Gutachten zu Esso-Häusern :
Folgt jetzt der Abriss?

Das bezirkliche Gutachten zu den Esso-Häusern ist da: Vor allem die Tiefgarage unter den Häusern ist marode. Damit sinken die Hoffnungen der Mieter, die sich für den Erhalt einsetzen. Denn eine Sanierung im bewohnten Zustand ist nicht möglich.

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Die Initiative Esso-Häuser setzt sich für den Erhalt ein. Die Aktivisten sehen sich durch das Gutachten bestätigt.

„Ein realistischer Spielraum für den Erhalt der Esso-Häuser ist selbst bei gutem Willen kaum noch gegeben“, gab Andy Grote, Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte, am Donnerstag, den 16. Juni bekannt. Mehr als eine Stunde lang präsentierte der Bezirksamtsleiter zusammen mit dem Archtekturbüro D+R die Ergebnisse des Gutachtens zu den Esso-Häusern im Bezirksamt. Das Gutachten war vom Bezirksamt in Abstimmung mit der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt beauftragt worden. Im Anschluss an die Präsentation blieben die anwesenden Aktivisten der Initiative Esso-Häuser enttäuscht und in Gedanken versunken auf ihren Stühlen hocken. Denn jetzt ist klar: Sogar im Fall einer Sanierung der Häuser müssten die Mieter ihre Wohnungen verlassen.

Seit vier Jahren schwelt auf dem Kiez der Konflikt um den Abriss der Wohnhäuser, der umliegenden Clubs und der Kult-Tankstelle auf der Reeperbahn: Bewohner fordern den Erhalt des bezahlbaren Wohnraums. Dagegen will der Eigentümer, die Bayerische Hausbau, den Komplex abreißen und durch Neubauten ersetzen. Den Expertisen des Immobilienkonzerns zur Bausubstanz wollten die Bewohner keinen Glauben schenken. Zur Lösung des Konfliktes forderte der Bezirk daher ein eigenes Gutachten ein. Das Ergebnis des Architekturbüros D+R liegt jetzt vor: Die Substanz der Häuser ist marode. Eine Sanierung kompliziert und teuer. „Es besteht aber kein Schadensbild, bei dem man sagen kann, das Haus bricht morgen zusammen“, so Architektin Christine Reumschüssel bei der Präsentation.

Allerdings müssten zahlreiche Schäden an den Wohngebäuden dringend beseitigt werden. Dazu zählen auch die baufälligen Balkone, die inzwischen gesperrt wurden. Weit problematischer ist allerdings die Tiefgarage unter den Wohngebäuden. Eine Auto-Waschstraße führt durch diesen Bereich. Die Wassermassen haben über die Jahre die Stahlbetonträger angegriffen. Verantwortlich für den schlechten Zustand ist die mangelnde Instandsetzung in der Vergangenheit. Das sorgt bei der Initiative für Empörung. „Bereits vor drei Jahren haben Fachleute aus unserem Kreis die Mängel aufgezeigt, doch es wurde nicht gehandelt.“ In der Zwischenzeit sei die Schädigung des Gebäudes weiter vorangeschritten.

„Der bauliche Zustand der Esso-Häuser ist deutlich schlechter als befürchtet“, hält Grote dagegen. Die Initiative Esso-Häuser sieht das anders: Ein Abriss sei nicht zwingend erforderlich. „Das vorgestellte Gutachten bringt keine Erkenntnisse, die für die Initiative überraschend sind“, sagt Steffen Jörg von der Initiative Esso-Häuser. Das sieht auch Zlatko Bahtijarevic, Inhaber des Planet Pauli, dem größten vom Abriss betroffenen Club in den Esso-Häusern, so: „Es gibt kein Gebäude, das nicht sanierbar ist!“

Tatsächlich schließt auch das Architekturbüro D+R die Möglichkeit einer Sanierung nicht aus. Mit komplizierten Trägerkonstruktionen wäre ein Umbau möglich. Während dieses Zeitraums müssten allerdings die Mieter die Wohnungen verlassen. „Die Kosten für die Sanierung der Tiefgarage liegen bei mindestens 11,5 Millionen Euro, realistisch wird es aber wohl eher doppelt so teuer“, so Reumschüssel. Ein Neubau würde dagegen vorrausichtlich 10 Millionen kosten.

Dass die Kosten einer Sanierung die eines Neubaus übersteigen ist aus Sicht der Bayerischen Hausbau das schlagende Argument. „Das Gutachten bestätigt unseren bisherigen Kurs“, so Bernhard Taubenberger, Pressesprecher des Unternehmens. „Abriss und Neubau sind das einzige, weil realistische Ziel.“

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Vielfältiger Protest: Ende April demonstrierten um die 2000 Menschen auf St. Pauli für den Erhalt der Esso-Häuser.

Das sorgt bei der Initiative für Unmut. „Zählt hier nur die Gewinnabsicht des Investors, oder ist es nicht viel wichtiger, bei diesem zentralem Areal die Interessen des Stadtteils im Blick zu haben“, so Andi Schmidt, Betreiber des Musikclub Molotow. Unterstützung erhält die Initiative in diesem Punkt vom Bezirksamtsleiter. „Die Ziele der Kritiker wie der Erhalt bezahlbarer Mieten, der Vielfalt St. Paulis, der gewachsenen Milieus teile ich ausdrücklich“, so Grote. Es sei Aufgabe der Politik bei einem neuen Bebauungsplan genau diese Punkte umzusetzen.

Im Vordergrund steht für Grote nun erst einmal die Sicherheit der Bewohner und übrigen Nutzer. Aus diesem Grund soll eine Schließung der Tiefgarage aus brandschutztechnischen Gründen umgehend erlassen werden. Außerdem müssten schnellstmöglich Abstützmaßnahmen in der Tiefgarage vorgenommen werden. Und wenn die Bayerische Hausbau die statischen Mängel nicht beseitigt? „Das liegt nicht mehr in unserer Hand“, so Grote. Höchstens ein Jahr lang könnten die Mieter dann noch in den Wohnungen bleiben. „Länger halten wir eine Nutzung aus Sicherheitsgründen nicht für tragbar.“

Dass die Mieter ihre Wohnungen in absehbarer Zeit verlassen müssen, scheint Fakt zu sein. Ob und wie zusammen mit der Bayerischen Hausbau bezahlbarer Wohnraum auf dem Kiez geschaffen werden kann, bleibt offen: Für die begehrten Ein-Zimmer-Wohnungen in den Esso-Häusern beträgt der Spitzenwert schon jetzt 10,98 Euro pro Quadratmeter. „Viele Mieter haben Angst, dass sie verdrängt werden“, so Steffen Jörg.

Die Initiative will an ihren Forderungen festhalten: „Wir haben uns schlau gemacht über Alternativen zum angeblich preiswerteren abreißen und neu bauen“, so Nabila Attar von der Initiative. Sie verweist auf Vorbilder aus Paris. Das Architekturbüro Lacaton/Vassal hätte beim Umbau des in den 1960er-Jahren entstandenen Tour Bois-le-Prêtre gezeigt, dass Abriss mitnichten per se wirtschaftlicher sei. „Dort durften die Bewohner mitplanen mit und mussten ihre Wohnungen während des Umbaus nicht verlassen.“ Unterstützung erhält die Initiative Esso-Häuser aus dem Bereich der Wissenschaft und Kultur. Neben zahlreiche Professoren aus dem Bereich der Stadtforschung haben auch prominente Künstler wie Udo Lindenberg und Jan Delay ein Manifest für den Erhalt der Esso Häuser veröffentlicht. Weit über 1000 Hamburger haben das Manifest inzwischen unterzeichnet.

Text: Jonas Füllner
Foto: Benjamin Laufer

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