„Moos hamma“ – oder auch nicht

Was Rudolph Moshammer den Münchner Obdachlosen hinterlässt

(aus Hinz&Kunzt 146/April 2005)

Es geht um Geld. Um viel Geld. Angeblich. Sieben Millionen Euro: drei Rolls-Royce-Limousinen, Juwelen, Immobilien. Das Erbe des selbsternannten Modezars Rudolph Moshammer (64), der im Januar von einem 25-Jährigen aus der Stricherszene in München erdrosselt wurde. Gerüchte rund ums Erbe gibt es genug: Schoßhund Daisy kriegt alles, hieß es. Nein, der Chauffeur, las man dann. Oder doch die Münchner Obdachlosen? Der wahre Alleinerbe ist ein ganz anderer.

„Moos hamma! – Geld ist genug da!“ Das Wortspiel mit seinem Namen fand Rudolph Moshammer offenbar so kurios, dass er es sich eigens beim Patentamt eintragen ließ. (Genauso wie den Namen seines Schleifchen-Hundes „Daisy“.) Doch wie viel Moos Mosi wirklich auf der hohen Kante hatte, weiß zurzeit nur sein Alleinerbe, sein Münchner Geschäftsteilhaber Walter Käßmeyer. Und der hält sich bedeckt und gibt keine Interviews. Fakt ist bisher lediglich, dass der 76-Jährige das Erbe nicht ausgeschlagen hat. Käßmeyer selbst soll nach Angaben seines Sprechers als eine Art „Vermächtnis-Verwalter“ fungieren und den Moshammer-Besitz zu Geld machen, im Sinne des Verstorbenen: für die Obdachlosen.

Auch das Straßenmagazin BISS wurde angeblich großzügig bedacht. Doch Geschäftsführerin Hildegard Denninger äußert sich zurückhaltend: „Es ist noch überhaupt nicht klar, wann die Erbschaft ausgezahlt wird und um wie viel es sich letztendlich handelt. Klar ist nur, dass wir das eventuelle Erbe zweckgebunden für feste Arbeitsverhältnisse der Verkäufer verwenden würden.“

Zweifel daran, dass der ermordete Schickeria-Schneider wirklich die Münchner Obdachlosen-Szene bedenken wollte, hat indes niemand. „Die Obdachlosen liebte er wirklich“, glaubt auch die Autorin Eva Dem-ski, die Moshammer mehrfach interviewt hat. „Das sind Menschen, sag-te er zu mir, die haben den Schlüssel zum Nest verloren.“ Er suchte den Kontakt zu Menschen auf der Straße, weil er „seinem Vater die Liebe nachtragen wollte“. Der Vater war – laut Moshammer – zunächst Direktor einer Versicherung und sehr wohlhabend. Der kleine Rudolph sei vom Chauffeur zur Schule gefahren worden. Doch dann verlor der Vater seinen lukrativen Posten, wurde schwer alkoholkrank, landete auf der Straße und starb einsam als Obdachloser. Die Familie verarmte. „Wir litten große Not“, so Moshammer in einem Interview. „Es waren Jahre der Kälte und Dunkelheit.“

Der schillernde Paradiesvogel in Wahrheit ein armes Kind aus der Gos-se? Ein Klischee, wie man es sich schöner nicht ausdenken könnte. Medienwirksame Vergangenheit für ein öffentlich inszeniertes Leben? Die Wahrheit des Rudolph Moshammer verschwindet hinter einer sorgfältig angelegten Rüstung aus Pomp, Parfüm und Perücken. Sein öffentliches Leben sei „eine Flucht aus einer weiten Einsamkeit“, so der Pfarrer bei der Beerdigung. Was ist echt, was ein PR-Gag?

Ist am Ende auch das angebliche Millionenerbe für Münchens Obdachlose nicht mehr als Schall und Rauch? Die Zukunft des von Moshammer gegründeten Vereins „Licht für Obdachlose“ jedenfalls scheint fraglich, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Niemand wisse, ob es jemals mehr als die sieben Gründungsmitglieder gegeben habe und ob irgendein Vermögen vorhanden sei. Der Kassenwart sei vor kurzem gestorben. „Ich habe keine Ahnung, wie es mit dem Verein weitergeht“, zitiert die Zeitung den Urologen Professor Christian Chaussy. Seit der Gründung im Jahr 2000 habe er keine detaillierten Informationen über Vereinsgeschäfte, regelmäßige Treffen gab es nicht. Moshammer habe manchmal erzählt, was er mit dem Geld für Obdachlose getan habe. Chaussy ist zwar noch immer von der Sache überzeugt, fortführen möchte er den Verein aber nicht. Nun wird wohl das Registergericht einen Notvor-stand einsetzen, um die Vereinsgeschäfte abzuwickeln.

Und doch, da muss mehr gewesen sein als die plump-pompöse Eitel-keit eines bajuwarischen Pfaus: Münchens Obdachlose trauern, und die Trauer ist echt. „Wir haben einen großzügigen, zuverlässigen Freund und Gönner verloren“, so Hildegard Denninger vom Straßenmagazin BISS. „Er war warmherzig und ohne Allüren, wenn es um obdachlose Menschen ging.“ Sie erinnere sich noch an die erste Begegnung mit ihm. „Ich sah ihn eines Tages auf der Straße mit seinem Hündchen Daisy. Ich bremste, ließ mein Fahrrad fallen und lief ihm nach: ,Herr Moshammer…!‘, rief ich atemlos. Er antwortete echauffiert: ,Es ist sehr unanständig, Leute auf der Straße anzusprechen. Haben Sie keine Kinderstube? Machen Sie einen Termin mit meinem Büro, wenn Sie etwas von mir wollen.‘“ Zwei Tage später saß Hildegard Denninger im „nach Rosen duftenden Hinterzimmer“ seiner Boutique.

„Es war der Beginn einer wunderbaren Beziehung zwischen BISS und Moshammer.“ Mosi nutzte seinen Promistatus, um Spenden zu sam-meln, steckte den Verkäufern ab und an 50-Euro-Scheine zu, über-nahm Patenschaften für drei Obdachlose. „Er hatte pfiffige Einfälle, wenn es darum ging, unsere Kasse aufzufüllen“, so Denninger. „Nachdem sein Beinbruch verheilt war, schenkte er uns seine pinkfarbene Krücke: ,Die könnt ihr versteigern.‘“

„Ich habe gefühlt, dass er sich mit ganzem Herzen um uns sorgt“, sagte ein Obdachloser nach dem Mord. Moshammer habe Geschenke an die Armen verteilt, „manchmal auch ohne Presserummel“, wie ein Benediktinermönch sagte. Unterdessen hat Alleinerbe Käßmeyer schon mit dem Mosi-Ausverkauf begonnen. Bei ebay werden zur Zeit 3000 Produkte der Moshammer-Boutique „Carnaval de Venise“ zu Festprei-sen angeboten. Fans können dort bestickte Taschentücher für 30,49 Euro erwerben oder eines jener typischen zweireihigen Sakkos, wahl-weise in altrosa oder gelbem Cord für 403 Euro. Oder eine Bild-Zeitung vom Tag nach dem Mord für 1,50 Euro. Geschmacklos und lächerlich das alles? Moshammer selbst hätte der letzte Rummel um seine Person wohl sogar gefallen. „Was denken Sie, wenn man über Sie lächelt?“, fragte ihn einmal die Autorin Eva Demski. „Es könnte doch ruhig noch mehr gelächelt werden“, so Mosi. „Meinen Sie nicht?“

Petra Neumann

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