, die weinen, und Nutztiere hinterm Lenkrad. Wieso Tiere? „Das ist ein sehr hilfreiches Thema, um Zusammenhänge zu verstehen“, sagt Feuchtenberger, „auch für die menschliche Welt“.

Text: Simone Deckner
Bild: Rutu Modan (Titelbild „Das Erbe“)

„Das Erbe“ von Rutu Modan erscheint im Carlsen Verlag als Hardcover, 24,90 Euro.
Ausstellung zum Buch im Rahmen des Hamburger Comicfestivals, Vorwerkstift (Galerie 21), Vorwerk­straße 21, Sa, 5.10., 12–19 Uhr, So, 6.10., 12–18 Uhr
Die Autorin stellt ihr Buch vor: Sa, 5.10., 18 Uhr, Centro Sociale, Sternstraße 2 (in englischer Sprache)
Comicfestival Hamburg, noch bis So, 6.10., Kölibri, Hein-Köllisch-Platz, mit Comic-Börse und Workshops für Erwachsene und Kinder. Ausführliches Programm, Orte und Zeiten: www.comicfestivalhamburg.de