Tatort ist diesmal das Holiday Inn Hamburg: Vier Polen behaupten, dort Wochen lang Zimmer geputzt zu haben – für lau. Ihr Arbeitgeber, eine Reinigungsfirma, bestreitet die Vorwürfe, das Hotel gibt sich wortkarg. Nun verhandeln die Anwälte über einen Vergleich.
„Die Menschen wurden über polnische Arbeitsämter mit dem Versprechen angeworben, sie könnten 1300 Euro im Monat verdienen“, so Jerzy Bohdanowicz von der Beratungsstelle Arbeitnehmerfreizügigkeit von Arbeit und Leben Hamburg. 200 Euro sollten ihnen für eine Unterkunft abgezogen werden, 100 Euro für die Monatskarte, habe es am Telefon geheißen. Bleiben 1000 Euro im Monat – für Arbeitslose aus Polen ein gutes Angebot. Der Arbeitgeber, der den Job in Aussicht stellte: die Prime Hotelservice International GmbH aus Aschaffenburg, nach eigenem Bekunden seit 25 Jahren als „Full-Service-Anbieter“ am Markt.
Telefonisch habe eine Mitarbeiterin von Prime den Polen mitgeteilt, dass sie pro gereinigtes Hotelzimmer drei Euro bezahlt bekämen. Vor Ort sollen sie jedoch gesagt bekommen haben, dass es für Zimmer, für deren Reinigung sie mehr als 15 bis 20 Minuten benötigten, keinen Lohn gebe. Mitte Oktober, nach rund einem Monat Arbeit nach Angaben der Polen ohne jede Bezahlung, treten sie frustriert die Heimreise an: Sie haben schlicht kein Geld mehr zum Leben. Von ihrer Heimat aus suchen sie Hilfe bei der Beratungsstelle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Mitte Dezember gehen ihre Klagen beim Arbeitsgericht Hamburg ein.
Mehrere Wochen lang tut sich nichts. Am 31. Januar schickt Hinz&Kunzt per E-Mail einen Fragenkatalog an die Firma Prime und das Holiday Inn Hamburg. Einen Tag später meldet sich ein Kollege bei der Anwältin, die die vier Polen vertritt, und bietet Verhandlungen über einen Vergleich an. Ein Zufall?
Die Prime Hotelservice International GmbH lässt Hinz&Kunzt am 5. Februar über eine PR-Agentur mitteilen: „Für alle vier Mitarbeiter hat Prime das ihnen nach der Zeiterfassung zustehende Geld anweisen wollen.“ Bei zwei Betroffenen sei das möglich gewesen, bei zwei nicht, „da trotz mehrfacher Rückfragen kein aktuelles Bankkonto zur Verfügung gestellt werden konnte“. Im Übrigen gebe es „bezüglich eines Restbetrages im Moment noch eine leicht unterschiedliche Auffassung“. Prime zahle „gänzlich und ausnahmslos den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn“ und mache „im Vorfeld keine Versprechungen, die nicht gehalten werden können“.
Allerdings steht die Prime Hotelservice International GmbH nicht das erste Mal in der Kritik: Vor wenigen Monaten erst berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ ausführlich über die zweifelhaften Praktiken der Hotelreinigungsfirma.
Das Holiday Inn Hamburg wollte weder die Vorwürfe gegen seinen Dienstleister kommentieren noch aufzeigen, wie das Hotel dafür sorgt, dass Putzkräfte den Mindestlohn tatsächlich und nicht nur auf dem Papier erhalten. Direktor Jochen Zillert erklärte lediglich: „Im Zuge unserer Sorgfaltspflicht haben wir geprüft, dass alle Firmen, mit denen wir zusammenarbeiten, die gesetzlichen Bestimmungen erfüllen.“
In Deutschland gilt ein allgemeinverbindlicher Branchen-Mindestlohn für Reinigungskräfte. Demnach haben Zimmermädchen und Roomboys in Westdeutschland Anspruch auf neun Euro pro Stunde, die sie im Hotel arbeiten – egal wieviele Zimmer sie putzen. Immer wieder jedoch berichten Betroffene, sie würden nur Dumpinglöhne bekommen. Der Betrug läuft immer auf die gleiche Weise: Statt nach der tatsächlichen Arbeitszeit wird der Lohn der Putzkräfte nach der Zahl der Zimmer berechnet, die sie reinigen. Im Ergebnis sinkt ihr Stundenlohn auf teilweise unter fünf Euro.
Vor kurzem erst geriet das Radisson Blu in die Schlagzeilen, weil mehr als 20 Betroffene die vom Hotel beauftragte Leipziger Reinigungsfirma Erdmann Dienstleistungs GmbH vor dem Arbeitsgericht verklagt haben. Es geht um nicht gezahlten Lohn in Höhe von je mehreren tausend Euro; die Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Das Radisson Blu teilte nun auf Hinz&Kunzt-Nachfrage mit, es habe der Firma Erdmann „fristgerecht per 31. März 2013“ gekündigt. Wer danach die Zimmer des Radisson reinigen wird, stehe noch nicht fest. Die Trennung von Erdmann erfolge „ohne Schuldvorwürfe“. General Manager Oliver Staas: „Nichtsdestotrotz haben wir uns dafür entschieden, einen klaren Strich zu ziehen.“
Hinz&Kunzt hat in drei großen Hotelreports über Reinigungsfirmen berichtet, die ihre Mitarbeiter mit Dumpinglöhnen abgespeist hatten. Die betroffenen Hotels hatten immer erklärt, sie würden ihre Dienstleister vertraglich dazu verpflichten, den Branchen-Mindestlohn zu bezahlen. Die Verantwortung für die Ausbeutung übernahmen sie nie – und verhinderten sie auch nicht.
Text: Ulrich Jonas
Foto: Holiday Inn Hamburg