Witzig, charmant und engagiert: Das Quartett Salut Salon begeistert auch Menschen, die mit Kammermusik sonst nichts am Hut haben. Wir haben die Geigerinnen Angelika Bachmann und Iris Siegfried getroffen.
(aus Hinz&Kunzt 244/Juni 2013)
Schon von Weitem kann man sie hören. Nicht einmal die flauschigen Teppiche und die samtenen Kissen des noblen Hotels Vier Jahreszeiten können dem Fortissimo-Lachen von Angelika Bachmann und Iris Siegfried etwas anhaben. Ihr ansteckendes Gelächter ist so etwas wie das Markenzeichen der zwei Geigerinnen des Ensembles „Salut Salon“ geworden und auch bei Auftritten nicht immer zu bremsen. „Wir haben schon ganze Konzerte geschmissen“, sagt Angelika Bachmann. „Es ist ein bisschen wie das Tourette-Syndrom: nicht steuerbar.“
Die beiden schauen sich an, und wieder ist eine Lachsalve zu hören. Die zwei Frauen verstehen sich auch ohne Worte. Sie sind mehr als 20 Jahre befreundet, haben zusammen gewohnt und waren gemeinsam auf Weltreise. Sie teilen die Vorliebe für Spinat und Kartoffelpüree und offenbar auch den Modegeschmack: Unabgesprochen sind beide zum Interview in Blau erschienen. Vom Typ her sind sie aber doch unterschiedlich. Angelika Bachmann, prüfend blickende Augen und äußerst schlagfertig, hat die blonden Haare streng zum Zopf gebunden. Iris Siegfried trägt ihr dunkles Haar offen und ist zurückhaltender. Sich gegenseitig ins Wort fallen können aber beide gut. Mit Temperament und Humor haben die beiden die klassische Konzertwelt auf den Kopf gestellt. Seit der Gründung von „Salut Salon“ vor zwölf Jahren spielen sie mit Grenzüberschreitungen und Witz.
„Wir wollen die Menschen zum Lachen bringen, aber wir haben keinen Plan dafür“, sagt Angelika Bachmann. Sie überrumpeln ihr Publikum mit der „Tatort“-Melodie, spielen im Liegen oder über Kopf und erzeugen Aberwitziges wie Weckerklingeln oder eine Polizeisirene auf ihren Instrumenten. Dann wieder spielen die Musikerinnen mit großer Ernsthaftigkeit und Hingabe Liszt, Mussorgsky oder Piazzolla.
Was spielerisch daherkommt, ist hart erarbeitet. Mit Cellistin Sonja Lena Schmid und Pianistin Anne-Monika von Twardowski feilen sie monatelang an jedem Programm. Dazu gehören eine große Portion Experimentierfreudigkeit und Vertrauen in die Kolleginnen. „Bei den Proben geht es manchmal wie im Kindergarten zu. Wir sind komisch und bescheuert, versuchen, uns gegenseitig zu übertrumpfen“, sagt Angelika Bachmann. Aber am Ende dieses anarchischen und kreativen Prozesses sitzen jede Geste und jeder Satz.
Harte Arbeit ist das eine, ihr Talent das andere: Angelika Bachmann wurde wegen ihrer Begabung als Kind sogar vom Unterricht befreit. Sie trat schon mit sieben Jahren als Konzertsolistin mit den Hamburger Sinfonikern auf und gewann zahlreiche Preise. Das Üben wurde ihr mitunter aber zur Last: Die 41-Jährige legte ihr Instrument auch schon für Monate in die Ecke. Ihre Freundin Iris Siegfried hat sie wieder zum Spielen motiviert. Trotzdem: Nur Musik ist Angelika Bachmann zu wenig. Neben ihrer musikalischen Ausbildung studierte sie Philosophie und Germanistik. Auch Iris Siegfrieds Interessen gehen über Musik hinaus. Die 41-Jährige hat zusätzlich zur musikalischen Ausbildung Kulturmanagement und Jura studiert und arbeitet als Anwältin. Dieses Standbein möchte sie trotz der 100 Auftritte pro Jahr nicht aufgeben. Aber das Wichtigste ist und bleibt die Kunst. „Ich wusste schon immer, dass ich Geige lernen möchte“, erzählt Iris Siegfried. „Klavier habe ich auch lange gespielt, aber da lebt man den Ton nicht.“
Als würde das nicht reichen, engagieren sich die Frauen auch ehrenamtlich. Dafür erhielten sie 2011 sogar das Bundesverdienstkreuz. Seit 20 Jahren proben Angelika Bachmann und Iris Siegfried mit den Kindern und Jugendlichen ihres eigenen Orchesters, den „Coolen Streichern“. „Beim Unterrichten hören wir auch keine schrägen Töne“, sagt Iris Siegfried. „Hier geht es nur um die Freude an der Musik.“ Die Coolen Streicher helfen den Musikerinnen auch beim Geldsammeln für eine Musikschule im Armenviertel der chilenischen Stadt Vina del Mar. 2004 haben Bachmann und Siegfried dafür die Patenschaft übernommen. Bei Besuchen haben sie die Not vor Ort gesehen, aber auch viele positive Eindrücke gewonnen. „Der Zusammenhalt ist dort größer“, meint Angelika Bachmann. „Und Singen und Tanzen gehören dort ganz selbstverständlich zum Alltag.“
Um den kostenlosen Zugang zu Musik geht es auch bei „The Young ClassX“: Das von Angelika Bachmann entwickelte Projekt hat mithilfe der Otto Group seit 2008 schon Tausende von Nachwuchsmusikern mit der Hamburger Musikszene verbunden. Eigentlich passiert bei den Auftritten von Salut Salon etwas Ähnliches: Auch hier werden Menschen für klassische Musik begeistert, die mit dieser sonst nicht unbedingt etwas am Hut haben. Das neue Programm „Nacht des Schicksals“ ist eine Mischung aus Klassik, Folk, Pop und Filmtiteln. Die Proben dafür laufen auf Hochtouren. „Heute habe ich die halbe Nacht nicht geschlafen – wegen sechs Zeilen. Kannst du dir das vorstellen?“, fragt Iris Siegfried. Angelika Bachmann lacht.
Text: Sybille Arendt
Foto: Wolfgang Michalowski