Sitta Breitenfellner, geborene von Below, schreibt Fürsten-Romane
(aus Hinz&Kunzt 136/Juni 2004)
„Ich könnte dich gar nicht anlügen“, antwortete er mit sanftem Lächeln. Plötzlich fühlte Irina eine große Zärtlichkeit. Sie hatte diesen Mann so sehr geliebt. Damals war er alles für sie gewesen. Aus: „Liebesträume – nie vergessen“, Fürsten-Roman, Band 1928
„Klar, Anna Karenina ist was anderes.“ Die Frau mit dem gestreiften Shirt gluckst und zuckt mit den Schultern. Sitta Breitenfellner schreibt Adelsromane. Heftromane für 1,35 Euro. So genannte Trivialliteratur. Sie ist stolz auf ihre Arbeit und geniert sich überhaupt nicht. Reich wird sie damit allerdings nicht: 720 Euro zahlt der Verlag pro Roman mit rund 100 Manuskriptseiten. Ihre Geschichten erscheinen in der Reihe Fürsten-Roman des Bastei-Lübbe-Verlags unter dem Namen Katja von Seeberg. Das Pseudonym bräuchte sie gar nicht. Denn Sitta Breitenfellner ist adeliger Herkunft, geborene von Below. 900 Jahre alter Uradel.
Bis vor vier Jahren hatte die 39-Jährige noch nie einen Heftroman gelesen. Nicht dass sie sie gemieden hätte, sie sind ihr einfach nicht begegnet. Damals war sie auf Arbeitssuche, und ein Freund brachte sie auf die Idee, Groschenromane zu schreiben. Sie kaufte, las und dachte: „Das kann ich auch.“
Früher hat sie beim Theater gearbeitet, von der Aushilfssoufleuse bis zur Dramaturgin. Ihre Bewerbung schrieb sie im Stil der Anreißertexte, die auf der ersten Seite der Heftromane stehen: „Sitta hatte ihre Kinder gerade ins Bett gebracht, goss sich einen Rotwein ein und überlegte: Was mache ich mit dem angebrochenen Abend? Ich könnte die Zeit sinnvoll nutzen und einen kleinen Roman schreiben…“ Der Lektorin von Bastei gefiel das; sie nannte die Rahmenbedingungen: festgelegter Umfang, nicht zu viele Fremdwörter, keine Bandwurmsätze, nichts Weltanschauliches und Religiöses, keine Homosexualität und selbstverständlich Happyend.
Beim ersten Roman monierte die Lektorin die zu flapsige Sprache der adeligen Protagonisten. Kein großes Problem. Sitta Breitenfellner ließ sie gewählter sprechen. Zwischen 20 und 30 Heftromane, so genau weiß sie es nicht, hat sie bisher geschrieben. Ungefähr einen Monat braucht Sitta Breitenfellner für eine Geschichte wie „Liebesträume – nie vergessen“: Alles beginnt mit einer Shoppingtour. Irina von Blankenburg und ihre Freundin Juliette kleiden sich für Irinas bevorstehende Hochzeit mit Friedrich ein. Es ist ihr zweiter Anlauf. Irinas erster Bräutigam Georg, Fürst zu Markstein, verschwand spurlos auf einer Expedition und wurde schließlich für tot erklärt.
Mit Friedrich folgt Irina einer Einladung auf Schloss Markstein, das Georgs Onkel geerbt hat. Die Erinnerung an Georg quält sie. Im Park wird Irina ohnmächtig und glaubt den verschollenen Geliebten zu sehen. Und tatsächlich: Der tot Geglaubte taucht wenige Tage später auf. Er wurde entführt und fast getötet. Wer der Schuft ist, weiß er bereits: der Onkel, den Habgier und Neid treiben. Nur beweisen muss er das. Irina spioniert den Onkel aus und trifft sich heimlich mit Georg. Sie ist glücklich, weil er wieder da ist. Jedes Mal, wenn sie sich treffen, schlägt ihr Herz schneller.
Irina wünscht sich nichts sehnlicher, als dass sie bald für immer mit Georg vereint ist. Dieser Wunsch geht in Erfüllung, das ist sicher. Erwartungen werden garantiert nicht enttäuscht. Das ist das wesentliche Kapital des Heftromans. Das Gute gewinnt immer. Da gibt es nichts dran zu rütteln. Am Ende von „Liebesträume“ befreien Verlobter und Geliebter Komtess Irina aus den Fängen des bösen Onkels. Sie bekennt sich zu ihren Gefühlen und zu Georg. Der abgewiesene Friedrich trägt es mit Fassung. Jetzt ist er frei für Irinas Freundin Juliette. Doppelhochzeit.
Die Geschichten folgen einem festen Schema: Eine Vorgeschichte, die erst im Lauf der Handlung enthüllt wird, soll für Spannung sorgen; die Guten, die Heldin und ihr Partner müssen zusammenfinden, den Intrigen der Bösen entrinnen und einander ihre Gefühle bekennen. Interessanter als Held und holde Heldin findet Sitta Breitenfellner die Nebenfiguren, denn durch sie komme Spannung in die Geschichte. Die Nebenfiguren spinnen die Intrigen und setzen die Konflikte in Gang. Das Happyend ist dennoch sicher. Heile Welt?! „Ja, das stimmt. Die Groschenromane stehen dafür. Wir wissen ja alle, was wir produzieren und konsumieren“, sagt die Autorin. Der Heftroman sei wie eine Pralinenschachtel: „Ich weiß auch, dass Schwarzbrot gesünder ist, aber manchmal muss es eine Schachtel Pralinen oder eine Tüte Gummibären sein. Wenn ich mir die kaufe, dann gerade deshalb, weil es süß ist.“
Das Süße in Heftform hat anhaltend Konjunktur, vor allem in schlechten Zeiten – das behaupten zumindest die Verlage. Unter den verschiedenen Spielarten der Heftromane ist der Adelsroman ein Klassiker. Für Sitta Breitenfellner ist er „die Kirsche auf der Sahne. Denn da kann man am schönsten vom Leder ziehen.“
Dass insbesondere der Glanz des adeligen Milieus fasziniert, hänge mit einer tief verwurzelten Sehnsucht zusammen, glaubt die Autorin, rollt die Augen und muss über ihre eigene These lachen: „So ein Diadem schmückt halt ungemein.“ Aber im Ernst: Ihre fünfjährige Tochter und deren Freundinnen sind begeistert von den Prinzessinnen in den Disneyfilmen, die alle am Ende ihren Prinzen heiraten – der Inbegriff des Happyends.
Die eigene adelige Herkunft merkt man Sitta Breitenfellner nicht an. Wie auch? Die Zeiten, in denen Adelige von den Einkünften ihrer Ländereien lebten, sind längst vorbei. Ihr Vater arbeitete als Industriekaufmann, die Mutter war Hausfrau. Kein Schloss. Nach ein paar langweiligen Semestern Kunstgeschichte fing sie beim Theater an. Dort lernte sie einen Bühnenbildner kennen, und „das Schicksal nahm seinen Lauf“, sagt sie, hebt die Augenbrauen, schiebt die Brille zurecht und lächelt. Ihre Ohrringe glitzern. Heute lebt und arbeitet sie mit Mann und zwei Kindern in einer Altbauwohnung, deren letzte Renovierung schon einige Jahre zurückliegt. Mittlerweile schreibt sie neben dem „Fürsten-Roman“ auch noch den „Bergdoktor“. Doch die Welt des Adels ist ihr noch immer die liebste. Beim Schreiben und beim Lesen in eine Traumwelt abgleiten, eine kleine Flucht aus dem Alltag antreten – darum geht es: „Man schlägt das Heft auf und versinkt so in rosarote Zuckerwattenwelt, in der schon zum Frühstück Champagner geschlürft wird und das Dienstmädchen das Silber putzt.“