Gift, 36, verkauft Hinz&Kunzt vor Rewe in Schnelsen.
(aus Hinz&Kunzt 245/Juli 2013)
Der Name klingt schön: Gift Osadolor. „Ich bin ein Geschenk Gottes“, sagt der gebürtige Nigerianer mit einem breiten Grinsen. Dazu seine Statur: Der große durchtrainierte Mann könnte auch Basketballer sein. Gift ist jedoch weder Basketballer noch hat er ein leichtes Leben. Stattdessen gehört er zu den wenigen schwarzen Hinz&Künztlern auf Hamburgs Straßen. „Viele Schwarze, die nach Deutschland kommen, können die Sprache nicht sprechen“, erklärt der 36-Jährige. „Wie sollen sie da Zeitungen verkaufen?“ Gift dagegen spricht Deutsch. Wenn auch nicht perfekt. Das ist ihm sichtlich unangenehm. „Ich mache zu viele Fehler“, sagt er bescheiden.
Dabei werden seine Deutschkenntnisse täglich besser. „Es hilft mir, wenn mich Leute korrigieren“, meint Gift. Gut, dass er als Hinz&Kunzt-Verkäufer viele Gespräche führen muss. „Ich bin immer höflich und mache gerne mal ein Späßchen“, erzählt er. Bei den Käufern kommt das offensichtlich gut an. „Hier, die Hose, den Pullover, sogar die Jacke habe ich geschenkt bekommen!“, sagt er und zeigt stolz seine Kleidung.
Sein gepflegtes Äußeres führt dazu, dass manche ihm den Verkäufer-Job nicht abnehmen. „Die Leute fragen mich dann, warum verkaufst du Hinz&Kunzt?“ Die Antwort ist einfach: „Keine andere Arbeit.“ Gift wäre gerne Koch. Selbstbewusst, als würde er sich in einem Bewerbungsgespräch befinden, sagt er: „Meine Spezialität sind Pizzen, das kann ich richtig gut!“ Aber einen Job hat ihm bislang niemand angeboten. Dabei hätte Gift, der einen spanischen Pass besitzt, die Erlaubnis, hier zu arbeiten. Es fehlen ihm aber die Kontakte.
Gift schlägt sich alleine durch. Seine Frau und seine zwei Kinder ließ er zurück, als er vor sechs Jahren nach Spanien ging. Zu Hause hatte Gift auf dem Hof seiner Eltern in der Nähe von Lagos ausgeholfen. Doch der Hof warf nicht genug ab, um alle zu ernähren. „Nun kümmern sich die Großeltern um meine Familie“, erklärt er. In Madrid fand er Arbeit bei einem Straßenmagazin. „Es war ein bisschen wie bei Hinz&Kunzt“, erzählt er rückblickend. Aber als die Finanzkrise Spanien heimsuchte, wurde es auch dort für Gift immer schwieriger. „Am Monatsende hatte ich nicht mehr genügend Geld zum Leben“, sagt er.
Deswegen kam er vor zwei Jahren nach Deutschland. Hier besucht er regelmäßig die afrikanische Kirche in Altona. „Ich bin da, um zu beten“, erzählt Gift, der am Wochenende gerne mit Freunden im Stadtpark kickt. Ob er ein guter Fußballer ist? Gift grinst: „Ich weiß nicht.“ Eine Unterkunft hat Gift immerhin bei einem Freund gefunden. Die Situation ist schwierig, aber er ist zuversichtlich. „Ich bin kein Flüchtling“, betont er. „Ich bin hier zum Arbeiten.“
Hinz&Kunzt: Bist du zufrieden mit deinem Leben in Deutschland?
Gift: Ich würde sagen ja. Ich habe Kleidung, ein Zimmer und ich kann mir Essen kaufen. Das ist das Wichtigste im Leben.