Achtung, Hochverrat!

Auf Erfolgskurs: die Hamburger Band „Der Fall Böse“

(aus Hinz&Kunzt 147/Mai 2005)

Von der Location her könnte die Böse-Zentrale auch eine windige Detektei sein: Kühles Industriegebiet, verlassene Fabrikgebäude, vorbeidonnernde Lkw. Doch hier in Billbrook, kurz hinterm Güterbahnhof, ermittelt kein Kojak. Hier grooven die acht Jungens von „Der Fall Böse“.

Seit nunmehr zehn Jahren rocken die Hamburger ungemein locker zwischen Jazz, Soul, Funk und Rap konsequent am Mainstream vorbei. Ihr „Bastard-Blues“, wie Schlagzeuger und Produzent Bente den „Böse-Stil“ nennt, „ist zum Zuhören da. Wir wollen die Leute mit unseren Texten zum Nachdenken anregen.“ Und so enthalten die groovigen Songs des brandneuen Albums „Hochverrat“ vornehmlich ernste und gesellschaftskritische Lyrics.

Es geht um zerplatzte Träume und Liebesleid, ums Tüdelband und um „Bohlens Pappnasen“. „Wir lehnen uns gegen Schubladenmusik und Formatradios auf“, erklärt Sänger Björn. „Wir starten einen Hochverrat und werden laut, damit die oben mal die Ohren aufmachen. Und auch die Masse.“ Mit dem Albumtitel verbindet Björn zusätzlich ein trauriges Familienschicksal: Sein Großvater saß wegen Hochverrat in einem Hamburger KZ. „Seit ich das in einem Buch nachgelesen habe, hat mich dieser Begriff nicht mehr losgelassen.“

Doch trotz allen Tiefgangs sind die acht keineswegs Kinder von Traurigkeit: Als Sänger Hammonds Handy klingelt, schnurrt er in Roger-Moore-Manier „Ich ruf’ gleich zurück, wir geben gerade ein Interview“ in die Sprechschlitze. Dann lacht er verschmitzt in die Runde: „Das wollte ich schon immer mal sagen.“

Böse sind die „Böse-Jungs“ wirklich nicht. Ganz im Gegenteil. Der Bandname ist eher eine Notgeburt: Im Jahr 1996 drehten Bente, Björn und einige andere spaßeshalber den Low-Budget-Film „Der Fall Böse“, benannt nach seiner Hauptperson Kommisar Böse. Ihr Soundtrack gefiel einem Musikproduzenten so gut, dass er die Jungs für Aufnahmen ins Studio bestellte. Auf die Frage, wie die Band heiße, die damals ja noch gar nicht existierte, antwortete Bente: „Der Fall Böse“. Das lag eben auf der Hand.

Gut zehn Jahre später ist die Band auf acht Jungs plus Gäste angewachsen: die beiden Sänger und Texter Björn und Hammond (beide 30), den Schlagzeuger und Produzenten Bente (30), die Saxophonfraktion bestehend aus Johannes (23) und Jorge (34), den Pianisten und Organisten Lesley (28), den Bassisten Teflon (28) und den Gitarristen Gunta (28). Die Jungs haben ihr eigenes Probe- und Aufnahmestudio, und Björn organisiert die Promotion.

Ein besonderer Gast des neuen Albums ist Sängerin Amina: Sie sitzt im Frauenstrafvollzug Hahnöfersand ein. Während eines „Böse-Konzerts“ im Gefängnis stieg die Afrikanerin auf die Bühne und fing an zu singen. „Sie hat eine Wahnsinnsstimme, da sind wir alle ’runter und haben uns ins Publikum gestellt“, erzählt Björn. Wenig später fuhr Bente mit seinem kleinen mobilen Studio nach Hahnöfersand und nahm Aminas Gesangsparts im Besucherzimmer auf. Bald kommt Amina in den gelockerten Strafvollzug, dann ist sie wieder als Gast für Alben und Projekte dabei.

Zur Release-Party von „Hochverrat“ hat sie indes nicht freibekommen. Dabei ist die Party wichtig für den Verkauf des Albums. Schließlich müssen die Jungs die Kosten für Produktion und Promotion erst einmal wieder reinbekommen. „Bisher ist noch keiner mit einem Schein nach Hause gegangen“, sagt Björn. Ihr Leben finanzieren sich die „bösen Buben“ daher ganz bürgerlich: als Bäcker, Klavierbauer, Werbetexter, Promoter oder Fremdenführer. Doch ums große Geld geht es den Jungs sowieso nicht. Lesley: „Wenn die Leute richtig abgehen und etwas zurückkommt – dafür mache ich das alles, das ist das Brot des Künstlers.“

Und im Moment kommt sehr viel zurück: Zum Kinofilm „Süperseks“ hat „Böse“ einige Soundtrackstücke beigesteuert, Flensburger Pilsener wirbt mit dem „Böse-Song“ „Hin und Weg“, und die Titelmusik zur Sat1-Comedy-Serie „Deich TV“ stammt ebenfalls von den Jungs. Auf NDR Info lief im Nachtclub ein halbstündiges Bandspecial, und Radio Hamburg hat als erste und bisher einzige kommerzielle Radiostation „Böse“-Songs gespielt. Vom Stadtmagazin Pur wurden die Jungs zu „Hoffnungsträgern des hanseatischen Jazz-Hops“ erkoren. Und selbst im fernen München feierten Tausende wie verrückt den „Böse“-Gig – obwohl sie zuvor noch nie „Böses“ gehört hatten.

Die acht Jungs scheinen ihren Erfolg selber noch nicht fassen zu können: „Nach einem Konzert standen auf einmal zehn Leute da und wollten Autogramme haben“, erzählt Hammond. „Ich sagte: Hey, wir sind doch nur ,Der Fall Böse‘, kommt doch mal vorbei zur Probe, dann trinken wir ’ne Cola.“ Ein Fan hat die Jungs im Kreißsaal zur Geburt seiner Tochter spielen lassen. Und auch die „Böse“-Eltern sind große Bewunderer ihrer Söhne. Dabei wollte Hammond doch eigentlich Musik machen, die seine Eltern nicht verstehen: „Aber das is’ nich’!“ Sogar Bentes Oma ist neulich für ein Konzert von Föhr angereist und war „stolz wie Oskar“. „Eigentlich ist das wie bei den Großen“ sagt Bente. „Nur eben etwas kleiner.“

Jannika Katharina Schulz

www.dfboe.de

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