Ob als Prinz Jodelet oder Graf Almaviva: Opernsänger Jan Buchwald brilliert an der Hamburger Staatsoper
(aus Hinz&Kunzt 143/Januar 2005)
Ausgerechnet ein Prinz hat uns Glück gebracht. Denn erstmals war ein Hinz & Kunzt-Verkäufer die Hauptfigur in einem Stück an der Hamburgischen Staatsoper: in der Barockoper „Der lächerliche Prinz Jodelet“. Und Hinz & Kunzt hat indirekt wiederum dem Prinzen Glück gebracht.
Jan Buchwald, der ihn spielte, schaffte mit dieser Rolle seinen Durchbruch. Die Oper von Reinhard Keiser war zwar nicht gerade der Publikumsrenner, sein Hauptdarsteller jedoch gewann die Herzen der Zuhörer und der Kritik. „Wildfremde Menschen sprechen mich jetzt auf der Straße an“, sagt der 30-Jährige. „Es war der Abschied aus der Anonymität.“
Kein Wunder: Den armen Wandergesellen, der durch eine folgenreiche Verwechslung für einen Prinzen gehalten wird, spielte Jan Buchwald nicht nur – er verkörperte ihn regelrecht. Für Momente vergaß man, dass man in der Staatsoper saß und dass dieser charmant-dreiste Bursche ein Opernsänger war. Da stand und lebte ein Mensch, der ein echter Hinz & Künztler sein könnte: einer, der schlechte Karten hat im Leben, ein Gestrandeter, einer der Probleme hat, sich anzupassen, der sich nicht alles sagen lässt, der im Herzen gut, aber nicht ganz un-schuldig von einem Schlamassel in den anderen gerät.
„Aus sich selbst heraus“ habe er die Rolle entwickelt, sagt Buchwald später im Gespräch. Und es mache ihm Spaß, nicht nur zu singen, sondern Rollen auch richtig auszufüllen. Schon als Kind habe er unbedingt Schauspieler werden wollen. Und fürs Komische habe er eine besondere Schwäche gehabt. „Ich glaube, ich habe einen karnevalis-tischen Humor“, sagt der Rheinländer.
Dann allerdings hatte der Sohn eines Lehrerpaars ein Aha-Erlebnis. Als er 13 Jahre alt war, schenkte ihm sein Vater Beethovens Neunte mit Dietrich Fischer-Dieskau in der Bariton-Solopassage – und um den Jungen war’s geschehen. „Freude schöner Götterfunken“, jubelt er heute noch, wenn er davon erzählt, was er empfand: „Das gibt’s doch gar nicht. Das kannst du auch!“ Das kannst du auch? „Na ja, das willst du auch“, sagt Buchwald. Bescheidenheit scheint ihm schon als Kind relativ fremd gewesen zu sein. „Jetzt merkte ich, was mir gefehlt hatte, wenn ich ans Schauspielern dachte: der Gesang.“
Jan war es ernst. Während andere in die Disco gingen, hörte er klas-sische Musik und nahm Gesangsstunden. Um seinen Eltern sein Talent zu beweisen – er selbst war sich dessen eigentlich sicher –, sang er bei der bekannten Sopranistin Martha Mödl vor. „Sie war eine einzigartige Sängerin und Tragödin, eine, bei der man jedes Wort verstand“, sagt er über sie. Sie bescheinigte ihm sein Talent. Wäre der Stimmbruch nicht dazwischengekommen, hätte er sofort mit dem Studium angefan-gen. So musste er warten, bis er 16 war. Es folgten Jugendstudium in Freiburg, ein Studium in Hannover und Köln. Im Jahr 2000 bekam er ein Stipendium für das Internationale Opernstudio (siehe unten) und zog nach Hamburg, ins Schanzenviertel. „Ich muss in einem Viertel leben, in dem es bunt ist“, sagt der Opernsänger. „Ich bin selbst ein barocker Mensch.“ Seit der Saison 2002/2003 gehört er zum Ensemble der Staatsoper. Vor zwei Jahren ist sein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen. Er kam in die Meisterklasse seines Jugendidols Dietrich Fischer-Dieskau. „Seither lieben wir uns“, sagt Buchwald fast inbrüns-tig. Was ihn an Fischer-Dieskau so begeistert? „Er hat diese Freude“, sagt er. Mit ihm und seinem Unterricht „bringe ich das zum Klingen, was ich mir immer vorgestellt habe, das ist schön.“
„Diese Freude“ hat auch Buchwald. Trotzdem musste er auf seine erste große Rolle lange warten. Oft hätte er vorher gerne schon „hier, das will ich singen!“ geschrien. „Aber es dauerte, bis ich Boden unter den Füßen hatte“, sagt er. Glücklich war er, dass er den Graf Almaviva in „Figaros Hochzeit“ spielen und singen durfte, obwohl ihm die Rolle nicht gerade auf den Leib geschneidert ist. „Graf Almaviva ist ja eigentlich groß und schlank“, sagt der auch äußerlich barocke Sänger. „Ich sehe nicht so aus wie er, aber ich verkörpere ihn.“
Wovon er noch träumt? Rollen wie den alten, verrückten König Lear von Aribert Reimann will er singen, „das Nicht-Akzeptieren-Können des Alterns, diese Naturkraft“. Bis dahin dauert’s allerdings noch. Schließ-lich ist der Lear eine klassische Altersrolle.
Vorher will er noch viele „verkörpern“: Eugen Onegin, Wolfram, Wozzeck, Jago, Germont, irgendwann Wotan oder den Sachs aus den Meistersingern. Und noch einen Traum hat er: Er will die Oper auf die Straße holen – als Live-Übertragung auf den Rathausmarkt. So wie er es in der bayrischen Metropole erlebt hat. „Die Münchner sind total jeck auf ihre Oper, die standen teilweise fünf Stunden im Regen, um unsere Übertragung der ,Meistersinger von Nürnberg‘ zu sehen.“ Warum dann nicht gleich Live-Aufführungen draußen, damit die Leute die Hemm-schwelle leichter überwinden? Da wird der Bariton ganz ernst. „Nein“, sagt er bestimmt. „Die Stufen des Olymp muss man schon selbst erklimmen.“