Er war drogensüchtig und alkoholkrank, saß im Gefängnis und landete immer wieder in der Psychiatrie: Das bewegte Leben des deutschen Schriftstellers Hans Fallada (1893-1947) spiegelt sich auch in seinem Werk. Lange fast vergessen, wird es nun international wiederentdeckt.
(aus Hinz&Kunzt 223/Septmeber 2011)
Wie verzweifelt muss ein junger Mensch sein, wenn er mit seinem besten Freund ein Duell fingiert, um einen Doppelselbstmord zu begehen? Am malerischen Uhufelsen in Rudolstadt hatte sich Hans Fallada mit seinem Schulfreund dazu verabredet. Die Kugel des Freundes ging vorbei, doch ausgerechnet der kurzsichtige Fallada traf tödlich. Verzweifelt versuchte er, sich selbst umzubringen, überlebte aber schwer verletzt. Fallada wurde in die Psychiatrie eingewiesen – da war er gerade 18.
Schwere Depressionen und massive Todessehnsucht begleiteten den Schriftsteller sein Leben lang. Im Ersten Weltkrieg meldet sich der Sohn aus einer gutbürgerlichen Familie aus Greifswald als Kriegsfreiwilliger, wird jedoch als untauglich abgewiesen. Fallada flüchtet in Morphium und Alkohol und verbringt fast zwei Jahre in Entzugskliniken. Er beginnt zu schreiben – zuerst ohne Erfolg.
Um sich über Wasser zu halten, nimmt er verschiedene Jobs an. Seine Sucht kann er damit nicht finanzieren: Wegen Unterschlagung und Betruges sitzt er zwischen 1923 und 1928 mehrfach im Gefängnis. In Hamburg versucht er einen neuen Start, tritt dem Guttempler-Orden bei, um nicht rückfällig zu werden. Arbeit findet er selten. Als Schriftsteller kann er nur wenig veröffentlichen. Doch er hat sein Thema gefunden: Fallada weiß hautnah um die Schwierigkeiten des schieren Überlebens. Niemand sonst beschreibt so dokumentarisch genau das Leid der einfachen Leute durch die Krise. Die Hamburger Zeit bringt ihm auch Glück: Hier findet er die Liebe. Anna „Suse“ Issel, die Schwester eines Logenbruders, wird 1929 seine Frau.
In den 30er-Jahren – Fallada lebt in Carwitz bei Berlin auf dem Land – beginnt endlich der schriftstellerische Erfolg. Mit Unterstützung seines Verlegers Ernst Rowohlt veröffentlicht er die Romane „Bauern, Bonzen und Bomben“ und „Kleiner Mann – was nun?“, der ein Welterfolg wird. In dem sozialkritischen Roman „Wer einmal aus dem Blechnapf frisst“ schildert er 1934 das Schicksal eines Strafgefangenen, der vergeblich versucht, in ein bürgerliches Leben zurückzufinden. Den Nazis gefällt das nicht; Fallada rudert zurück und verlegt sich aufs Schreiben unverfänglicher Stoffe.
1944 scheitert die Ehe mit Suse; Fallada, längst wieder süchtig, will sie bei einem Streit erschießen. Als nicht zurechnungsfähig landet er in der Psychiatrie, dort schreibt er das Meisterwerk „Der Trinker“. In seinen letzten Lebensmonaten schreibt er in einem Kraftakt in 24 Tagen „Jeder stirbt für sich allein“. Das Buch beruht auf dem wahren Schicksal des Berliner Ehepaars Hampel, zweier Arbeiter, die Postkarten mit Anti-Hitler-Botschaften ausgelegt hatten und dafür hingerichtet wurden. Fallada stirbt am 5. Februar 1947 in Berlin. Dieses Buch verhilft ihm nun, fast 65 Jahre später, erneut zu Weltruhm. Kritiker feiern es als einzigartige Chronik des Lebens in Hitler-Deutschland.
Text: Misha Leuschen