Seit Jahren kämpfen wir gegen Leerstand und Wohnungslosigkeit. 2011 bekamen wir Unterstützung: Die Werbeagentur JWT schenkte uns zu diesem Thema eine politische Kampagne.
(aus Hinz&Kunzt 241/März 2013)
Mehr als 1000 Menschen leben in Hamburg auf der Straße, rund 3500 wohnberechtigte Menschen in öffentlichen Unterkünften – oft jahrelang. Dabei stehen rund 2000 Wohnungen und 1,3 Millionen Quadratmeter Bürofläche leer. Rein rechnerisch wären das schon 30.000 Zweizimmerwohnungen.
Wir wissen: So einfach kann man das nicht umrechnen. Aber diese Zahlen sind empörend! Und inzwischen sind von der Wohnungsnot längst nicht nur Arme betroffen, sondern auch Menschen, die einen regulären Job haben. Das war auch der Grund, warum uns im Winter 2011 die Werbeagentur JWT ein ganz ungewöhnliches Geschenk gemacht hat: eine politische Kampagne gegen Leerstand. Übrigens genau die Agentur, die uns in ihrer Glückwunschanzeige mit dem Schleimerpaar (rechts) gratuliert.
JWT hatte einen persönlichen Grund, warum das Thema Leerstand und Wohnungsnot zur Herzens- und Chefsache wurde. Die Agentur war 2010 wieder nach Hamburg gezogen. Einige junge Werber hatten massive Probleme, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Obwohl sie einen Job hatten, verlangten viele Vermieter eine Bürgschaft. „Es gibt zwei Hamburgs“, sagte JWT-Kreativchef Till Hohmann damals. „Das schöne, das in Rankings zur Lebensqualität immer ganz oben vertreten ist, und das andere, in dem Leerstand trotz hoher Obdachlosigkeit verbreitet ist.“ Eine reiche Stadt wie Hamburg, so die Agenturchefs, müsse in der Lage sein, „allen Einwohnern ein Dach über dem Kopf zu bieten“. 50 Menschen und 20 Firmen rund um JWT haben deshalb kostenlos an der Kampagne mitgewirkt.
Die Künstlerin Isabelle Göntgen ritzte die Gesichter der Hinz&Künztler, die bei der Aktion mitmachten, in Pappe. Jeder bekam einen eigenen Spruch. Neben Torsten stand beispielsweise „Schönes Haus. Steht leer. Wieso schlafe ich im Park?“ Gerd fragte sich: „Umwelthauptstadt? Weil so viele in Parks wohnen müssen?“ Und Flummi sagte: „Sorry, dass ich hier rumliege. Ich hätte auch lieber ’ne Wohnung.“ Da die Kampagne direkt vor der Bürgerschaftswahl stattfand, zielte Alex’ Spruch darauf ab: „Alle wollen ins Rathaus. Ich will nur ’ne Wohnung.“
Zwei Jahre sind seitdem vergangen. Ein neuer Senat ist im Amt, der tatsächlich einen Schwerpunkt auf Wohnungsbau legt. Aber natürlich wird es Jahre dauern, bis sich das bemerkbar macht. Und trotz des Drittel-Mixes – ein Drittel Eigentumswohnungen, ein Drittel Mietwohnungen und ein Drittel Sozialwohnungen – wird sich das bei den Armen nicht so schnell bemerkbar machen. Jährlich fallen mehr Sozialwohnungen aus der Bindung als neu gebaut werden – und Hamburg wächst weiter. In Sachen Leerstand tut sich bislang auch nicht viel. 120 eigene Gebäude lässt die Stadt leer stehen.
Dagegen haben wir in diesem Winter eine kleine Leerstandsoffensive gestartet, wir haben ein Bürogebäude für 16 Obdachlose gemietet und hergerichtet. War gar nicht so teuer. Geht doch!
Text: Birgit Müller
Foto: Mauricio Bustamante