Beim Duell gegen eine Mannschaft Hamburger Politiker wollen die „Herz As Chaoten“ zeigen, was sie draufhaben – verstärkt mit afrikanischen Spielern, die zu den sogenannten Lampedusa-Flüchtlingen gehören. Die haben keine Arbeit, keine Wohnung und offiziell kein Recht zu bleiben. Aber das Kicken kann ihnen keiner verbieten.
Die Chaoten sind überaus pünktlich. Bereits eine Stunde vor dem Anpfiff im Schanzenpark absolvieren die Spieler die ersten Übungen. Am Spielfeldrand haben sich sogar auch schon ein paar Fans positioniert. „Da hat sich jemand weit aus dem Fenster gelehnt, jetzt wollen wir mal sehen“, sagt einer der Kiebitze lachend und zeigt dabei auf Ole Harms. Der 30-Jährige ist Sozialarbeiter in der Tagesaufenthaltsstätte Herz As und zugleich Coach der Fußball-Freizeitmannschaft. Heute steigt das traditionelle jährliche Duell gegen die Hamburger Rathauskicker, einer Fußballmannschaft, in der amtierende und ehemalige Abgeordnete des Rathauses, Mitarbeiter und Bezirkspolitiker fraktionsübergreifend zusammenspielen.
In der Vergangenheit haben die „Herz As Chaoten“ dabei ihrem Namen alle Ehre gemacht: „Wir haben die letzten sechs oder sieben Begegnungen verloren“, erzählt Ole Harms. „Zuletzt haben wir nicht einmal mehr eine Mannschaft zusammen bekommen.“ Doch dieses Jahr soll alles anders werden: „Ein Erfolg muss her.“
Harms Hoffnung ruht auf dem von ihm neu zusammengestellten Team. In den vergangenen Monaten fanden viele der libyschen Kriegsflüchtlinge, die über die italienische Insel Lampedusa nach Hamburg kamen, ihren Weg ins Herz As. „Mich hat eines Tages einer angesprochen, woher die Pokale im Regal kommen“, erzählt der 30-Jährige. „So entstand die Idee die Herz As Chaoten wieder aufleben zu lassen.“ Das Angebot wurde gut angenommen: Gleich zum ersten Training kamen etwa 20 Afrikaner. „Seitdem trainieren wir ein Mal die Woche im Lohmühlenpark“, so Harms, der bis dahin nach eigener Aussage „mit Fußball wenig am Hut“ hatte. „Für die Jungs ist die Partie gegen die Rathausauswahl ein besonderes Spiel“, sagt der Sozialarbeiter. „Die Politik gibt ihnen kein Bleiberecht. Sie wollen heute zeigen, was sie können.“
In der Hamburgischen Bürgerschaft hält man sich allerdings streng an die Regeln der FIFA: Fußball und Politik werden nicht vermischt. „Unter der Woche arbeiten die Abgeordneten und Mitarbeiter in ihren Büros“, erzählt Lars Dietrich. „Und jeden Freitag Abend treffen wir uns zum Fußball spielen.“ Dietrich ist CDU-Mitglied, ehemaliger Bürgerschaftsabgeordneter und Vorsitzender der Hamburger Rathauskicker. Seit 2001 sind die Rathauskicker ein eingetragener Verein und Teil des Hamburger Fußballverbandes. Neben den regelmäßigen Trainingseinheiten absolviert das Team gelegentlich Benefizspiele. „Unser Durchschnittsalter liegt bei über 45 Jahren“, so Dietrich. „Am Wochenende noch ein Turnier spielen. Das ist einigen inzwischen einfach zu viel.“
Längst nicht so motiviert wie die Herz As Chaoten gehen die Rathauskicker in die diesjährige Partie. Erst kurz vor dem Anpfiff trudeln die Letzten ein, unwissend, was für ein Gegner sie erwartet. Die Überraschung ist groß. „Das kann ja lustig werden“, zischt einer im Vorbeigehen seinem Teamkollegen zu. Aber auch die Rathauskicker präsentieren sich nicht als Altherrentruppe. „Wir hatten viele Absagen“, erläutert Cem Berk, Spielmacher der Rathauskicker und Vorsitzender der Jusos in Wandsbek. „Deswegen sind heute noch einige Jusomitglieder dabei.“
Aber auch die Jusos können nicht verhindern, dass die Herz As Chaoten bereits nach zwei Minuten mit 0:1 in Führung. Jubel im kleinen Herz-As-Fanblock. Im weiteren Spielverlauf lassen die Herz As Chaoten lassen zahlreiche glasklare Chance liegen, doch das Rathaus-Team kann daraus kein Kapital schlagen. „Défense, défense“, brüllt Harms und versucht, sein Team zu dirigieren. Der Erfolg gibt ihm am Ende recht: Mit einem 2:3 verlassen die Herz As Chaoten siegreich den Kunstrasen. Trainer Harms stürmt auf den Platz und feiert mit seinen Spielern. Moussa, Torschütze zum vorentscheidenden 1:3, meint: „Das war toll. Aber wir hatten uns auch fest vorgenommen, heute zu gewinnen.“ Auf der Gegenseite hält sich die Enttäuschung in Grenzen. „Hätte ich gewusst, dass wir hier heute auf die African Tigers treffen …“, CDU-Politiker Dietrich schnappt nach Luft. „Haben sie gesehen, wie die gelaufen sind?“ Er und sein Team präsentieren sich aber als faire Verlierer: „Die waren uns überlegen, aber ich fand, es hat Spaß gemacht.“
Text: Jonas Füllner Foto: Dmitrij Leltschuk