Zuhören statt verurteilen: Wenn Streifenpolizist Karsten Hoff bei seiner Arbeit Obdachlosen begegnet, versucht er zu helfen. Über das Schicksal ausgegrenzter Menschen hat er jetzt einen Roman geschrieben.
(aus Hinz&Kunzt 213/November 2010)
Hendrijk wälzt sich im Schlafsack hin und her. Er friert, Regen prasselt aufs Zeltdach, durch eine undichte Stelle tropft es auf seinen Kopf. Hendrijk ist obdachlos. „Obwohl er hochgebildet ist“, sagt Karsten Hoff. „Ein bitteres Schicksal.“ Er muss es wissen, schließlich ist Hendrijk die Hauptfigur seines Romans „Glück oder Seligkeit“. Auslöser für das Buch waren Begegnungen mit Obdachlosen während seiner Arbeit als Streifenpolizist. „Ein Traumberuf“, findet Hoff. Dabei schwebten seine Träume lange Zeit über den Wolken: Schon als Knirps schwärmte der gebürtige Hamburger für Flugzeuge. Er machte eine Ausbildung zum Feinmechaniker und studierte dann Flugzeugbau. „Dabei stieß ich allerdings an meine Grenzen“, erzählt er. „Zu viel Mathematik.“
Ein Freund begeisterte ihn für die Polizeiarbeit. Und Hoff merkte schnell, dass er seine Berufung gefunden hatte: „Die Mischung aus Theorie und Praxis, der direkte Bürgerkontakt – genau das Richtige für mich.“ Schließlich setzt er sich seit vielen Jahren für andere ein: Bereits als Jugendlicher organisierte er für den CVJM Freizeitfahrten für Kinder und Weihnachtsfeiern für Obdachlose. „Ihre Geschichten haben mich berührt“, sagt er. „Viele meistern ihren Alltag trotz schwerer Schicksalsschläge. Für mich sind sie Lebenskünstler.“
Die ersten Jahre ging Karsten Hoff in Winterhude auf Streife. Als er vor fünf Jahren nach Wilhelmsburg wechselte, frotzelten einige Bekannte: „Wurdest du etwa strafversetzt?“ Doch Hoff wollte nach Wilhelmsburg, für ihn ein spannender und abwechslungsreicher Stadtteil. In einem Kleingarten traf er auch auf das Vorbild seiner Romanfigur Hendrijk: ein Deutschlehrer aus Polen, der in Hamburg keine Arbeit fand und deswegen in die Obdachlosigkeit abrutschte. Unerlaubterweise suchte er sich in einer Laube einen Schlafplatz. „Dass ich ihn bestrafen musste, tat mir in der Seele weh“, sagt Karsten Hoff. „Aber das Gesetz schreibt vor, was wir tun müssen.“
Lange sprach er mit dem Obdachlosen, doch der wollte keine Hilfe annehmen. Kein Einzelfall. „Viele Obdachlose haben schlechte Erfahrungen mit Polizisten und Behörden gemacht, deshalb sind sie ihnen gegenüber generell skeptisch“, glaubt Hoff. „Ich kann das zwar verstehen, andererseits ist das natürlich auch frustrierend.“
Karsten Hoff beschönigt nichts, auch nicht in seinem Roman. Sein Protagonist Hendrijk gewinnt zwar überraschend im Lotto, er verliert das Geld aber wieder – und auch seine einzigen Freunde. Die meisten Menschen ignorieren ihn sowieso. Gerade auf diesen Missstand will Hoff mit seinem Buch hinweisen. „Es nehmen viel zu wenige Leute Anteil am Leben anderer.“
Text: Maren Albertsen
Foto: Mauricio Bustamante
„Glück oder Seligkeit“ von Karsten Hoff ist bei Books on Demand erschienen und kostet 13,25 Euro. Von jedem verkauften Buch gehen 50 Cent an Hinz&Kunzt!