Hat eine Toilettenfrau Anspruch auf den Mindestlohn für Reinigungskräfte? Das Arbeitsgericht Hamburg meint: nein. Der Anwalt der Klägerin kündigt Berufung an. Der Streit erlaubt interessante Einblicke in eine wenig beachtete Branche.
(aus Hinz&Kunzt 243/Mai 2013)
Hat Heidrun D. vor allem Toiletten und Waschbecken geputzt, als sie als sogenannte Sanitärbetreuerin für die Firma Kaiserhaus-Dienstleistungen gearbeitet hat? Oder war sie als Aufsicht für Kaufhaus-WCs tätig? Diese Frage hatte das Arbeitsgericht Hamburg kürzlich zu beantworten. Und entschied im Zweifel für den Arbeitgeber: „Die Klägerin … hat nicht konkret schildern und unter Beweis stellen können, dass ihre Betriebsabteilung überwiegend mit Reinigungsarbeiten beschäftigt worden ist“, so eine Mitteilung des Gerichts (Urteilstext lag bei Redaktionsschluss nicht vor).
Heidrun D. war von April bis September 2012 als Toilettenfrau beschäftigt. Ihr Grundgehalt lag bei 600 Euro brutto – für einen Vollzeitjob. Hinzu kamen „freiwillige Prämien“ des Arbeitgebers. Heidrun D. klagte auf Zahlung des Mindestlohns für Reinigungskräfte. Würde dieser für sie gelten, hätte sie Anspruch auf neun Euro Stundenlohn. Das Gericht aber sah nicht bewiesen, dass Heidrun D. vor allem geputzt hat – auch wenn sie das selbst bezeugt.
Der Ex-Arbeitgeber betont feine Unterschiede: „Die Aufgabe einer WC-Aufsicht ist im Überwiegenden nicht die Reinigung, sondern die Reinhaltung“, so der Geschäftsführer von Kaiserhaus-Dienstleistungen, B. Özdemir, gegenüber Hinz&Kunzt. Für Reinigungsarbeiten zahle er neun Euro die Stunde. Ansonsten bekämen seine Mitarbeiter „einen Stundenlohn zwischen sechs und sieben Euro“. Rund sechs Euro Stundenlohn errechnete das Arbeitsgericht bei Heidrun D. – freiwillige Prämien berücksichtigt. Der Anwalt der Klägerin kündigte Berufung vor dem Landesarbeitsgericht an.
Der Handelskonzern Karstadt, der die Firma Kaiserhaus-Dienstleistungen in Hamburg mit der Reinigung seiner Kaufhaus-Toiletten beauftragt hat, beantwortete wiederholte Nachfragen von Hinz&Kunzt bis Redaktionsschluss nicht. Unter anderem ließ Karstadt offen, was sein Dienstleister bezahlt bekommt. Glaubt man Kaiserhaus-Geschäftsführer Özdemir, gibt es dafür einen guten Grund: „Meine einzigen Einnahmen sind die Trinkgelder der WC-Kunden.“
Text: Ulrich Jonas
Foto: Marius Röer