Das Baby Leonie, das kurz nach seiner Geburt obdachlos wurde, hat vorläufig ein Zuhause. Mit ihrer Mutter Diana ist sie in einer öffentlichen Unterkunft von fördern und wohnen untergekommen. Die Geschichte zeigt, wie schlimm die Wohnungsnot geworden ist.
Vier Tage nach ihrer Entbindung wird Diana mit der kleinen Leonie aus dem Krankenhaus entlassen, hat aber kein Zuhause, in das sie gehen könnte. Genau zu der Zeit, als die Temperaturen nachts zum ersten Mal den Gefrierpunkt unterschreiten. „Es ist kalt, man weiß nicht, wo man hin soll“, sagt Diana in einem Interview mit dem NDR-Hamburg Journal. „Und das Baby hat einfach ein Zuhause verdient.“
Zeit genug, ihr eine Unterkunft zu vermitteln, wäre gewesen. Denn schon Ende September hatte sich Diana hochschwanger an die Fachstelle für Wohnungsnotfälle gewandt: Der Hauptmieter war gestorben, sie war nur die Untermieterin und musste ausziehen. Aber die Fachstelle vertröstete sie immer wieder. Angeblich soll der Sachbearbeiter gesagt haben, es gebe keinen Wohnraum, sie solle doch bei Freunden schlafen. So berichtet sie es im NDR. Diana und ihr Lebensgefährte finden Unterschlupf bei einem Freund. Sie verbringen die Nächte auf dem Platz, auf dem sonst der Hund des Freundes schläft. Auch die kleine Leonie schläft die erste Nacht außerhalb des Krankenhauses schließlich in der kleinen Kammer.
Diana muss sich Hilfe holen, um von der Fachstelle Hilfe zu bekommen. Nikolas Borchert betreut Diana schon seit Ende September. Er klemmt sich für sie ans Telefon. Auch dem Sozialarbeiter der Tagesaufenthaltsstelle TAS der Diakonie wird entgegnet, es gebe schlicht keinen Wohnraum für Mutter und Kind. „Ich habe dann vorgeschlagen, dass man ein Hotel oder ein Appartment anmieten könnte“, sagt Borchert. Dass der Sozialarbeiter darauf hinweisen musste, ist merkwürdig. Denn eigentlich sind alle Fachstellen von der Sozialbehörde angewiesen, Härtefälle wie Familien und psychisch Kranke in Hotels unterzubringen. 47 Härtefälle sind derzeit in Hotels untergebracht. Warum das in diesem Fall nicht geschehen ist, beantwortet der Bezirksamtssprecher nicht. „Datenschutz“ heißt es mau.
Happy End für Leonie: Nach einer Nacht auf dem Hundeplatz konnten Mutter und Kind in eine Einrichtung einziehen – fast zwei Monate, nachdem Diana sich das erste Mal hochschwanger darum bemüht hatte, eine Unterkunft zu finden. „Ich hab da schon ganz schön Druck gemacht“, sagt Sozialarbeiter Borchert. Gleichzeitig betont er: Man darf die Sachbearbeiter bei den Fachstellen nicht über einen Kamm scheren. Manche seien auch besonders engagiert.
Familien und Schwangere gehen auf der Suche nach einer Unterkunft immer häufiger in die Beratung in der TAS. „Es kommen immer mehr Menschen zu uns, für die wir eigentlich gar nicht zuständig sein sollten“, sagt Borchert. In diesem Herbst waren bereits sechs Schwangere deswegen in Borcherts Büro, außerdem eine Familie mit drei Kindern. „Solche Anfragen haben wir in den letzten Jahren nicht gehabt“, sagt Borchert. „Das hat enorm zugenommen.“ Der Sozialarbeiter versucht dann, den Kontakt mit den Fachstellen für Wohnungsnotfälle herzustellen. Skurril: In einem Fall habe eine Fachstelle auch schon eine Familie zur TAS geschickt, weil sie selbst nicht helfen konnte, so Borchert. Die Fachstelle hatte gehofft, dass Borchert sie in einen Wohncontainer des Winternotprogramms vermitteln kann.
Ins Winternotprogramm will der Sozialarbeiter Schwangere oder Familien mit Kindern aber keinesfalls schicken. „Es kann nicht sein, dass wir Säuglinge in den Containern haben“, sagt er. „Das ist schließlich ein Erfrierungsschutz. Kinder haben da nichts zu suchen!“
Dossier: Wohnungsnotstadt Hamburg
Text: Benjamin Laufer, Birgit Müller
Bild: Screenshot NDR