Uwe, 45, hat seinen festen Verkaufsplatz in der Blankeneser Bahnhofstraße. Mit Depressionen kann er inzwischen ganz gut umgehen.
Uwe ist ein Ruhiger. Er hat eine tiefe, sonore Stimme, und er lässt sich Zeit beim Reden, wirkt klar und überlegt. Uwe hatte nicht immer diese innere Ruhe. Er litt lange Zeit unter schweren Depressionen. Der Ausgangspunkt eines langen Weges, der ihn in letzter Konsequenz zu Hinz&Kunzt führte. Heute ist ihm klar, dass er schon als Kind unter Depressionen litt. Uwe meint, seine Krankheit habe biologische Ursachen: „Bei mir laufen einfach ein paar Botenstoffe durcheinander.“ Die ganzen Therapien hätten kaum geholfen, sagt er, aber er könne inzwischen mit seiner Depression ganz gut umgehen.
Heute weiß er, was ihm gut tut und was nicht. Dazu zählt auch die Entscheidung, nicht alle privaten Tiefen der Vergangenheit öffentlich auszubreiten. Uwe will über die Gegenwart reden, über das, was den Menschen in der Hinz&Kunzt-Weste bewegt.
Dabei kreist das Gespräch immer um einen Wunsch: von anderen wahrgenommen, angenommen und eingebunden zu werden. Dazu zählt auch, dass man von den Menschen, die einem täglich begegnen, gegrüßt wird. Das klingt banal und ist trotzdem alles andere als selbstverständlich: „Wenn man auf der Straße Zeitungen verkauft, muss man schon mal den einen oder anderen Spruch abkönnen.“
Uwe erzählt von einer Frau, die in seiner Gegenwart lautstark pöbelte, „dass hier immer das asoziale Pack vor der Tür stehen muss“. Früher habe er darauf was gesagt, heute bleibt er ruhig, auch wenn es ihn immer noch trifft: „Aber am Ende schadet man sich nur selbst.“ Zum Glück hat er seine Kunden, in diesem Fall eine Kundin, die die unfreundliche Frau zur Rede stellte.
Wenn Uwe über seine Kunden redet, dann hellt sich seine Stimmung auf. Die Blankeneser seien richtig treu: „Einige rufen sogar bei Hinz&Kunzt an, wenn ich mal zwei Tage nicht an meinem Platz stehe.“ Aus allen Wolken fiel er, als eine Kundin sich nach seinem Geburtsdatum erkundigte und ihm tatsächlich Monate später an seinem Ehrentag mit einem Briefumschlag in der Hand gratulierte.
Was schätzt Uwe denn besonders an Hinz&Kunzt? Die Antwort kommt prompt: „Das Zugehörigkeitsgefühl.“ Das kennt er auch von seiner Tischtennismannschaft beim FC St. Pauli. Hier blüht Uwe richtig auf. Denn hier kann er ganz er selbst sein, als Gleicher unter Gleichen. Hier zähle der Sports- und Mannschaftsgeist, der Unterschiede aufhebt und Gemeinsamkeiten stärkt.
Hinz&Kunzt: Was macht dir Angst?
Uwe: Einsamkeit. Stell dir vor, du stirbst, und keinen interessiert es.
H&K: Was wünscht du dir für die Zukunft?
Uwe: Na ja, eine Freundin wäre nicht schlecht, obwohl … (Uwe stockt ein wenig, sein schelmisches Grinsen blitzt auf, was wohl heißen soll: Na ja, wer weiß, ob mir das wirklich gut tun würde.)
Text: Christian Hagen
Foto: Mauricio Bustamante