Ein Zusammenschluss von 111 Rechtsanwälten hat am Freitag die Flüchtlingspolitik des Hamburger Senats kritisiert. Sie befürchten die Abschiebung der Lampedusa-Flüchtlinge nach Italien. Deswegen fordern sie ein kollektives Bleiberecht für die Gruppe.
Der Senat verlangt, dass über ein humanitäres Bleiberecht für die Lampedusa-Flüchtlinge in Einzelverfahren entschieden wird. Hamburger Rechtsanwälte befürchten allerdings, dass die Ausländerbehörde fast alle Bleiberechtsanträge der afrikanischen Flüchtlinge ablehnen wird. Innensenator Michael Neumann hatte in seinem Blog angekündigt: „Nach allem, was wir wissen, ist unwahrscheinlich, dass die Männer in Deutschland bleiben können.“
Am Freitag warnte ein Zusammenschluss von 111 Rechtsanwälten bei einer gemeinsamen Pressekonferenz ausdrücklich vor einer Rückführung. „Italien gewährt den Flüchtlingen nicht die Rechte, die ihnen zustehen“, sagt Rechtsanwältin Insa Graefe. Die Afrikaner würden keine staatliche Unterstützung erhalten. Zuletzt hatten sie in Italien auf der Straße gelebt. Eine Abschiebung hätte zur Folge, dass die Flüchtlinge lediglich innerhalb der EU von einem Land ins nächste geschoben werden, ohne eine Perspektive zu erhalten. „Hamburg hat die juristische Verpflichtung zu helfen“, so Graefe.
Von den etwa 70 Flüchtlingen in der St. Pauli Kirche hatten bis zum Donnerstag 54 einen Einzelantrag auf humanitäres Bleiberecht gestellt. Der Senat hatte zuletzt den Flüchtlingen mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit attestiert. „Es gibt keinen rechtsstaatlichen Grundsatz, wonach jemand verpflichtet ist, einen Antrag zu stellen“, entgegnet Rechtsanwalt Ünal Zeran. „Erst recht kann weder verlangt werden noch kann es für den Einzelnen sinnvoll erscheinen, einen Antrag zu stellen, wenn von der für die Entscheidung zuständigen Behörde erklärt wird, dass dieser Antrag ohnehin abgelehnt wird.“
Die 111 Rechtsanwälte fordern den Senat zum Handeln auf. „Nur die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß Paragraf 23 Aufenthaltsgesetz kann eine Abschiebung verhindern“, so Graefe. Der Paragraf ermöglicht dem Senat Kriterien für eine Gruppe aufzustellen, unter denen aus humanitären Gründen ein Bleiberecht gewährt wird. Umgesetzt werden könnte diese Lösung mit dem Einvernehmen des Bundesinnenministeriums. Diesen Weg will der Senat bislang nicht beschreiten. Die Anwendung des Paragrafen 23 Aufenthaltsgesetz sei eine Frage des politischen Gestaltungswillens, so Graefe. „Von Hamburg könnte ein Signal für einen Wandel der europäischen Flüchtlingspolitik ausgehen.“
Text und Foto: Jonas Füllner