Amateurfotografie in Hamburg: ehrwürdige Tradition, wenig Nachwuchs – Besuch bei zwei überzeugten Klubmitgliedern
(aus Hinz&Kunzt 141/November 2004)
Wer kennt das nicht? Da eilt man voller Vorfreude in die Drogerie seines Vertrauens, um den entwickelten Film abzuholen. Doch die Enttäuschung lässt nicht auf sich warten: Dort stimmt der Ausschnitt nicht, hier nicht die Farbe. Und überhaupt – auf was man schaut, sieht furchtbar banal aus.
Also Haltung bewahren und die Fotos wieder in die Tüte stopfen. Soll man überhaupt einen neuen Film kaufen? Es kann doch nicht so schwer sein, ein halbwegs gutes Foto zu machen. Eines, das die Landschaft so schön zeigt, wie sie wirklich war.
Menschen, die sich mit Biss und Lust der Fotografie widmen, findet man in Fotoklubs. Zwölf gibt es im Hamburger Einzugsgebiet. Es waren einmal doppelt so viele. Nicht um hohe Kunst geht es dabei. Nicht um das Mithalten mit internationalen Fotokünstlern, wie sie im Haus der Fotografie in den Deichtorhallen vertreten sind. Nicht darum, nun gleich Berufsfotograf oder -fotografin zu werden (nur in den seltensten Fällen). Vielmehr trifft man sich, um seiner Leidenschaft mit Gleichgesinnten zu frönen, untereinander Bildkritik zu üben und sich viermal im Jahr internen Wettbewerben zu stellen. Das Wort „Hobby“ hat keinen schalen Beigeschmack. „Sich regelmäßig zu treffen und konstruktiv miteinander zu arbeiten, das ist Klubleben“, sagt Angret Jepsen. „So erfolgreich der Einzelne auch ist, wichtig ist der Klub.“ Sie und ihre Mitstreiterin Karin Pauly sind seit zwei Jahrzehnten in der „Freien Vereinigung von Amateurphotographen zu Hamburg“ aktiv, haben sie zwischenzeitlich geleitet, haben sich an Landesfotoschauen beteiligt und Preis nach Preis eingeheimst.
Die „Freie Vereinigung“ ist ein besonderer Fotoklub: der älteste in Norddeutschland. In letzter Zeit allerdings ist die Stimmung gedämpft. Die Reihen haben sich gelichtet, man hat, wie es in der Klubsprache heißt, mit Abgängen zu kämpfen. Derzeit kann man auf einen festen Stamm von 15 Mitgliedern zurückgreifen. „Wir waren schon mal mehr, wir waren schon mal weniger“, sagt Karin Pauly. Sie würde gerne mit neuem Schwung durchstarten und sucht dafür junge Leute. Ihre Klubkameradin Angret Jepsen bleibt bescheiden: „Wir meinen damit welche, die nicht Ende 50 sind wie wir, sondern vielleicht 40.“ Es fehle an Anregung, an Konfrontation: „Junge Leute sehen und fotografieren ganz anders; die haben eine andere Sichtweise, von der wir lernen können.“
Mit ihren Sorgen stehen die beiden Frauen aus Langenhorn nicht allein. Vielen Vereinen macht es zu schaffen, dass die, die über die Jahre für Leben sorgten, älter geworden sind. Nachwuchs bleibt aus, Ideen fehlen, man schmort im eigenen Saft, die Unzufriedenheit der verbliebenen Aktiven wächst. Einmal hatte die „Freie Vereinigung“ zwei junge Männer gewinnen können, und frischer Wind wehte durch den Klub. Doch dann kam bei dem einen die Bundeswehr, bei dem anderen die Liebe. Weg waren sie.
Dabei hat die Hamburger Amateurfotografie durchaus glückliche Zeiten gesehen. Unter dem Dach der Patriotischen Gesellschaft an der Trostbrücke tagte ab 1893 die erste Vereinigung von Liebhaberfotografen Hamburgs. Es galt die noch junge Amateurfotografie zu fördern, die zunächst weder als Kunstrichtung akzeptiert noch als zukünftiges populäres Bildmedium erkannt wurde. Es sollte schließlich noch Jahrzehnte dauern, bis ein Fotoapparat selbstverständlich in einen Haushalt gehört. Entsprechend engagieren sich zuerst Fotofreunde aus den höheren und besseren Kreisen. Der damalige Bürgermeister Dr. Johann Heinrich Burchard gehört zu den ersten Mitgliedern sowie der seinerzeitige Leiter der Hamburger Kunsthalle Ernst Juhl. Als Ehrenmitglied konnte man Alfred Lichtwark vorweisen, als so genanntes korrespondierendes Mitglied einen Wegbereiter moderner und noch mehr großstädtischer Fotografie: Alfred Stieglitz. Nach New York gingen die Kontakte, nach Buenos Aires; nach Wien und Glasgow. In den Klubräumen fanden sich sowohl zwei Dunkelkammern sowie ein Lokal.
Immer wichtiger wurde jedoch das gesellige Zusammensein. Man fuhr standesgemäß mit der Kutsche vor, „man erschien im Frack oder Gehrock, mindestens aber im dunklen Anzug“, wie ein Chronist schrieb. Eben deswegen platzte eines Tages einem gewissen Max Seifarth der gewiss tadellos gestärkte Kragen: Der Klub – so soll er gedonnert haben – müsse sich entscheiden, ob er sich dem puren Vergnügen widmen wolle oder ernsthaft der Fotografie! Und besonders Damen ohne Fotoapparat seien von ihm aus nicht mehr erwünscht. Man geriet heftig aneinander, die feine Gesellschaft blieb, die Fotografen traten aus und gründeten ihrerseits am 7. Januar 1898 die „Freie Vereinigung von Amateurphotographen zu Hamburg“.
Seitdem besteht der Klub, und vieles aus den Anfängen hat man beibehalten. Gemeinsam unternimmt man Exkursionen, beugt sich über entwickelte Bilder, diskutiert den Bildaufbau oder den goldenen Schnitt. Man schätzt das originäre, gültige Bild, weit weniger das schnelllebige Massenmedium Foto. Stimmungsvolle Landschaften und Porträts überwiegen; die experimentelle Fotografie hat es wie Sozialfotografie nicht einfach. Auch wenn man betont, dass ein Foto keineswegs schön sein muss: Die meisten sind es. Ein wenig Widerspruchsgeist könnte helfen.
Womit man wieder am Anfang wäre: Karin Pauly und Angret Jepsen sind guten Mutes, dass sich Anregungen, Widerreden und Einwände finden werden. Beide sind als Hobbyfoto-grafinnen mittlerweile recht erfolgreich: Ganz oben stehen sie auf einer internen Ranking-Liste, umgeben von lauter Män-nern. Aber ihren Erfolg wollen sie jetzt nicht in den Mittelpunkt stellen – der Klub zählt doch! Und der hat jüngst beim Herbst-Wettbewerb des Hamburger Verbandes trotz der dünnen Personaldecke wieder den zweiten Platz gemacht.
Frank Keil
Über die Arbeit der Hamburger Fotoklubs informiert www.dvf-nordmark.de