Der Hinz & Künztler und sein Arbeitsvermittler: Jobs finden beide nicht
Er ist 51 Jahre alt, seit zwölf Jahren ohne Job und hat einen kaputten Rücken: Hinz & Kunzt-Verkäufer Erich Heeder. Viele Male hat er sich um Stellen beworben und manches Vorstellungsgespräch geführt, doch immer stand er am Ende mit leeren Händen da. „Sie müssen mir helfen!“, sagt Erich deshalb zu seinem Arbeitsvermittler. „Sie müssen sich selbst bemühen, auch wenn Ihre Chance noch so klein ist!“, antwortet der Vermittler.
„Wir zahlen Ihnen Geld.“ So lapidar soll der Berater dem Arbeitslosenhilfeempfänger geantwortet haben, als der fragte, was die Arbeitsagentur für ihn, den Jobsuchenden, denn tue. „Stinksauer“ sei er da geworden, sagt Erich, „du rennst draußen rum und reißt dir den Arsch auf und musst dir solche Sprüche anhören!“ Einen Beschwerdebrief an den Direktor hat er verfasst und einen Termin beim Abteilungsleiter bekommen. Der, ein geduldiger Mittfünfziger mit tiefer Stimme, zitiert die Erinnerung des Vermittlers: „Unglücklich“ sei das Gespräch verlaufen, so dass er Erich nicht mehr habe beraten können. „Und“, fügt der Abteilungsleiter in jenem Tonfall an, mit dem Erwachsene Kindern die Welt erklären, „es ist ja so, Herr Heeder: Wir haben mehr Menschen, die Arbeit suchen, als Arbeitsplätze. Daran können wir nichts ändern. Wir bekommen ja von den Firmen höchstens die Meldung: ,Wir suchen die und die, bitte nicht älter als 30.‘ Sie kommen an die Arbeitgeber besser ran als wir!“
Eine Woche später. Da gibt es einen Moment in dem Gespräch zwischen dem Vermittler und dem Hinz & Künztler, da tritt das Absurde der „Sozialreformen“ so deutlich wie selten zutage. Der Berater, ein Mann in den Vierzigern mit freundlichen Augen und Schnauzbart, hat Erich angeboten, ihm einen Vermittlungsgutschein auszustellen. Damit kann er zu einem jener privaten Arbeitsvermittler gehen, die neuerdings ihre Dienste feilbieten und von der Arbeitsagentur eine Prämie ausbezahlt bekommen, wenn es ihnen gelingt, einen Arbeitslosen in Lohn und Brot zu bringen. Da beugt sich der Hinz & Künztler weit über den Tisch nach vorne und fragt mit erhobener Stimme: „Glauben Sie, dass der für mich einen Job findet?“ Worauf der Mann von der Arbeitsagentur antwortet: „Um ehrlich zu sein: Nein.“
Der Vermittler ist ein Beamter der angenehmeren Sorte. Mit ruhiger Stimme präsentiert er dem Langzeitarbeitslosen das, was er ihm anbieten kann, „wenig“, wie er selbstkritisch einräumt. Eine Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme (ABM) zum Beispiel komme für Erich nicht in Frage, „da muss man heute schon eine realistische Chance haben, anschließend auf dem ersten Arbeitsmarkt einen Job zu finden.“ Und sonst? „Wie wär’s mit einem Bewerbungstraining?“, fragt der Vermittler. „Da lernen Sie vom Fachmann, wie Sie sich noch besser bewerben können.“ Erich Heeder blockt ab: „Ich kann mich gut verkaufen!“
Der Hinz & Künztler hat seine Hausaufgaben gemacht: Der Vordruck „Nachweise Ihrer Beschäftigungssuche“, den ihm der Vermittler letztes Mal in die Hand gedrückt hat, ist voll. Bei Zeitarbeitsfirmen hat Erich sich beworben und bei Beschäftigungsträgern, bei Beiersdorf und Montblanc. Ohne Erfolg. Nun möchte der Frustrierte wissen: „Was haben Sie für mich getan?“ Der Mann von der Arbeitsagentur seufzt. „Herr Heeder, ich muss 800 Arbeitslose betreuen. Da habe ich nicht so viel Zeit, für Sie Jobs zu suchen!“ Der Markt sei schwierig, holt der Vermittler mit sinnierendem Blick aus, „gerade für Menschen wie Sie“. In seinem Beruf als Heizungsbauer könne Erich Heeder nicht mehr arbeiten, „Sie haben ja gesundheitliche Einschränkungen“. Und auch ungelernte Tätigkeiten seien meist mit körperlicher Anstrengung verbunden. Er möge es weiter versuchen mit der Arbeitssuche, der Gesetzgeber wolle das so.
„Ich muss Ihnen nichts nachweisen!“, schimpft Erich Heeder enttäuscht. Die beiden erreichen ihr Konfliktpotenzial, wie der Vermittler formuliert: „Ich kann es nicht akzeptieren, dass Sie sagen: ,Mich nimmt eh keiner!‘ Das Arbeitsamt erwartet, dass Sie Ihre Bemühungen nicht aufgeben.“ Dann gehen die zwei Ohnmächtigen doch noch einigermaßen friedlich auseinander: Erich Heeder nimmt den Gutschein mit. 2500 Euro winken dem, der ihm einen Job besorgt.
„Wir finden Ihre Arbeitsstelle“, wirbt die Agentur „PlusPunkt“ auf ihrem Flyer. Sie ist eine der wenigen Jobvermittlungen, die den Langzeitarbeitslosen nicht schon am Telefon abwimmelt. Doch mehr als ein nettes Gespräch ist auch hier nicht zu holen. „Ich sehe keine Chancen für Sie“, sagt die ebenso freundliche wie offenherzige Beraterin und schiebt die Begründung gleich hinterher: „Für Sie müssten wir das Zwei- bis Dreifache bekommen!“ Auch ihr Kollege weiß nicht weiter. Nachdenklich sagt die Beraterin zum Abschied: „Es ist offensichtlich so, dass die Gruppe, zu der Sie gehören, unten durchfällt.“ Für die Arbeitsagentur setzt sie ein Schreiben auf: „Wir sehen keine Möglichkeit, für Herrn Heeder eine Stelle auf dem 1. Arbeitsmarkt zu finden. Nach unserer Einschätzung ist eine Beschäftigung im 2. Arbeitsmarkt sinnvoll.“