Die Anzahl der Haushalte, die ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen können, ist im vergangenen Jahr um fast 20 Prozent angestiegen. Das geht aus einer Kleinen Anfrage der Linken hervor. Im vergangenen Jahr wurden 8500 Haushalten der Strom abgestellt.
Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Stromsperren in Hamburg von 7165 auf 8500 an. Auch für dieses Jahr ist keine Besserung in Sicht: Bereits 2700 Haushalten wurde allein im ersten Quartal des Jahres der Strom abgestellt. Darüber hinaus wurden über 600 Haushalten die Gaszufuhr gesperrt.
Die Linke kritisiert die Tatenlosigkeit. „Zwar beklagen alle Fraktionen die Stromsperren, aber außer uns sieht keiner die Notwendigkeit, schnell zu handeln“, sagt Fraktionsvorsitzende Dora Heyenn. Mit einem Spartarif sollen nach Vorstellung der Linken einkommensschwache Haushalte bei ihren Energiekosten entlastet werden.
Nach Sicht der Vattenfall-Pressesprecherin Barbara Meyer-Bukow ist die Entwicklung allerdings weniger dramatisch. In den vergangenen Jahren sei die Zahl der Stromsperren sogar insgesamt zurückgegangen. „2009 wurden noch über 15.000 Haushalten der Strom in Hamburg abgeschaltet“, sagt Meyer-Bukow. „Inzwischen kontaktieren wir die Kunden frühzeitig und beraten sie zu Möglichkeiten der Energieeinsparung.“
Wie lässt sich jedoch der erneuten Anstieg der Stromsperren im vergangenen Jahr erklären? Für Jörg Huber von der Verbraucherzentrale sind vor allem die gestiegenen Energiepreisen für die Entwicklung verantwortlich. „Es ist aber auch so, dass sich die Verbraucher oft zu wenig mit der Thematik beschäftigen“, sagt Huber. Neben telefonischer Beratung bietet die Verbraucherzentrale Vor-Ort-Beratung und darüber hinaus einen Gebäude-Check an. „Wer sich allerdings erst eine Woche vor der Stromsperre an uns wendet, den kann ich leider nur noch an die Rechtsabteilung verweisen“, sagt Huber.
Wer rechtzeitig handelt, dem bietet der Caritasverband mit dem Programm „Stromspar-Check Plus“ passende Hilfe an: Die Energiesparhelfer der Caritas besuchen Haushalte mit geringem Einkommen, messen den Verbrauch und stellen kostenlose Energiesparartikel wie Energiesparlampen, Wasserstrahlregler oder auch abschaltbare Steckerleisten zur Verfügung.
Verhindern können aber auch diese Einrichtungen nicht, dass es zu Stromsperren kommt. „In diesen Fällen muss mit dem Jobcenter über ein Darlehen verhandelt werden“, so Christoph Dreger vom Caritasverband in Hamburg. Nach Aussage von Meyer-Bukow vereinbart Vattenfall Ratenzahlungen mit den Schuldnern, damit diese wieder an das Stromnetz angebunden werden.
Eine Möglichkeit der Verschuldung vorzubeugen und die Kappung vom Stromnetz zu unterbinden wären Prepaid-Zähler: Die Kunden zahlen im Voraus und verbrauchen nicht mehr, als sie zahlen können. Das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie macht sich für diese Lösung stark. „Allein die Kappung vom Stromnetz und das erneute Anschalten kostet den Verbraucher jeweils 50 Euro“, sagt Dreger. Für Haushalte mit geringen Einkommen eine hohe Hürde. Doch für das Hamburger Stromnetz bietet Vattenfall dieses Angebot bislang nicht an.
Jörg Huber von der Verbraucherzentrale Hamburg ist allemal skeptisch. „Ein Prepaid-Zähler entmündigt eher den Verbraucher“, sagt Huber. Der Beratungsexperte von der Verbraucherzentrale hofft auf einen Lernprozess der Verbraucher. Caritas-Projektleiter Dräger rät daher dringend zur Beratung: „Bereits eine Verhaltensänderung kann manchmal helfen, die Kosten deutlich zu reduzieren.“
Text: Jonas Füllner
Informationen zum Programm „Stromspar-Check Plus“ finden sich online unter www.stromspar-check.de
Wie die Stromsparhelfer der Caritas die Energiekosten von Menschen mit wenig Geld senken, können Sie in dem Artikel „Ein Besuch, der Bares bringt“ (aus Hinz&Kunzt 242/April 2013) nachlesen.