Das Altonaer Museum zeigt in Bildern von historischen Weihnachtsmärkten die Kluft zwischen Arm und Reich.
(aus Hinz&Kunzt 238/Dezember 2012)
Alle nehmen hin, dass ich keine Weihnachtsstimmung verbreite“, freut sich Professor Torkild Hinrichsen. In der Weihnachtsausstellung des Altonaer Museums zeigt der Museumschef in diesem Jahr nämlich keine knuffigen Rentiere oder glitzernden Nikoläuse, sondern histori- sche Bilder von Weihnachtsmärkten vor 100 Jahren. Mit feinem Strich und detailreich haben Zeichner festgehalten, wie Arm und Reich aufeinan- dertreffen. „Im Schatten des Glanzes. Das Weihnachtsfest der Weihnachtslosen“, lautet der Titel der Schau.
Die schwarz-weißen Stiche zeigen überdeutlich die sozialen Gegensätze der Zeit. Damen mit Hermelinkragen und ihre prächtig gewandeten Sprösslinge erwerben knubbelige Pflaumenmännlein von zerlumpten Kindern. Mühevoll haben die kleinen Verkäufer mit ihren Familien daran gearbeitet, aus fast wertlosen Alltagsgegenständen kleine Kunstwerke herzustellen, die sie den Wohlhabenden gegen eine milde Gabe überreichen können. Für die Produzenten selbst fällt Weihnachten aus. Sie haben kein Geld und keine Energie, um zu feiern.
Daran hat sich bis heute nicht viel geändert: Nur die Produktionsstätten befinden sich heute nicht mehr vor unserer Haustür, sondern am anderen Ende der Welt. „Ich wollte mich schon lange mit dem Thema befassen“, so Hinrichsen. „Nun habe ich es endlich getan und festgestellt, dass die Zustände noch schlimmer waren als gedacht.“ Es gab allerdings einen, der sich vor 100 Jahren ebenfalls an dem Elend der Besitzlosen gestört hat. Der Kopenhagener Journalist Anker Kirkeby veranstaltete im Jahr 1911 erstmals eine Feier für die Ärmsten der Armen.
Mit seinen Lesern organisierte er das „Weihnachtsfest der Weihnachtslosen“, bei dem 1200 Menschen an festlich g deckten Tischen umsonst aßen und anschließend Körbe mit Kleidung und Nahrungsmitteln bekamen. 1927 erweiterte Kirkeby sein Programm um ein Weihnachtskonzert. Diese Tradition wird bis heute fortgesetzt – inzwischen allerdings vom Freistaat Christiania. Fürs nächste Jahr verspricht Museumsdirektor Hinrichsen wieder eine mehr weihnachtliche Ausstellung. Aber wie immer wird es um die kleinen Alltagsdinge gehen. „Sie sind eine Quel- le zum Menschen, der dahinter steckt“, meint Hinrichsen. Die Menschen auf den Bildern in der diesjährigen Ausstellung haben nichts hinterlassen. Sie hatten nichts.
Text: Sybille Ahrendt
Im Schatten des Glanzes: Altonaer Museum, Museumstraße 23, bis 30.12., Di–So, 10–17 Uhr, am 24.12. geschlossen, Eintritt: 6/4 Euro, unter 18 Jahren frei