Stadtentwicklungssenator Axel Gedaschko (CDU) über das Programm „Lebenswerte Stadt“, fehlende Wohnungen und die Chancen von Wilhelmsburg
(aus Hinz&Kunzt 170/April 2007)
Hinz&Kunzt: Was macht für Sie persönlich eine Stadt lebenswert?
Gedaschko: Da, wo ich lebe, will ich mich wohl und sicher fühlen. Die Nachbarschaft, das Wohnumfeld muss meinem Lebensstil entsprechen. Das Gute an einer Großstadt ist: Sie bietet vielen Lebensstilen Raum. Die Herausforderung für uns ist, die Vielfalt zu erhalten und dem Mainstream gerecht zu werden.
Hinz&Kunzt: Welche Stadtteile in Hamburg drohen zu kippen?
Gedaschko: Das werde ich Ihnen nicht sagen. Denn sofort käme ein Stigma über die Bewohner. Wenn ich in den Stadtteilen unterwegs bin, höre ich immer wieder den Satz: Ich bin stolz, hier zu wohnen. Genau das wollen wir unterstützen.
Hinz&Kunzt: Sagen Sie uns zumindest die Zahl der gefährdeten Stadtteile.
Gedaschko: Nein, auch das nicht. Ausschlaggebend ist letztlich der Mietwohnungsmarkt. Je nachdem, wie Angebot und Preise verteilt sind, konzentrieren sich Problemgruppen an bestimmten Orten.
Hinz&Kunzt: Wie steuern Sie gegen?
Gedaschko: Wir müssen viel mehr bauen, so wie es das Leitbild der Wachsenden Stadt vorsieht. Wenn Sie bauen, egal in welchem Preissegment, schaffen Sie automatisch Luft. Denn schon ohne Zuzug wächst der Flächenbedarf: Immer mehr Menschen leben allein in immer größeren Wohnungen – im einkommensstarken Hamburg gibt es viele, die sich das leisten können.
Zum Glück haben wir, verglichen mit anderen deutschen Großstädten, relativ günstige Mieten, auch wenn die Betroffenen das anders empfinden. Wir haben die Baugenossenschaften und die öffentlichen Wohnungsunternehmen als Korrektiv: Zusammen verfügen sie über 280.000 Wohnungen, das sind 35 Prozent aller Mietwohnungen. Sie sind nicht an Gewinnmaximierung interessiert und wirtschaften langfristig. Aber wir müssen eben auch dafür sorgen, dass neuer Wohnraum entsteht, zum Beispiel mit dem Sprung über die Elbe.
Hinz&Kunzt: In Wilhelmsburg oder auf der Veddel werden viele der jetzigen Bewohner von der Aufwertung nicht profitieren. Die Mieten steigen, sie müssen wegziehen – wie schon in Ottensen oder im Schanzenviertel.
Gedaschko: Wir wollen eine Aufwertung. Unsere Maßnahmen zeigen Wirkung, das ist gut! Aber wir wollen keine Yuppisierung.
Hinz&Kunzt: Wie verhindern Sie das?
Gedaschko: Wie gesagt: Wir brauchen mehr Wohnungen. Ottensen ist schick geworden, aber dort können Sie kaum noch bauen. Wilhelmsburg dagegen hat Platz, zumindest im westlichen Teil, und liegt trotzdem zentral. Eine städtebauliche Chance ersten Ranges!
Hinz&Kunzt: Wie viel Geld ist für das Projekt „Lebenswerte Stadt“ bis 2011 eigentlich vorgesehen? Die Angaben schwanken zwischen 80 und 100 Millionen Euro.
Gedaschko: Wir haben Projekte im Umfang von 80 Millionen Euro geplant. Aber wir können auf 100 Millionen Euro aufstocken, um Ideen umzusetzen, die erst noch entstehen.
Dabei dürfen Sie nicht vergessen, dass es schon tragende Säulen gibt: aktive Stadtteilentwicklung, städtebauliche Sanierungsförderung und Stadtumbau West. Allein in diesem Jahr sind dafür 21 Millionen Euro vorgesehen. Die 80 Millionen für die „Lebenswerte Stadt“ gibt es zusätzlich.
Hinz&Kunzt: Zum Teil kompensieren Sie mit der „Lebenswerten Stadt“ nur, was der Senat 2005 bei der Stadterneuerung gekürzt hat.
Gedaschko: Nein, unterm Strich bekommen die Stadtteile jetzt viel mehr Förderung. Der Fokus bei der „Lebenswerten Stadt“ liegt auf den Menschen, nicht auf Beton. Wir wollen damit Bildung und Integration fördern.
Hinz&Kunzt: Aber wie lange? In Lurup etwa ist die Stadtteilentwicklung gelungen. Aber nun fragen sich die Menschen, wie es ohne Förderung weitergeht.
Gedaschko: Wenn wir dauerhaft fördern müssten, wäre das Geld zum Fenster hinausgeworfen. Wir schaffen starke Strukturen, auf die die Menschen vor Ort aufbauen können. Das kann mehrere Jahre dauern, aber dann erwarten wir von den Beteiligten auch, dass sie die Dinge selbst in die Hand nehmen.
Hinz&Kunzt: Wie haben Sie die Projektgebiete für die „Lebenswerte Stadt“ ausgewählt?
Gedaschko: Wir wollten keine Problemviertel vorführen, sondern unterschiedliche Herausforderungen angehen. Es gibt Projektgebiete mit vielen alten Menschen, mit vielen Jugendlichen oder mit vielen Russlanddeutschen. Oder ein Neubaugebiet hat einen anderen Standard als das Nachbarquartier – wie können beide zusammenwachsen?
Hinz&Kunzt: Sie meinen Barmbek-Süd/Friedrichsberg. Da entstehen 400 neue Wohnungen. Und es wird – als eine der Maßnahmen für die „Lebenswerte Stadt“ – ein Kinderspielplatz gebaut. Ist das nicht selbstverständlich?
Gedaschko: Schauen Sie sich die Hamburger Realität an. Häufig sind die Menschen schon da, aber die Infrastruktur kommt Jahre oder Jahrzehnte später. Den Fehler wollen wir nicht wiederholen. Wir planen ganzheitlich.
Hinz&Kunzt:Die lokale Wirtschaftsförderung fehlt im Programm völlig. Wie geht das mit Ganzheitlichkeit zusammen?
Gedaschko: Die Wirtschaft ist ein scheues Reh. Sie gebietsbezogen fördern zu wollen ist extrem schwierig. Vielleicht geht das auf Bezirksebene, aber nicht nach Quartieren.
Hinz&Kunzt: Könnte Ihre Behörde in einen Stadtteil umziehen, der Förderung braucht?
Gedaschko: Wir sind an der Stadthausbrücke Mieter auf Zeit. Außerdem ist das Gebäude nicht groß genug für alle Abteilungen. Deshalb brauchen wir einen neuen Standort, der zentral liegt und für Kunden und Mitarbeiter mit dem öffentlichen Nahverkehr zu erreichen ist. Wilhelmsburg kann ich mir durchaus vorstellen.