Neun Monate im Jahr verkaufen Valentina und Florian Hinz&Kunzt in Hamburg, drei Monate sind sie zu Hause bei ihren Kindern – in Bacioiu, in einem Romadorf im Nordosten von Rumänien. Wir haben sie besucht und lernten auch ihre Kinder Bianca (13), Laura (10) und Dennis (4 1/2) kennen, von denen wir schon so viel gehört hatten.
(aus Hinz&Kunzt 236/Oktober 2012)
Unsere kleine Karawane zieht durchs Dorf: die Besucher aus Deutschland im Schlepptau von Valentina und Florian. Wir folgen ihnen über die staubigen Lehmwege in ihrem Dorf und bekommen eine Führung der besonderen Art durch Bacioiu. Dass die 1830 Menschen in dem Romadorf arm sind, sieht man. Nur eine Straße ist asphaltiert. Es gibt nur einen kleinen Laden. „Die Auswahl der Lebensmittel ist knapp und das Haltbarkeitsdatum oft abgelaufen“, sagt Valentina. Fließend Wasser gibt es nicht, in den Höfen stehen Brunnen. Immerhin Elektrizität, daran zu erkennen, dass im Wohnzimmer von Valentinas und Florians Häuschen ein Fernseher steht.
Aber es gibt es auch richtig schöne kleine Häuser:in leuchtenden Farben gestrichen, manchmal steht sogar ein Auto vor dem Haus. „Die Bewohner dieses Hauses arbeiten in Spanien“, sagt Valentina gerade. „Und die Bewohner des Hauses da drüben in Italien.“ Alle, die in einem der schöneren Häuser leben, arbeiten im Ausland. Die meisten davon in Spanien, Frankreich, Italien – und in Deutschland – manche davon in Hamburg. Es ist schön zu sehen, wie das Geld seinen Weg wieder zurückfindet ins Dorf: Zwei orangefarbene Häuser stechen beispielsweise ins Auge, davor sind gleich mehrere Autos mit Dortmunder Kennzeichen geparkt. Jetzt, Ende August, sind viele der sonst abwesenden Dorfbewohner auf Urlaub in Bacioiu.
Luxus ist: Nicht ausgebeutet zu werden
Vor den Häusern der „Dortmunder“ klönt Gica (19) mit seinen Freunden. Er wächst förmlich um mehrere Zentimeter, als er uns – auf Deutsch – erzählt, dass er und seine Familie jetzt in Dortmund wohnen. Und alle haben Arbeit. „Ich arbeite auf dem Bau – und habe PAPIERE! Und ich habe ein KONTO! Jeden Monat bekomme ich da 1200 EURO!“ So stolz ist Gica, dass es sich anhört wie „meine Yacht, mein Pferd, mein Porsche!“ Hart zu erleben, dass Menschen es schon als Luxus ansehen, wenn sie mal nicht zu Dumpinglöhnen beschäftigt werden. Auf Baustellen in ganz Deutschland werde er eingesetzt, erzählt er. In der Regel müsse er nur von 8 BIS 17 UHR arbeiten. Mit drei Freunden teile er sich eine WOHNUNG, für die sie 700 Euro plus Nebenkosten zahlen. Von solchen Lebensumständen träumen die meisten.
Auch Valentina und Florian sind noch lange nicht so weit, aber sie wollen es schaffen. Denn im Dorf haben sie keine Perspektive. „Unter Ceausescu hatten wir alle Arbeit“, sagt Florians Bruder, der sich zu uns gesellt hat. „Da konnte keiner sagen, wir sind faul.“ Arbeit als Erntehelfer gibt es hier im Umkreis nur noch phasenweise. „Aber von einem Tagesverdienst von sechs Euro kannst du keine Familie ernähren.“
Alles ist besser als die Aussicht auf nichts in Rumänien
Dass Besuch aus Hamburg da ist, spricht sich schnell herum. Eine alte Frau kommt zu uns. Offensichtlich hat sie schnell noch ihr gutes Kleid angezogen, bevor sie uns anspricht. Vorher hatten wir sie und ihre Enkelkinder schon gesehen. Im Hof eines ärmlichen Lehmhauses, das so aussieht, als würde es gleich einfallen. Ihr Sohn und ihre Schwiegertochter arbeiten in Hamburg, zumindest hätten sie es versucht, lässt sie von unserer Dolmetscherin Cristina Weber übersetzen. „Aber jetzt haben sie nicht mal mehr das Geld, um zurückzukehren. Können Sie ihnen nicht helfen?“
Mit ungelenker Schrift hat sie uns die Namen auf einen Zettel geschrieben, und dazu, dass sie neun Kinder zu versorgen hat. Der Priester im nahe gelegenen Kloster erzählt uns später, dass es in Wirklichkeit noch schlimmer ist: Dass die Großmutter und ihre Enkel quasi hungern. Denn ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter geht es in Deutschland so schlecht, dass sie nicht – wie eigentlich üblich – pro Woche ein Paket mit Lebensmitteln und Geld schicken können. Und sie sind nicht die Einzigen.
Valentina und Florian sind erst 2008 im Zuge der Wirtschaftskrise Richtung Deutschland aufgebrochen. Mit dabei ihre beiden Töchter Bianca (damals 9 Jahre alt) und Laura (damals 6 Jahre alt). Denn eigentlich war für sie vollkommen klar, dass sie sich als Familie nie trennen würden. Erste Station war Berlin. Ein Bekannter von einem Freund hatte da was erzählt … Es war ihnen fast egal, wie konkret die Informationen waren, alles war besser, als weiterhin keine Aussicht auf Jobs in Rumänien zu haben. Florian arbeitete dann tatsächlich in Berlin auf dem Bau. Man kenne die Treffpunkte, sagt Florian vage. Dort stelle man sich hin und warte auf eine Art Arbeitsvermittler. Auf vielen Baustellen habe er gearbeitet, „aber oft haben wir nicht den Lohn bekommen, der uns versprochen worden war. Oder wir haben den Lohn gar nicht bekommen“, sagt er.
Valentina hatte bei einem Privatmann geputzt, der sie wochenlang hat arbeiten lassen, ohne ihr einen Pfennig zu bezahlen. „Was die Arbeit anbelangt, wurden wir nur ausgetrickst“, sagt sie. Gewohnt haben Valentina, Florian mit Bianca und Laura – Dennis war damals noch nicht geboren – in einem Mehrbett-Zimmer, für das sie pro Erwachsenem 100 Euro bezahlen mussten, die Kinder kosteten nichts. Aber sie fanden keine Jobs mehr. In der Hoffnung, dass sie in Hamburg mehr Glück haben würden, zogen sie weiter. Nach Hause zu fahren kam für sie trotz der Niederlagen nicht infrage.
In Hamburg war das Leben für die Kinder unzumutbar
Wir ziehen erst mal weiter durchs Dorf. Die Lehmwege sind manchmal ganz schön steil. Wenn es regnet, schwimmt der ganze Weg weg, sagt Valentina. Und die Häuser. Was auffällt: Kaum Gärten, in denen etwas angebaut wird. Das liegt vermutlich daran, dass es im Sommer kaum Wasser gibt. Und vielleicht auch daran, dass kaum jemand im Dorf ist, der sich um die Bewirtschaftung kümmern könnte.
In Berlin, sagt Valentina wehmütig, hatten wir wesentlich bessere Wohnverhältnisse als später in Hamburg. 150 Euro zahlten (und zahlen) sie da pro Person. Zu sechst schlafen sie in einem Raum, müssen morgens raus, dürfen erst abends wieder rein, duschen einmal in der Woche. Krank werden? Geht nicht, weil man sich tagsüber nicht hinlegen darf. Die Situation war so unzumutbar, vor allem für die Kinder, dass Valentina und Florian eine schwere Entscheidung trafen: „Wir beschlossen, die Kinder nach Hause zu bringen.“ Seitdem ist das Leben der Familie nicht nur hart, sondern auch schmerzhaft.
Wir sitzen inzwischen wieder im Wohnzimmer des kleinen Häuschens, das Valentina und Florian von einer Familie gemietet haben, die in Spanien ist. Eine Küche gibt es, ohne Wasseranschluss. Gekocht wird draußen. Ein Wohnzimmer und ein Schlafzimmer. Von innen ist es richtig schön, der Fußboden ist gefliest, und Valentina und Florian haben gerade frisch gestrichen. Aber die „Spanier“ wollen das Haus verkaufen. Gerne an Valentina und Florian. Das heißt: Bis Dezember müssten sie 5000 Euro auftreiben, die Restsumme von weiteren 5000 Euro dürften sie dann abstottern. Wenn das nicht klappt, sitzen sie bald auf der Straße – und das sogar in ihrem Heimatort.
Man spürt: Die beiden haben Angst, dass ihr Finanzplan nicht aufgeht. Obwohl sie schon viel geschafft haben: Schließlich haben sie derzeit genug Geld für die wöchentlichen Pakete, die Kleidung, die Schulsachen und die täglichen Telefonate. Laura, die 10-Jährige, hat Probleme mit dem Herz. Das Geld für die Behandlungen haben die Eltern auch in Hamburg verdient, genauso wie das Geld für die Tabletten, die das Kind nehmen muss.
Die Kinder halten die Trennung von den Eltern kaum aus
Bianca, inzwischen 13 Jahre alt, ist quasi in den drei Monaten, in denen die Eltern in Hamburg sind, die Mutter. Sie passt auf Laura (10) und Dennis (4 1/2) auf. Das macht sie ganz toll, aber natürlich ist sie auch ein junges Mädchen, fast noch ein Kind – und sie hat ihre eigenen Pläne. Sie ist gut in der Schule und würde auch gerne das Abitur machen. „Ich möchte später mal Rechtsanwältin werden“, sagt sie wie aus der Pistole geschossen, als wir sie fragen, ob sie schon wüsste, was sie mal werden will. Die Roma-Organisation Impreuna („Gemeinsam“) hätte ihre wahre Freude an Bianca. Impreuna versucht, Roma darin zu bestärken, die Schule zu besuchen und womöglich später mal zur Uni zu gehen. An der Bukarester Uni gibt es sogar Studienplätze, die für Roma freigehalten werden. Aber nur wenige schaffen den Sprung.
Das Thema Schule steht in vielen Roma-Familien nicht oben auf der Agenda. Dafür gibt es auch objektive Gründe. Seit 2007, so Impreuna, werden sukzessive die Schulen geschlossen, die nicht so frequentiert sind. Dreimal darf man raten, wo diese Schulen stehen. Die Bewohner von Bacioiu haben da noch Glück: Im Dorf kann man die Schule bis zur 8. Klasse besuchen. Morgens die Kleinen, nachmittags die Großen. Dass Bianca mal auf die höhere Schule im 40 Kilometer entfernten Bacau gehen will, würden die Eltern gerne unterstützen, aber das würde den finanziellen Druck noch verschärfen. „Wenn Bianca nach Bacau gehen würde, müsste sie dort wohnen. Es gibt Schülerheime, aber die kosten natürlich auch Geld, dazu die Bücher, die Hefte und die Fahrkosten …“, sagt Valentina.
Valentina müsste dann in Bacioiu bei ihren Kindern bleiben. Was ja einerseits total schön wäre. Aber Florian müsste dann alleine nach Deutschland. Noch eine weitere Trennung. „Das geht nicht“, sagt er. „Alleine würde ich auch nicht genügend Geld verdienen, das würde ja nicht mal für die Lebensmittel reichen.“ Die Kinder wiederum halten die Trennung von den Eltern kaum noch aus: Ganz ernst hat der kleine Dennis neulich zu Valentina gesagt: „Mama, du brauchst nicht mehr wegzugehen, ich kann ja weggehen.“
Man merkt Valentina und Florian an, dass sie am Rande ihrer Kräfte sind. Aber sie wollen stark sein, um das zu schaffen, was sie schaffen müssen. Ohne Deutschland geht es einfach nicht, sagt Valentina. „Wenn du in Deutschland Hunger hast, sammelst du zwei leere Flaschen und kannst dir vom Pfand ein Brötchen kaufen. Hier gibt es nichts, was du zu Geld machen kannst.“ Ich versuche, sie zu trösten: 2014 habt ihr alle Arbeitnehmerrechte, dann wird es bestimmt besser. Kaum habe ich es gesagt, kommt es mir selbst einfältig vor. Rein rechtlich stimmt das natürlich, aber bis dahin vergehen noch Monate. „Ja, und was soll ich dann machen?“, fragt Valentina bitter. „Ich war nur acht Jahre auf der Schule und habe keine Ausbildung.“ Wir sind ratlos, als wir aufbrechen ins Nonnenkloster Poglet.
Pater Miron möchte nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die menschliche Krise überwinden
Was für ein Ort. Rundherum wirken die Äcker, als würden sie wenig hergeben. Zumindest nicht in diesem Sommer, der laut Valentina der trockenste seit 30 Jahren ist. Das rumänisch-orthodoxe Kloster Poglet, in dem elf Nonnen leben, wirkt dagegen wie eine Oase in der Wüste. Wunderschöne Gärten mit Salat, Gemüse, Obst und Bienenstöcken. Im Hof schattenspendende Bäume und eine lange Tafel. Die Äbtissin macht mit uns einen kleinen Rundgang durchs Paradies. Ein kleines Kind hüpft über den Hof, jauchzt und kichert und wird von einer lachenden Nonne eingefangen, in die Luft geworfen und geküsst. „Das ist die kleine Irina, die hier mit ihrer Mutter lebt“, sagt die Äbtissin. Die Mutter war von ihrem Mann rausgeworfen worden und stand vor acht Monaten vor der Tür. Sie hatte keinerlei Papiere, und jetzt wurde bei ihr Brustkrebs entdeckt. Vielleicht war alles etwas viel heute, jedenfalls geht uns das allen ziemlich nah. „Tja“, sagt die Äbtissin fast entschuldigend. „Jetzt sind es offensichtlich nicht nur unsere Sorgen, sondern auch Ihre.“
Dass es weit und breit keine Arbeitsplätze gibt, bestätigt uns Pater Miron. Der Priester kommt am Wochenende ins Kloster, vier- bis fünfmal im Jahr besucht er die Familien im Dorf. Bei Valentina, Florian und den Kindern war er auch gerade. Valentina hat das gut getan. Sie hat sogar das Gefühl, dass es Laura seitdem gesundheitlich besser geht. „Im Kommunismus hatten alle Arbeit“, sagt Pater Miron. „Sie wurden von hier beispielsweise zur Arbeit nach Südrumänien geschickt, von einer Seite des Landes zur anderen. Aber sie hatten Arbeit“, sagt er. „Aber nach 1989, der Revolution, wurden die landwirtschaftlichen Kooperativen und viele Fabriken geschlossen“, sagt der Priester. „Jetzt sind sie gezwungen, wegzugehen. Es ist aussichtslos, im Dorf zu bleiben. Wo sollten sie da arbeiten?“
Am meisten Sorgen bereitet ihm nicht nur die wirtschaftliche Lage, sondern auch die spirituelle. „Wir sehen es deshalb als unsere Aufgabe an, uns um die spirituelle Seite zu kümmern, und wir möchten die menschliche Krise überwinden.“
Wir haben das Gefühl, die Geschichten, die er erzählt, selbst miterlebt zu haben: „Ich kenne eine alte kranke Frau, die auf ihre Enkel aufpasst, während die Eltern in Deutschland sind“, sagt er. Für sich und die Kinder habe sie oft nicht mehr als ein paar Polenta-Scheiben. Das müsse dann für sieben bis acht Personen reichen. „Das ist die schlimmste Tragödie, dass die Eltern weggehen müssen und sich von ihren Kindern trennen“, sagt er. „Die Eltern lassen die Kinder zu Hause, mit Großeltern, die auch Hilfe brauchen. Sie glauben, dass es reicht, ein Paket zu schicken.“ Die meisten Kinder seien davon „regelrecht traumatisiert“. Es fällt ihm schwer, den Kindern dann zu sagen: „Die Mama macht das nur für dich.“ Die Begegnungen mit den zurückgelassenen Kindern gehen ihm nahe. „Ein kleiner Junge wurde gefragt, was er sich zu Weihnachten wünsche“, erzählt Pater Miron. „Der kleine Junge sagte, er wünsche sich nur, dass Mama und Papa nach Hause kommen.“
Wer den Sprung ins Ausland geschafft hat, will keinesfalls ins Dorf zurück
Sonntagmorgen. Die Nonnen bereiten das Essen vor. Nach dem Gottesdienst, der bei den Rumänisch-Orthodoxen über Stunden geht, soll es unter den Bäumen im Hof ein großes Essen an einer langen Tafel geben.
Die kleine Kapelle ist bis auf den letzten Platz besetzt, aber weil der Gottesdienst so lange dauert, ist ein ständiges Kommen und Gehen. Viele sind aus den Dörfern zu Fuß gekommen, einige in Autos und einige wenige sogar in fetten Karossen. Ein junger Mann, der in Berlin arbeitet, ist mit seinem Freund in dessen Auto gekommen. Der stolze Fahrzeughalter will später von Pater Miron sein Auto segnen lassen.Wir treffen den „Dortmunder“ Gica wieder. Seine Schwester lässt heute ihr Baby taufen. Und wir lernen eine Familie aus einem Nachbarort kennen: eine Mittfünfzigerin mit ihrem Mann, ihrem Sohn und ihrer Tochter. Sie leben seit den 90er-Jahren in Spanien – es geht ihnen gut dort. Alle vier hatten immer Arbeit. Die Frauen im Haushalt, die Männer auf dem Bau. In den Ferien sind sie stets in ihr Dorf gekommen – und haben ihr Haus behalten und renoviert. „Zum Glück, denn jetzt in der Wirtschaftskrise wollen sie uns wieder loswerden“, sagt die Mutter. „Aber wir bleiben so lange, wie es irgend geht. Was sollten wir hier auch machen? Alle sind arbeitslos.“
Die „spanische“ Familie möchte gar nicht daran denken, was passieren würde, wenn sie wirklich zurückkehren müsste. So wie es wegen der Wirtschaftskrise schon viele tun müssen. Die sitzen dann in ihren renovierten Häusern, haben nach ein paar Monaten das Ersparte aufgebraucht, verkaufen irgendwann das Auto, auf das sie so lange gespart haben und das ihr ganzer Stolz war – und stehen über kurz oder lang wieder so da wie ihre dauerarbeitslosen Nachbarn. Gegen Mittag endet der Gottesdienst. Frauen im bescheidenen Sonntagsstaat, ihre Männer und Kinder haben sich im Hof um die große Tafel versammelt. Die Nonnen tischen auf: Es gibt Suppe, Polenta mit Fisch, Gemüse und einen wunderschön verzierten Kuchen zum Nachtisch. Am Ende drücken die Nonnen dem ein oder anderen Mittagsgast ein kleines Paket in die Hand, manchen auch etwas Geld. Pater Miron muss noch mit vielen Menschen sprechen – und das Auto segnen. Übrigens lässt er den jungen Mann dafür die Motorhaube öffnen. Vielleicht will er auf Nummer sicher gehen, dass der Segen auch an der richtigen Stelle ankommt.
Wir essen mit dem Priester, der uns als Erstes zeigt, dass er gerade eine Spende von 50 Euro bekommen hat – von einem Mann, der auch Hinz&Kunzt verkauft. Ganz stolz sei der Mann gewesen. Für die Arbeit im Kloster soll das Geld sein und für die neue Kirche.
Geld von den Armen nehmen? Und haben die keine anderen Sorgen, als jetzt eine Kirche zu bauen – und dafür auch noch Geld von denen zu nehmen, die selbst nichts haben? Darüber hatten wir am Tag zuvor schon mit Valentina geredet. Sie hatte erzählt, dass sie viel Geld für den Kirchenneubau gegeben hätte. Wir hatten so geradebrecht. Und ich hatte gefragt: „Der Priester hat von dir Geld genommen?“ „Nicht genommen“, hat Valentina geantwortet – und dann unsere Dolmetscherin geholt. Die das dann richtigstellte: „Der Priester hat Valentina nicht um Geld gebeten“, übersetzte Cristina. „Sie wollte ihm unbedingt die 30 Euro geben.“ „Er hat uns immer so viel geholfen“, fügte Valentina hinzu. „Da wollte ich ihm etwas zurückgeben. Das ist eine Sache von Geben und Nehmen.“
Text: Birgit Müller
Fotos: Mauricio Bustamante