Wie kann man Armut wirksam und nachhaltig bekämpfen – und nicht nur verwalten? Und welche Formen von Armut gibt es? Darum geht es am 3. Mai bei der Diskussion „Es soll kein Armer unter Euch sein“. Im Fokus: die Rolle der Tafeln.
In Deutschland ist die Armut in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das sieht man zum Beispiel an den Tafeln: Vor 20 Jahren als Ergänzung zur staatlichen Förderung für Arme und Obdachlose gestartet, versorgen sie heute rund 1,5 Millionen Menschen mit gespendeten Lebensmitteln – darunter eine halbe Million Kinder und 250.000 Senioren. Dass die Hilfe so sehr angenommen wird, mag manchen als Erfolg gelten. Doch das bürgerschaftliche Engagement kann kein Ersatz sein für die Fürsorgepflicht des Staates. Das sagen Kritiker und der Bundesverband Deutscher Tafeln selbst.
Auf dem Podium einer Diskussionsveranstaltung beim Kirchentag – Motto: Es soll kein Armer unter euch sein – tauschen sich Experten über ihre Erfahrungen mit den Tafeln und ihre Rolle in der Armutsbekämpfung aus.Der Soziologe Stefan Selke bezeichnete die Tafeln im Interview mit dem Deutschlandradio als „privates Almosensystem“. Sie böten keine „Hilfe mit Weitsicht“.
Hinz&Kunzt hat 1994 bei der Gründung der Hamburger Tafel mit angepackt – sieht jedoch das Ausmaß der Bewegung auch kritisch. „Die Tafeln bedeuten für viele Menschen und auch für soziale Einrichtungen eine große Erleichterung“, sagt Chefredakteurin Birgit Müller, die auch auf dem Podium vertreten sein wird. Zudem würden bei den Begegnungen von engagierten Bürgern, die die Tafelarbeit stemmen, und den Menschen, die sie in Anspruch nehmen, gesellschaftliche Brücken gebaut: „Auf der menschlichen Ebene ist das ganz toll.“ Aber auf Augenhöhe kann das nicht passieren: „Tafelkunden bleiben Hilfeempfänger und müssen für die Unterstützung dankbar sein.“ Das sei problematisch. Zudem: „Die Tafeln springen in eine Lücke, die der Staat hinterlässt. Dabei müsste er Lebens- und Arbeitsbedingungen schaffen die es jedem Menschen ermöglichen, sein Essen selbst zu kaufen.“ BEB/SIM
Es soll kein Armer unter Euch sein (5 Mose, 15,4), Fr, 3.5., 15-18 Uhr, CCH, Saal 4, Marseiller Straße 2
Beteiligte:
Kabarettistischer Impuls: Gabi-Grete Kellerhoff, Bremen
Ist Armut ein Kulturproblem? Prof. Dr. Stephan Lessenich, Soziologe, Jena und Walter Wüllenweber, Journalist und Autor, Hamburg,
Lesung „andere Orte“: Rolf Sonnenberg und Tatjana Ticha, Autoren, Hamburg,
Erfahrungen mit Tafeln: Martin Leimbach, Diakon, Hamburg und Birgit Müller, Chefredakteurin Hinz&Kunzt, Hamburg,
Tafeln und Armutsbekämpfung: Susanne Alms de Ocana, Diakonin, Hamburg, Jochen Brühl, stv. Vorsitzender Bundesverbands Deutsche Tafel e.V., Berlin, Dr. Silke Köser, Diakonie Deutschland, Berlin, Prof. Dr. Stefan Selke, Lehrgebiet Gesellschaftlicher Wandel, Hochschule Furtwangen,
Theologische Abschlussreflektion: Prof. Dr. Gabriele Borger, Theologin, Hamburg,
Moderation: Burkhard Plemper, Soziologe und Journalist, Hamburg