Die Stadt legt mit 850 Plätzen das größte Winternotprogramm auf: Zwei Schulen und ein Containerdorf werden für Obdachlose hergerichtet, dazu noch etwa 100 Container bei Kirchengemeinden. Am 1. November fällt der Startschuss.
Bis vor kurzem hat er noch die Parlamentarischen Anfragen für den Staatsrat beantwortet, davor hat er 13 Jahre lang in der Arbeitsagentur Mitte beraten und vermittelt. „Auch viele Obdachlose“. Jetzt ist Detlev Schrage der neue Mann in der Sozialbehörde für das Winternotprogramm.
Angesichts knapper Kassen und Flächen und dem großen Andrang sicher kein leichter Job. Warum er ihn trotzdem wollte? „Man hat viel mit Menschen zu tun, man kann rausgehen, ist vor Ort“, sagt der 49-jährige Verwaltungswirt. „Und ich bin trotz meines Alters noch Idealist. Ich hoffe noch etwas verändern und bewegen zu können und das auch zugunsten der betroffenen Menschen.“
Was er vorzuweisen hat, ist beachtlich: Das Winternotprogramm, das am 1. November startet und im April endet, soll das größte werden, das Hamburg je aufgelegt hat. Insgesamt umfasst es 850 Plätze: Die beiden ehemaligen Schulen in der Hammer Straße (270 Plätze) und in der Weddestraße (226 Plätze) werden wieder geöffnet. Anstelle des Hochhauses an der Spaldingstraße, das wegen Baufälligkeit geschlossen wurde, wird in der Amsinckstraße/Grüner Deich ein Containerdorf für 250 Obdachlose entstehen. Hinzu kommen noch mindestens 100 Containerplätze bei Kirchengemeinden. Und das Notasyl Pik As wird erstmalig gar nicht mitgezählt. Voraussichtliche Kosten: 1,6 Millionen Euro. Der Senat trägt auf jeden Fall der Tatsache Rechnung, dass die Zahl der Obdachlosen in Hamburg dramatisch gewachsen ist. 2009 waren es laut einer Zählung noch 1029. Wie viele es heute sind, wissen wir nicht. Auf jeden Fall deutlich mehr, das kann jede Einrichtung bestätigen.
Als Zentrale Anlaufstelle gilt zumindest in den ersten Wochen die Schule Hammer Straße. Hier gibt es wieder Saalbelegung mit bis zu 15 oder 20 Menschen. „Es ist ein Erfrierungsschutz, kein Hotel“, sagt Schrage dazu. Eine Saalbelegung lehnen wir grundsätzlich ab. Weil man dort nicht zur Ruhe kommt. Weil es deshalb Stress mit den Bettnachbarn gibt. Weil es schneller zu Auseinandersetzungen und Gewalt kommt. Die Behörde sieht das Problem. In beiden Schulen werden zusätzlich kleinere Gruppenräume als Vierbett-Zimmer genutzt, hauptsächlich für Unterbringung von Paaren, Frauen oder Männern, Menschen mit psychischen Problemen, so Schrage. „Das soll auch deeskalierend wirken.“
Abends und morgens soll es wieder einen Shuttlebus geben, vom Besenbinderhof in die Hammer Straße und weiter in die Weddestraße und zurück. In der Hammer Straße soll es auch wieder eine soziale Beratung geben. Bedauerlich ist, dass das Winternotprogramm ohne das Containerdorf mit 250 Plätzen an der Amsinckstraße/Grüner Deich beginnt. Schon seit Sommer ist der Standort klar, aber der Vertrag mit den Noch-Pächtern läuft erst Ende des Jahres aus. Inzwischen ist klar, dass die 80 Container schon vor Weihnachten aufgebaut werden dürfen. Zwei weitere gute Nachrichten: Die Standards, die in den vergangenen Jahren deutlich gesunken sind, werden hier wieder verbessert: „Nur“ bis zu drei Menschen sollen sich einen Container teilen. Und: „Dieser Standort ist für drei Winter gesichert“, sagt Schrage.
Trotzdem bleiben natürlich Baustellen. Eine davon ist: Es gibt so viele Obdachlose in der Stadt, dass die Tagesaufenthaltsstätten immer mehr an ihre Grenzen stoßen. Im Winter erst recht. Aber die Behörde lehnt es derzeit ab, das Winternotprogramm tagsüber geöffnet zu lassen. Das ist eine Mindestforderung der sozialen Einrichtungen, auch von Hinz&Kunzt.
Text: Birgit Müller
Foto: Dmitrij Leltschuk