Wie sich deutsche Männer eine gehorsame Ehefrau suchen
(aus Hinz&Kunzt 120/Februar 2003)
Die Wochenenden sind am Schlimmsten“, sagt Malee Khenchan*. Dann muss Günther* nicht zur Arbeit, und beide sitzen lange 48 Stunden zusammen in der Wohnung. An guten Wochenenden langweilen sie sich nur. An schlechten lässt er seinen Ärger an der Thailänderin aus. „Hinterher geht es ihm besser“, sagt die 25-Jährige. „Er ist den aufgestauten Stress los.“ Dann umarmt er sie und beteuert, wie sehr er sie liebt. Vorher braust Günther auf, schreit und schimpft. Die zierliche Frau versucht ihn dann zu besänftigen – auf Englisch, denn Deutsch kann sie noch nicht. Der 40-Jährige hat seine „Urlaubsbekanntschaft“ erst vor einem halben Jahr geheiratet und nach Hamburg gebracht.
„Malee gehört zu einer Gruppe sehr junger Thailänderinnen, die erst seit ein paar Jahren verstärkt nach Deutschland kommen“, erklärt Pat Mix von der Organisation „Amnesty for Women“. Die 46-Jährige ist selbst Thailänderin, mit einem Deutschen glücklich verheiratet und berät ihre Landsleute in Rechts- und Lebensfragen. Außerdem gibt sie Deutschkurse. „Noch vor kurzem begegneten mir bei meiner Arbeit hauptsächlich Frauen über 30, die bereits Kinder in Thailand haben.“ Jetzt berät sie auch 19-Jährige. Der Leidensdruck in Thailand lässt immer jüngere Frauen das Glück mit einem deutschen Ehemann suchen.
„Amnesty for Women“ kümmert sich um Frauen, die als Migrantinnen nach Deutschland kommen. Meist aus Mittel- und Osteuropa, Südostasien oder Lateinamerika. Im Vordergrund steht dabei der Kampf gegen den Frauenhandel. Denn viele Frauen kommen durch „Heiratsmigration“ nach Deutschland. Vermittelt durch Verwandte und Agenturen oder als exotisches „Mitbringsel“ aus dem Urlaub. Über mangelnde Arbeit kann sich der Verein nicht beschweren. Denn die Lust deutscher Männer auf ausländische Frauen ist ungebrochen.
Bernd Lury von der Hamburger Partnervermittlung „www.lsf-pv.de“, der hauptsächlich Frauen aus St. Petersburg vermittelt, erklärt, warum seine Kunden ihr Liebes- heil im Ausland suchen: „Die Frauen in Deutschland sind zu emanzipiert. Bei denen geht Karriere erst mal vor Familie. Und der Mann muss Geld haben, viel Zeit für die Frau und dann noch gut im Bett sein.“ Natürlich hat die ausländische Frau auch etwas davon: „In Russland empfehlen die Mütter ihren Töchtern: such dir einen deutschen Mann!“, plaudert Bernd Lury. „Denn viele russische Männer sind Alkoholiker oder gehen fremd. Man kann sagen, dass es für eine Russin genauso schwierig ist, daheim einen vernünftigen Mann zu finden wie für einen deutschen Mann eine vernünftige deutsche Frau.“ Und auch das Angebot stimmt, findet er, seit er die 600 Frauen umfassende Kartei seiner St. Petersburger Partneragentur durchforstet hat: „Etwa 400 habe ich erst mal aussortiert – zu alt, nicht hübsch genug, zwei Kinder, nur russisch sprechend, nicht vermittelbar.“
Pat Mix von „Amnesty for Women“ bezeichnet den Grund, warum deutsche Männer ausländische Frauen wollen, mit einem englischen Wort: „Obedience“ – Gehorsam. „Viele deutsche Männer denken, im Ausland muss die Frau dem Mann gehorchen“, erklärt Mix. Ein Frauenbild, das mancher gerne importieren möchte. Viele Männer, die bereits eine Scheidung hinter sich haben, wollen sich endlich wieder als König im eigenen Reich fühlen.
Günther beschützt sein Reich. Malee muss zu Hause sein, wenn er um sechs Uhr von der Arbeit kommt. Als sie sich nach einem Sprachkurs verspätete, führte das zu einem langen Streit mit viel Geschrei. Wenn Malee telefoniert, will Günther genau wissen, mit wem und worüber sie spricht. Was sie den Tag über gemacht hat, Günther will genaue Informationen. Viele bohrende Fragen. Ihn treibt eine Ahnung, die er Malee manchmal entgegen schreit: „Du liebst mich nicht!“ Malee war noch nie in einen Mann verliebt. Einmal hatte sie eine Liebesbeziehung zu einer Frau. Männer bedeuteten immer nur Arbeit. Schon ihre Tante, bei der Malee aufwuchs, verdiente ihr Geld mit Männern. Manche brachte sie mit nach Hause, die musste Malee dann „Papa“ nennen. Einige Freier schlugen ihre Tante. „Ich hasse meinen Vater“, sagt Malee und meint damit jeden Einzelnen. Den, der sie zeugte, kennt sie nicht.
Günther lernte Malee auf der südthailändischen Insel Samui kennen. Lange Zeit ein Geheimtipp für Aussteiger und Rucksacktouristen, bis die allein reisenden Herren kamen. Für sie zimmerte man Bars direkt am Strand zusammen. Hier sitzen sie und gönnen ihrer von der ungewohnten Sonne verbrannten Haut Schatten. Etwas trinken, locker werden. Hier saß auch Malee Tag für Tag und ließ sich von Männern von dem Schlag, den sie bis jetzt „Papa“ nennen musste, Getränke ausgeben. Danach ging sie mit ihnen.
Auch mit Günther. Für eine Pauschalreise und ein paar Mark extra genoss es der frisch geschiedene Techniker aus Hamburg, für die einheimischen Mädchen den „Big Spender“ zu geben. An Malee hatte er mehr Interesse. Er bat sie, mit nach Deutschland zu kommen. Die junge Thailänderin sah eine Chance, die sie sich nicht entgehen lassen konnte.
„Viele Männer sparen mehrere Jahre für ihren Thailand-Urlaub“, berichtet Pat Mix. „So können sie in Thailand als wohlhabende Leute auftreten.“ Bei vielen Frauen weckt das falsche Hoffnungen auf das Traumland Germany. In Deutschland finden sie sich in einer Ein-Zimmer-Wohnung wieder und müssen feststellen, dass das Geld auch hier nicht über den Monat reicht.
Pat Mix fährt oft nach Thailand, um gegen diese Illusionen anzugehen. Sie hält Pressekonferenzen und verteilt Broschüren von „Amnesty for Women“, um Frauen über ihre Rechte und die Situation in Deutschland aufzuklären. „Vor allem müssen Frauen ihre Rechte in Deutschland kennen lernen, und wissen, an wen sie sich wenden können“, so die Beraterin. Sonst seien sie hier völlig vom Willen ihres Mannes abhängig.
Ein Druckmittel, das viele Männer einsetzen, ist Isolation. Kontakt zu anderen Thailändern wird verboten. „Viele Männer verbieten ihren Frauen, Deutsch zu lernen“, sagt Mix. „Die Frau kann dann keine Kontakte knüpfen, und um sich in Deutschland zurechtzufinden, ist sie auf ihren Mann angewiesen.“ Von den eigenen Rechten wisse sie nur, was der Mann ihr erzählt. „Ich kenne eine Frau, die zwölf Jahre bei ihrem Mann blieb, obwohl er sie schlug“, so Mix, „denn das einzige, was sie auf Deutsch sagen konnte war ,Mein Gott‘.“
Das andere Druckmittel, das die deutschen Ehemänner einsetzen können, ist ein Satz: „Wenn du nicht tust, was ich will, schicke ich dich nach Hause.“ Erst nach zwei Jahren Ehe hat die Frau eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in Deutschland – vorher ist ihr Bleiberecht vom Mann abhängig. Aber auch nach dieser Zeit bleiben viele bei ihrem Ehemann. Aus Angst, es in Deutschland nicht allein zu schaffen. Und weil er meist auch die Familie in Thailand finanziell unterstützt. Oft kommen Frauen zu „Amnesty for Women“ und klagen, dass sie ihren Mann gerne verlassen würden, die Familie aber auf die 200 Euro angewiesen ist, die er nach Hause schickt. „Mensch“, sagt die Beraterin dann, „was sind 200 Euro, dafür machst du ihm den ganzen Haushalt! Das Geld kannst du auch selbst verdienen, wenn du putzen gehst!“
Malee will mit Günther nicht alt werden. In eineinhalb Jahren darf sie ohne ihn in Deutschland bleiben. Dann will sie ihren Mann verlassen. Sie hofft, bis dahin so gut Deutsch zu sprechen, dass es für einen Job reicht.
Marc-André Rüssau
*Namen geändert