Mieters Anwalt

Eckard Pahlke – seit 30 Jahren an der Spitze des Mietervereins

(aus Hinz&Kunzt 143/Januar 2005)

Akademiker, seriöse 62 Jahre, Frau und Kind, fester Job. Warum findet dieser Mann in Hamburg keine Mietwohnung? Dr. Eckard Pahlke streitet für Mieterrechte. Seit drei Jahrzehnten leitet er den Mieterverein zu Hamburg, und das bringt einen wohl auf die schwarze Liste.

Zuletzt wollte Pahlke mit seiner Familie vor zwei Jahren etwas mieten. Doch nur Absagen, „am laufenden Band“, sagt der Jurist – und kaufte erneut eine Eigentumswohnung. Sogar Menschen, die zufällig den gleichen Nachnamen tragen, scheinen bei Hamburgs Vermietern in Misskredit zu stehen. Ein Journalist namens Pahlke berichtete dem Mietervereins-Chef von seiner Wohnungssuche: „Immer wenn ich meinen Namen sagte, waren die Schotten dicht.“

Eckard Pahlke kam Anfang der 70er-Jahre zum Mieterverein: Der angehende Jurist fing für fünf Mark die Stunde als Berater an. Der Verein residierte damals in einer ehemaligen Schneiderwerk-statt in der Altstadt, die Mitglieder mussten im Hausflur warten, und der betagte Vorsitzende hielt Gespräche auch schon mal im Dunkeln ab, um Strom zu sparen. Eckard Pahlke ging trotzdem ein Licht auf: „Die Materie fing an, mir Spaß zu machen.“ Er blieb dabei, wurde 1974 geschäftsführender Vorsitzender, 1979 außerdem Schatzmeister im Dachverband, dem Deutschen Mieterbund. Die Mitgliederzahl stieg in seiner Amtszeit von 10.000 auf 52.000, das „Arme-Leute-Image“, so Pahlke, habe der Verein längst abgelegt. Heute gehört die Rentnerin dazu, die in der Beratung weint, weil sie eine Mieterhöhung von 20 Euro nicht bezahlen kann. Aber auch ein gut verdienender Arzt, der sich gegen eine fadenscheinige Eigenbedarfskündigung zur Wehr setzt.

„Wir machen seit 30 Jahren offensiv Politik für Mieter, da muss man auch mal was riskieren“, sagt Pahlke. Manchmal gibt es unter den Juristen in der Geschäftsstelle zu einer Sache mehrere Auffassungen, jede wohl begründet. „Wir verwenden dann die Sicht, die für die Mieter günstiger ist“, sagt der Vereins-Chef. „Da soll uns mal einer das Gegenteil beweisen.“ Das klingt einen Moment lang nach Robin Hood im Paragrafenwald. Doch schnell ein beruhigender Blick in die Statistik: „Fast 96 Prozent unserer Fälle klären wir außergerichtlich“, erklärt Pahlke. „Vor Gericht kommen etwa vier Prozent. Und davon verlieren wir nur jeden zehnten Fall.“

Alltag für die rund 50 Mitarbeiter im Verein: Mal geht es um Kleinigkeiten, etwa Geranien am Balkongeländer, die eine Mieterin entfernen soll, weil der Vermieter einheitlich Petunien pflanzen möchte. Mal stehen große Summen auf dem Spiel. „Jede zweite Nebenkostenabrechnung, die wir überprüft haben, ist falsch“, rechnet Pahlke bei einer Pressekonferenz vor. Am nächsten Tag steht in den Zeitungen, in Hamburg sei jede zweite Nebenkostenabrechnung falsch, Mieter würden um Millionen betrogen. Das hat der Herr Pahlke so allgemein gar nicht gesagt, der Mann ist schließlich Jurist, aber Werbung für den Verein ist es allemal. Und der Grundeigentümer-Verband schäumt.

Dabei gibt es mit den Grundeigentümern, den geborenen Gegen-spielern, auch Gemeinsames. Beide Vereine warnten vor der Privatisierung der Hamburger Wasserwerke. Beide griffen das Problem Nachbarschaftslärm auf und riefen Bewohner zu mehr Rücksicht auf. Und beide protestieren regelmäßig gegen die Erhöhung städtischer Gebühren. Gipfel des Entgegenkommens: Der Mieterverein ist inzwischen selbst Grundeigentümer geworden. Mitte 2005 zieht die Geschäftsstelle ins eigene Domizil am Berliner Tor.

Acht Bausenatoren hat Eckard Pahlke in seiner 30-jährigen Amtszeit erlebt. Ein gutes Zeugnis stellt er nur Cäsar Meister aus, der bis 1974 Senator war: „Der verstand etwas von der Sache.“ Als Meister ausschied, weiß Pahlke, „war in der Behörde ganz traurige Stimmung“ – nach seiner Aussage das letzte Mal, dass der Abgang eines Bausena-tors bedauert wurde.

Ist der Mieterverein mit SPD-geführten Regierungen besser gefahren? „Nein“, meint Pahlke. „Wir haben die SPD genauso angegriffen, zum Beispiel wenn sie Sozialwohnungen verkaufen wollte.“ Auch das Verhältnis zu Rekord-Senator und Vereinsmitglied Eugen Wagner (leitete die Baubehörde von 1983 bis 2001) soll zeitweise unterkühlt gewesen sein.

Der größte Erfolg in Pahlkes Amtszeit? Dem großen Vorsitzenden fällt erst mal Unspektakuläres ein: Die tägliche Hilfe für Mieter, das sei das Wichtigste. Aber dann, natürlich, die „Giftliste“ in den 90er-Jahren! Anhänger der Geldsekte Scientology machten sich damals im Immobiliengeschäft breit, terrorisierten und vertrieben Mieter, um deren Behausungen mit Gewinn als Eigentumswohnungen zu verkaufen. Der Mieterverein veröffentlichte eine Liste der Sciento-logy-beeinflussten Firmen. Die wehrten sich juris-tisch. Dutzende von Gerichtsverfahren, sechsstellige Streitwerte, Schadenersatzforderungen. Pahlke: „Eine schlimme Zeit.“ Doch dann zogen die Gegner ihre Klagen zurück, vermutlich aufgrund öffentlichen Drucks. Der Vereins-Chef konnte aufatmen.

Die Puste ist ihm bisher nicht ausgegangen. Während die Scientology-Firmen längst in der Bedeutungslosigkeit versunken sind, bringt Eckard Pahlke den Mieterverein immer wieder ins Gespräch. Jüngster Vorwurf an Hamburgs Vermieter: Sie würden unrechtmäßig Kautionen einbehalten. Fünf Millionen im Jahr! Was der Grundeigentümer-Verband natürlich umgehend als „absurd und überzogen“ zurückwies. 

Detlev Brockes

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