Zum dritten Mal zeichnete Hinz&Kunzt Menschen für Zivilcourage, Mut und Mitmenschlichkeit aus
(aus Hinz&Kunzt 152/Oktober 2005)
Er konnte einfach nicht wegsehen, als ein Mensch vor seinen Augen von jungen Männern geschlagen und getreten wurde. Seinen Einsatz bezahlte Timo Mesecke fast mit dem Leben. Dafür zeichnete Hinz&Kunzt den 25-jährigen Bundespolizist mit dem „Gut,Mensch!“-Preis aus.
Für eine Sache könnten wir Ronald Barnabas Schill dankbar sein. Ohne ihn wären wir wohl nicht auf die Idee gekommen, den „Gut,Mensch!“-Preis ins Leben zu rufen. Denn 2002, als der ehemalige Richter Gnadenlos auf dem Zenit seiner Karriere stand, Innensenator war und Zweiter Bürgermeister, da beschimpfte er Parteifreunde, die sich auch für soziale Dinge einsetzen wollten, verächtlich als „Gutmenschen“. Das brachte Hinz&Kunzt-Herausgeberin und Diakoniechefin Annegrethe Stoltenberg auf die Idee, dieses in Misskredit geratene Wort wieder salonfähig zu machen. „Gerade in Zeiten des Egoismus und der sozialen Kälte ist es wichtig, Menschen für ihre Zivilcourage und ihren Einsatz für andere zu danken“, sagte sie bei der Ehrung des Mannes, den der Hinz&Kunzt-Beirat in diesem Jahr ausgezeichnet hat: Timo Mesecke, 25 Jahre alt, Bundespolizist.
Doch der Reihe nach: 5. Mai 2005, S-Bahnhof Reeperbahn, gegen vier Uhr morgens. Timo Mesecke und seine Freundin haben gefeiert und sind auf dem Heimweg. Aus den Augenwinkeln hatte der 25-Jährige registriert, dass ein schlafender Mann von Jugendlichen getreten wurde. „Das geht ja gar nicht“, schießt es ihm durch den Kopf. Timo Mesecke, mit seinen 1,92 Meter eine imposante Erscheinung, sagt so etwas wie: „Was soll das?“
Die Auseinandersetzung eskaliert. Einer der Männer zieht ein Messer und sticht neunmal zu: in den Arm, mit dem sich Mesecke zu schützen versucht, in den Bauch, in die Brust und in den Hals. Mesecke selbst spürt zunächst gar nichts, hat keine Schmerzen. Als die beiden Männer flüchten, will er ihnen hinterherlaufen. „Zwei Täter flüchtig“, will er rufen, selbst in dieser Situation ganz Polizist. Aber er kann nur noch flüstern. Ein Passant ruft ihm zu: „Ihre Jacke ist ja ganz rot!“ Erst da merkt Mesecke, wie schwer verletzt er ist. Dass er in Lebensgefahr schwebte, erfährt er erst im Krankenhaus, von den Ärzten nach der Operation.
Hinz&Kunzt gehörte übrigens zu den ersten, die Danke sagten. Eigentlich wollte Hausmeister Spinne nur einen Brief und Blumen abgeben, wurde dann aber zu seinem eigenen Erstaunen direkt ans Krankenbett des Frischoperierten geführt. Noch bevor Bundesinnenminister Otto Schily ihn besuchte. Überrascht war Mesecke, wie viel Aufsehen sein Einsatz in der Öffentlichkeit erregte. „Eigentlich sollte es normal sein in unserer Gesellschaft, sich für andere einzusetzen. Man muss sich dabei ja nicht selbst in Gefahr bringen.“
Trotz der Verletzungen – körperlicher wie seelischer – hat Mesecke seinen Beruf nicht in Frage gestellt. Und auch sein beherztes Eingreifen außerhalb des Dienstes hat er nicht bereut. „Schlimmer wäre es für mich, wenn ich am nächsten Tag gelesen hätte, der Obdachlose wäre schwer verletzt oder gar getötet worden. Damit hätte ich dann Probleme gehabt, als Mensch und als Bürger, aber vor allem als Polizeibeamter.“
Allerdings, so räumt der Polizeikommissar ein, habe er nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus zu Hause drei Stunden im Garten gesessen, einfach so. „Ich habe tief durchgeatmet, bewusst die Natur wahrgenommen und gespürt, was das Leben wert ist. “
Wer der Obdachlose war, den er beschützt hat, weiß er bis heute nicht. „Vielleicht hat der Mann von der Sache gar nicht so viel mitgekriegt und sich am nächsten Morgen nur über die Beule gewundert“, vermutet Mesecke und schmunzelt.
Birgit Müller
Gut,Mensch!
Seit November 2002 verleiht Hinz&Kunzt in unregelmäßiger Folge den Gut,Mensch! an Leute, die durch ihr mutiges Eingreifen, durch ihre Zivilcourage und ihr Engagement anderen helfen. Vor Timo Mesecke wurde die Anstecknadel – eine kleine Platte aus Granit – an drei Menschen verliehen: an den Bürgernahen Beamten in der City Peter Stapelfeldt für seinen respektvollen Umgang mit Obdachlosen in seinem Revier, an den Millionär Lutz Dau, weil er sich dafür einsetzt, dass Reiche sich für die Gesellschaft verantwortlich fühlen und etwas von ihrem Vermögen abgeben, und an Norbert Ahsbas. Der Inhaber eines Schlüsseldienstes an der Jacobikirche kümmert sich seit vielen Monaten um einen Obdachlosen, der in seinem Hauseingang nächtigt.