Nicht nur betroffene Arbeitnehmer leiden unter Hungerlöhnen. Die Quittung für fehlende gesetzliche Mindestlöhne kriegt der Steuerzahler.
(aus Hinz&Kunzt 220/Juni 2011)
Dumpinglöhne sind ein Skandal, findet Undercover-Journalist Günter Wallraff. Die Ausbeutung von Arbeitnehmern ist auch für die Gewerkschaftsvorsitzenden Frank Bsirske (Verdi) und Franz-Josef Möllenberg (Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten NGG) ein Reizthema. Deshalb haben Günter Wallraff und die Gewerkschafter das Buch „Leben ohne Mindestlohn – Arm wegen Arbeit“ herausgebracht, in dem Niedriglöhner, Leiharbeiter und Aufstocker zu Wort kommen.
Um überhaupt über die Runden zu kommen, müssen 1,4 Millionen Menschen im reichen Deutschland ihr Einkommen mit staatlichen Mitteln aufstocken – trotz Vollzeitjob und qualifizierter Ausbildung. Was das bedeutet, kann man beim „Dumpinglohnmelder“ nachlesen, einer Internetplattform, bei der schon mehr als 1500 Meldungen von Niedriglöhnern eingegangen sind. In Sachsen-Anhalt kann man im Bäckerhandwerk mit 2,08 Euro pro Stunde abgespeist werden, in Bayern ist man für Zeitarbeit mit 2,88 Euro Stundenlohn dabei, und in Baden-Württemberg darf man sich im Bereich Erziehung für 2,60 Euro pro Stunde ausbeuten lassen. Damit erreicht man nicht mal die Hälfte der Summe von 925 Euro im Monat, bei der die Armutsgrenze für Alleinstehende liegt.
Rund 50 Milliarden Euro hat der Staat seit 2005 an Aufstocker gezahlt, Tendenz steigend: 2009 lag die Summe bei elf Milliarden. „Hier bereichern sich Firmen am Geld der Steuerzahler“, sagt Bsirske. Er hat schon 2006 mit Möllenberg die „Initiative Mindestlohn“ gegründet, um einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde durchzusetzen. „Einen Mindestlohn befürworten inzwischen 80 Prozent der Bundesbürger“, sagt Möllenberg.
„Das Buch skandalisiert nicht nur die Niedertracht – es feiert auch die Solidarität, die Hoffnung, die wir trotz allem nicht verloren haben“, findet Wallraff. Der Journalist Ulrich Jonas, der auch Hinz&Kunzt-Autor ist, hat für das Buch Menschen getroffen, die gegen Lohndumping kämpfen. Doch vor allem hat er mit Arbeitnehmern gesprochen, die von ihrem Lohn nicht leben können. Drei von ihnen stellen wir Ihnen hier mit ihren Geschichten vor … Zu lesen exklusiv in der Hinz&Kunzt-Juniausgabe.
Text: Misha Leuschen
Leben ohne Mindestlohn – Arm wegen Arbeit. Von Günter Wallraff, Frank Bsirske, Franz-Josef Möllenberg (Hrsg.), VSA-Verlag, Hamburg, 12,80 Euro.
Mehr Informationen unter www.initiative-mindestlohn.de, www.dumpinglohnmelder.de, www.dumpinglohnbuch.de