(aus Hinz&Kunzt 153/November 2005)
Der Hamburger Peter Krämer bezahlt Schulen für Kinder in Afrika. Sein Sinn für Gerechtigkeit treibt ihn an. Und die Gewissheit: Das hilft auch uns Europäern
Gerade ist Peter Krämer aus Angola zurückgekehrt. Schulen ansehen. Und er ist schwer beeindruckt. „Die Kinder dort laufen fünf Kilometer und hocken sich auf den nackten Steinboden. Sie hängen der Lehrerin mucksmäuschenstill an den Lippen, als wäre sie der liebe Gott“, sagt der Hamburger Reeder. Nur wenn die nächste Schule noch weiter weg sei, werde es schwierig. 5000 neue Schulen will er deshalb bis 2009 in Afrika bauen.
Alles fing mit einem Schiff an. Krämer hat mit seiner Flotte schon den von den Nazis hingerichteten Widerständlern Sophie und Hans Scholl schwimmende Denkmäler gesetzt. Auch der lateinamerikanische Freiheitsheld „Simón Bolívar“ kreuzt für ihn die Weltmeere. Seinen neuen Tanker wollte er „Nelson Mandela“ nennen und dafür eine Million Dollar an dessen Stiftung überweisen. Unicef überzeugte ihn, stattdessen Nelson-Mandela-Schulen zu gründen. Das Schiff heißt nun „African Future“, was das Anliegen des Eigners perfekt beschreibt.
„Der Schlüssel zu Afrikas Entwicklung liegt in der Bildung“, davon ist Krämer überzeugt. Deshalb investiert er in Grundschulen in Angola, Malawi, Mosambik, Ruanda, Simbabwe und Südafrika. 10.000 Euro kostet ihn eine Schule mit zwei Klassenräumen und einem Trinkwasseranschluss. „Das war mir sehr wichtig“, sagt er, „denn damit wird die Schule automatisch zum Dorfzentrum – die Leute kommen, um Wasser zu holen, zu palavern.“ Der Reeder bezahlt auch einen Crashkurs in Pädagogik für die neuen Lehrer. Das Prinzip nennt er „Lebensschule“: Lesen, Schreiben, Rechnen, Empfängnisverhütung und Aidsschutz – Grundvoraussetzungen für die Armutsbekämpfung. Wenn der Norden dann noch seine Handelsschranken und Agrarsubventionen abbaue, schätzt der engagierte Unternehmer, „brauchen wir innerhalb von zehn Jahren keinen Cent Entwicklungshilfe mehr“.
Für Krämer ist das nicht allein eine Frage der Nächstenliebe, sondern auch eine der Vernunft: Zurzeit leben in Afrika 850 Millionen Menschen. „Wenn wir nichts tun, werden es 2050 1,8 Milliarden sein. Dann werden nicht mehr Tausende über das Mittelmeer kommen, sondern Zigtausende“, sagt er mit Blick auf den Flüchtlingsansturm auf die spanischen Exklaven in Marokko. Es gebe einen gesicherten Zusammenhang zwischen dem Grad der Bildung und der Überbevölkerung. „Je gebildeter die Menschen sind, desto geringer sind die Zuwächse bei der Geburtenrate. „Wir haben also auch egoistische Gründe, Afrika zu helfen.“
Was ihn persönlich antreibt? „Ich bin ein Gerechtigkeitsfanatiker“, sagt er und will den „Fanatiker“ gleich wieder zurückziehen. Aber ein besseres Wort fällt ihm nicht ein.
Der junge Peter Krämer studierte Ende der 60er-Jahre zunächst Soziologie und Pädagogik. „Schon damals habe ich mich nicht mit dem Zufall abgefunden, in eine privilegierte Lebenssituation hineingeboren zu sein“, sagt er. Aber die familiären Pflichten holten ihn schnell wieder ein: Er wurde Jurist und übernahm vom Vater die Spezialschiff-Reederei Chemikalien Seetransport (CST) und die Ingenieurfirma Marine Service. „Wir hatten damals die längste Schifffahrtskrise aller Zeiten“, erinnert er sich. Seit der Welthandel beständig wächst, sind auch seine Unternehmen wieder auf Expansionskurs. „Ich habe beruflich alles erreicht“, sagt der 54-Jährige. „Jetzt ist es Zeit, den Ärmsten etwas zurückzugeben.“
Der Großspender hat noch einmal nachgelegt: Bis zu einer Gesamthöhe von drei Millionen Euro will er in diesem Jahr jede Spende verdoppeln, die andere dazugeben. 2,2 Millionen sind schon eingegangen. „Und das Weihnachtsgeschäft steht ja noch aus …“, sagt er erwartungsvoll. Nur in der eigenen Branche hat er noch keine Verbündeten gefunden: Zum vergangenen Weihnachtsfest hat er einen Rundbrief mit der Bitte um Spenden verschickt. Resonanz: null.
In den USA sei das soziale Verantwortungsbewusstsein viel ausgeprägter, hat Krämer beobachtet: „Da kann es sich kein großer Unternehmer leisten, sich nicht sozial zu engagieren. Der wäre vollkommen verpönt.“ Aber er will niemanden anprangern. Lieber benutzt er schöne Worte wie „Überzeugungsarbeit“, „ein Beispiel geben“, „eine Welt“, „Zusammenrücken“ oder „Wir-Gesellschaft“. Schließlich will er nicht nur andere Wirtschaftsbosse in die Pflicht nehmen: „Ich will jeden, der es sich leisten kann, ermutigen mitzumachen.“
Zur Not scheut Krämer sich auch nicht, eine „Gerechtigkeitsdebatte anzuzetteln“. Dabei werden die Samthandschuhe auch schon mal ausgezogen: Der Unternehmer fordert, Eigentum stärker zu besteuern. „Wir erlösen aus Erbschaftssteuer, Schenkungs- und Grundsteuer zusammen 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts“, sagt er. „In Japan, Frankreich und den USA ist es fast viermal, in Großbritannien sogar mehr als fünfmal so viel. Mit dem britischen Niveau hätten wir Steuermehreinnahmen in Höhe von 38 Milliarden Euro im Jahr.“
Nicht das erste Mal, dass der streitbare Reeder unter Wirtschaftskapitänen für Stirnrunzeln gesorgt haben dürfte: 2003 startete er einen Aufruf zum Protest gegen den drohenden Irakkrieg. Unter dem Eindruck der US Invasion wurde er Mitbegründer der „Hamburger Gesellschaft zur Förderung der Demokratie und des Völkerrechts“, über die Krämer mittelbar die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ fördert.
Sechs Stunden täglich ist der Reeder inzwischen mit seinem humanitären Engagement beschäftigt. Er hat dafür das Geschäft mit den Medien erlernt, sich in Sabine Christiansens TV-Parlament gesetzt, beim Kanzler vorgesprochen. Für seine Firmen bleibt nicht viel Zeit. Wie das geht? „Ich habe gute Leute und kann delegieren“, sagt er. So einfach.