Soziale Erhaltungsverordnungen werden von Bezirkspolitikern in Hamburg gerne als Allheilmittel gegen Gentrifizierung und Mietanstieg eingesetzt. Doch was genau verbirgt sich dahinter? Und was bringt´s?
Neustadt, St. Georg und St. Pauli haben schon welche. Die Sternschanze, Eimsbüttel-Süd und das Osterkirchenviertel sollen 2012 welche kriegen. Und für Hamm, Horn und Borgfelde, Barmbek und Dulsberg werden sie auch geprüft: „Soziale Erhaltungsverordnungen“, gern gemeinsam mit „Umwandlungsverordnungen“ erlassen, sind Lieblingsmaßnahme von Bezirkspolitikern aller Fraktionen, die ihre Stadtteile „vor Gentrifizierung schützen“ oder den „Mietanstieg bremsen“ wollen. Was steckt hinter den städtebaulichen Instrumenten mit den sperrigen Namen? Und was bringen sie?
Was ist eine „Soziale Erhaltungsverordnung“ und was ist eine „Umwandlungsverordnung“ überhaupt?
Die Soziale Erhaltungsverordnung ist im Baugesetzbuch geregelt und wird in Hamburg als Verordnung erlassen. Die Gemeinde kann demnach Gebiete bestimmen, in denen „der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung“ genehmigt werden müssen, wenn das der „Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“ oder der „städtebaulichen Eigenarten dient. Das heißt: Verändert sich ein bestimmtes Viertel stark, ziehen etwa viele Mieter weg oder gibt es viele (Luxus-)Renovierungen, die nicht nur das Stadtbild verändern, sondern womöglich auch die Mieten in die Höhe schnellen lassen, kann eine Soziale Erhaltungsverordnung auf den Weg gebracht werden. Die besagt, dass Modernisierungen und Umbauten vom zuständigen Bezirksamt genehmigt werden müssen. In Hamburg sichert sich die Stadt damit auch ein Vorkaufsrecht auf die Gebäude im Viertel.
Mit der Sozialen Erhaltungsverordnung wird üblicherweise auch eine Umwandlungsverordnung erlassen: Alle Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen sind genehmigungspflichtig.
Wer erlässt die Verordnungen?
Die Initiative zu Sozialen Erhaltungs- und Umwandlungsverordnungen ergreifen hauptsächlich die Fraktionen in der jeweiligen Bezirksversammlung. Die Bezirksversammlung beschließt dann auch eine Plausibilitätsprüfung: Ein Institut wertet Daten über die Entwicklung des Viertels und die Bevölkerungsstruktur aus: Wer wohnt dort? In welchem Zustand sind die Häuser? Wie sind die Mietpreise jetzt und wie haben sie sich entwickelt? Aufgrund eines Berichts der Fachleute entscheidet die Bezirksversammlung, ob sie den Senat ersuchen will, eine Verordnung zu erlassen. Wenn ja gibt der Senat beziehungsweise die Behörde für Stadtentwicklung eine weitere Untersuchung in Auftrag, eine Großprüfung. Aufgrund dieser entscheidet der Senat dann für oder gegen eine Verordnung.
Seit wann und wo gibt es Soziale Erhaltungsverordnungen?
In Hamburg wurden Soziale Erhaltungsverordnungen 1994 in den Gebieten Eimsbüttel-Hoheluft, Barmbek-Uhlenhorst und der Neustadt erlassen. 1998 kamen Umwandlungsverordnungen hinzu. Nach dem Regierungswechsel 2001 ließ die CDU den Effekt der Verordnungen auswerten und erklärte sie für untauglich, weil zwar die Zahl der Umwandlungen rückläufig war, die Mieten jedoch weiter stiegen. Obwohl das so zu erwarten war (siehe die folgenden beiden Abschnitte), hob sie die Verordnungen auf.
Für Teile von Eimsbüttel-Süd und Barmbek-Nord und Barmbek-Süd sind jetzt wieder Verordnungen auf den Weg gebracht worden. Bisher gibt es in Hamburg drei Gebiete mit Sozialen Erhaltungsverordnungen: die südliche Neustadt und Teile von St. Georg und St. Pauli (alle Bezirk Mitte). Noch in diesem Jahr werden Verordnungen für die Sternschanze und das Altonaer Osterkirchenviertel erlassen. Plausibilitätsprüfungen sind außerdem angekündigt für Hamm, Horn, Borgfelde und Dulsberg.
Was bringen Soziale Erhaltungsverordnungen?
„Die Verordnungen können ein sehr taugliches Instrument sein“, sagt Christiane Hollander von Mieter helfen Mietern. Vor allem die Umwandlungsverordnung habe eine große Schutzwirkung. Denn sie kann verhindern, dass zu viele Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Christiane Hollander kennt dazu Zahlen: Demnach wurden von 1994 bis 1997 im Gebiet Eimsbüttel-Hoheluft 1424 Wohneinheiten umgewandelt. 1998 wurde eine Umwandlungsverordnung erlassen. In den folgenden vier Jahren wurden 260 Wohneinheiten umgewidmet, denn das musste ja nun extra genehmigt werden. Nachdem die CDU die Verordnung 2001 aufhob, „explodierte die Zahl der Umwandlungen wieder“, so Hollander.
Bei der Sozialen Erhaltungsverordnung spielt vor allem das Vorkaufsrecht der Stadt eine Rolle. Der Senat kann so theoretisch verhindern, dass ganze Viertel in die Hände von Investoren gelangen. Theoretisch. Denn in der Praxis kann die Stadt ihr Vorkausfrecht nur unter bestimmten Bedingungen ausüben: Sie darf nur Häuser mit mehr als vier Wohneinheiten kaufen. Der Gebäudezustand muss gut sein. Es muss ein Nachweis eines begründeten Misstrauens gegenüber dem Käufer bestehen. Von den Bewohnern muss mindestens die Hälfte länger als 15 Jahre im Gebäude wohnen. Die durchschnittliche Miethöhe im Haus darf nicht über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.
Vor allem die letzten beiden Punkte führen das Vorkaufsrecht ad absurdum, sagt Christiane Hollander: „Gerade in sich entwickelnden Stadtteilen herrscht eine gewisse Mieterfluktuation.“ Dass die Mehrzahl der Bewohner mindestens 15 Jahre im Haus wohnt, sei selten der Fall. Fatal auch der Passus zur Miethöhe: „Wenn nur ein einziger Mieter in den vergangenen zwei oder drei Jahren dazugezogen ist, zahlt er eine Neuvermietungsmiete, die höchstwahrscheinlich über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt.“ Der ruiniert den Schnitt, das Vorkaufsrecht der Stadt hat sich erledigt.
Mieter helfen Mietern fordert, die Rahmenbedingungen zu ändern. Und dass die Stadt häufiger von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch macht und erworbene Immobilien etwa an Genossenschaften weitergibt. „Wir beschweren uns über Investoren, die die Stadt aufkaufen. So weit wäre es nie gekommen, hätte die Stadt ihr Vorkaufsrecht öfter genutzt.“
Können die Verordnungen Mietsteigerungen verhindern?
Nein. „Das sind städtebauliche Verordnungen“, sagt Christiane Hollander. „Sie sind nicht dazu da, die Mieten zu stabilisieren.“ Im ganz kleinen Rahmen könnte die Kontrolle über Modernisierungsmaßnahmen dafür sorgen, dass daraufhin die Mieten nicht erheblich steigen, doch das seien Einzelfälle. Auf die Mieten für neue Bewohner haben die Verordnungen gar keinen Einfluss. Um die Mieten in Hamburg in den Griff zu kriegen, so Hollander, sind andere Maßnahmen nötig: Die Mieterschützer fordern, dass der Hamburger Mietenspiegel anders berechnet wird und dass Modernisierungen finanziell nicht zu Lasten der Mieter, sondern der Besitzer sein dürfen. Zudem müsse das Wirtschaftssteuergesetz, nachdem überhöhte Entgelte bei der Vermietung eine Ordnungswidrigkeit darstellen, überarbeitet werden, damit „Neuvermietungspreise wieder gedeckelt werden können.“
Text: Beatrice Blank
Foto: Mauricio Bustamante