Die Zahl der Obdach- und Wohnungslosen in Deutschland nimmt weiter dramatisch zu. Bis 2018 könnten laut Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe 1,2 Millionen ohne eigene Wohnung sein.
Die Anzahl der Obdachlosen hat sich in Deutschland innerhalb von zwei Jahren um 33 Prozent stark erhöht. Nach einer aktuellen Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) lebten 2016 etwa 52.000 Menschen in Deutschland auf der Straße. 2014 waren es noch rund 39.000 gewesen.
Wieviele es in Hamburg sind, geht aus der Statistik nicht hervor. Die Diakonie schätzt die Zahl der Obdachlosen in der Hansestadt seit einigen Jahren auf mindestens 2000. „Das, was wir auf der Straße sehen, deutet darauf hin, dass die Zahlen inzwischen noch höher sein könnten“, sagt Stephan Nagel, Referent für Wohnungslose bei der Hamburger Diakonie. Für den kommenden März hat die Sozialbehörde eine Zählung der Obdachlosen angekündigt.
Bundesweit 860.000 Wohnungslose
Ohne eigene Wohnung leben der BAG-W-Statistik zu Folge in Deutschland insgesamt 860.000 Menschen. Sie leben etwa in staatlichen Unterkünften oder bei Freunden. Allein 440.000 davon sind Flüchtlinge. „Die Zuwanderung wirkt zwar verstärkend“, erklärt der Geschäftsführer der BAG W, Thomas Specht. „Aber die wesentlichen Ursachen für Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit liegen in einer seit Jahrzehnten verfehlten Wohnungspolitik in Deutschland, in Verbindung mit der unzureichenden Armutsbekämpfung.“
Specht geht davon aus, dass sich die Situation weiter verschlimmern wird, weil die Politik trotz prognostiziertem Anstieg der Zahlen keine „nachhaltigen und vor allem ausreichenden Maßnahmen“ dagegen eingeleitet habe. Bis zum Jahr 2018 könnte die Zahl der Wohnungslosen um weitere 40 Prozent auf dann 1,2 Millionen ansteigen, befürchtet er.
BAG W fordert Nationalen Aktionsplan zur Überwindung der Wohnungslosigkeit
Um der Entwicklung entgegen zu wirken fordert die BAG W einen Wohnungsgipfel der Bundesregierung und einen Nationalen Aktionsplan zur Überwindung der Wohnungsnot. „Wir fordern die Parteien, die die neue Bundesregierung bilden wollen, auf, die Lebenslagen von verarmten und wohnungslosen Menschen endlich zur Kenntnis zu nehmen“, sagt die Vorsitzende Karin Kühn. „Sofort-Maßnahmen gegen den weiteren Anstieg der Wohnungslosigkeit gehören in einen Koalitionsvertrag.“ Als Beispiele nennt die BAG W verstärkten Sozialwohnungsbau und die Streichung von Hartz-IV-Sanktionen auf Unterkunftskosten.
Die BAG W schätzt die Zahl der Wohnungslosen, weil es eine amtliche Statistik über sie in Deutschland nicht gibt. Das könnte sich bald ändern: In den letzten Monaten ihrer Amtszeit als Sozialministerin hat Andrea Nahles (SPD) die Einführung einer solchen Statistik vorangetrieben. Ob die künftige Bundesregierung sie tatsächlich einführen wird, muss sich zeigen. „Auch die Wohnungsnotfallstatistik ist ein Punkt für die Koalitionsvereinbarung!“, fordert Kühn.