Malochen für lau

Die abenteuerlichen Erlebnisse eines Schweißers auf dem Bau

(aus Hinz&Kunzt 135/Mai 2004)

Hans Gärtner (Name geändert, Red.) will arbeiten – um jeden Preis. Und zwar in seinem Beruf als Schweißer. Dafür tut er (fast) alles. Aber was er bei seiner Jobsuche erlebt, ist reichlich abenteuerlich.

Hans Gärtner ist bei einer Hamburger Zeitarbeitsfirma untergekommen. Er freut sich: Endlich soll er wieder Arbeit auf dem Bau bekommen. In Köln zwar, aber das ist ihm egal, Hauptsache Arbeit. Vereinbart sind 166 reguläre Arbeitsstunden pro Monat. Als Gärtner den Vertrag durchliest, stößt er auf einen Paragrafen, der ihm gar nicht gefällt. Überstunden werden erst dann ausbezahlt, wenn er 200 Arbeitsstunden im Monat überschreitet. Ansonsten werden sie auf einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Wenn es dann mal keine Arbeit gebe, würde er aus seinem Konto ausbezahlt. Gärtner beschwert sich und droht, erst gar nicht nach Köln zu fahren. Die Chefin beruhigt ihn: „Das spreche ich immer individuell ab“, sagt sie.

Ausgestattet mit einer guten Arbeitshose und Sicherheitsschuhen, „dem besten Arbeitszeug, das ich je hatte“, fährt er los. Komisch nur, dass er keinen Helm und keine Handschuhe bekommt. Das wird’s dann wohl auf der Baustelle geben, nimmt er an.

Auf der Baustelle in Köln sollen Gärtner und ein Kollege eine Fertigkeitsprüfung ablegen und beweisen, dass sie den Anforderungen gewachsen sind. Die Sache beginnt ziemlich gut. Auf der Baustelle bekommt einen Schlackenhammer, einen Kopfspiegel und eine Drahtbürste – aber keinen Helm und keine Handschuhe. Der Baustellenleiter ist entsetzt: „Das hättet ihr von der Zeitarbeitsfirma kriegen müssen.“ Und ohne dürfen die beiden Hamburger die Baustelle gar nicht erst betreten. Sie werden zum Warten in einen Container gebracht. Gärtner hat kein Geld, um sich mal eben die Sachen selbst im Baumarkt zu kaufen.

Am zweiten Tag, die beiden Schweißer sitzen immer noch untätig im Baucontainer, kommt eine UPS-Sendung aus Hamburg und bringt zwei Helme. „Ein teurer Spaß“, findet Gärtner. Nicht nur für die Zeitarbeitsfirma. Auch Gärtner muss bluten. Er bekommt den Ausfall nicht bezahlt.

Endlich kann’s losgehen. Gärtner keult acht Tage durch, inklusive Wochenende, und träumt schon von dem Geld, das er bald verdienen wird. Denn jetzt entstehen richtig Überstunden. Doch bei der Abrechung: nichts. Als er sich beschwert, behauptet die Chefin der Zeitarbeitsfirma, er habe da etwas missverstanden. Es gelte, was im Vertrag stehe, mündliche Nebenabsprachen seien unwirksam. Gärtner ist so sauer, dass er in den Sack haut. Er meldet sich nach eigenen Angaben ordnungsgemäß beim Bauleiter ab. „Das gehört sich schließlich so.“ Für die acht Tage Maloche werden ihm nur seine Auslösung (Spesen) und nicht mal der gesamte ihm zustehende Lohn, geschweige denn die Überstunden ausbezahlt.

Der nächste Fall. Ebenfalls über eine Zeitarbeitsfirma wird er zum Vorschweißen zur HDW nach Kiel geschickt. Anderthalb Tage malocht er auf der Werft. Streitet sich mit niemandem, ist immer pünktlich, keiner bemängelt seine Arbeit. Komisch findet er allerdings, dass noch ein Schweißer ausprobiert wird, „obwohl es selbst für die HDW-Mitarbeiter kaum genug zu tun gibt. Denen bleibt nichts anderes übrig, als missmutig rumzustehen und Kaffee zu trinken.“ Dann – nach anderthalb Tagen – gefällt der Werft Hans Gärtners Arbeit doch nicht so gut. Er und sein Kollege müssen gehen. Immerhin: Der Loh wird ausbezahlt – wenn auch erst zwei Wochen später.

Auch beim ersten Mal hätte Hans Gärtner ein Anrecht auf seinen Lohn gehabt, sagt Heiko von Thaden von der Gewerkschaft IG Metall, dem wir die Fälle schildern. Aber vielfach trauten sich die Arbeiter nicht, auf den Putz zu hauen, sondern geben klein bei.

Ein anderes Mal soll Gärtner in Altenwerder vorschweißen. „Normalerweise dauert so etwas etwa 30 Minuten“, sagt er. Er wundert sich, dass es sich bei dem Stück, das ihm präsentiert wird, nicht um ein normales Prüfstück, sondern um ein Bauteil handelt. „Der Kran stand schon und wartete, bis ich fertig war.“ Merkwürdig ist auch, dass noch andere Probe-Kandidaten an ähnlichen Bauteilen arbeiten. Anderthalb Stunden dauert die Fertigstellung. Mit Vorschweißen hat das nichts mehr zu tun, „aber ich hatte einfach Bock drauf“, sagt er.

„War ja schon ganz gut, es könnte nur noch schneller gehen“, sagt der Vorarbeiter. Und prompt wird ein neues Teil vor Gärtners Nase gestellt. Da langt es ihm. „Die probieren gar nicht Leute aus, die suchen sich auf diese Art billige Arbeitskräfte“, dämmert es Gärtner. Dass er und die anderen Kandidaten natürlich keinen müden Euro für die Sache bekommen, das ist ihm sowieso schon klar.

Trotz der Misserfolge hat Hans Gärtner nicht aufgegeben. Zum Glück. Denn die letzte Zeitarbeitsfirma hat ihm wieder einen Job angeboten. Jetzt ist er auf Montage in Holland. „Ich bin richtig zufrieden“, sagt er. Eins kann er allerdings kaum glauben: Gerade wurde ihm sein erster Abschlag ausbezahlt – pünktlich und vollständig.

Birgit Müller

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