Hamburger Kochreisen : „Das muss rocken!“

Ole Plogstedt ist der Titelheld unserer Hamburger Kochreisen. Als Tour- und Fernsehkoch ist er ständig unterwegs. Es sei denn, er kocht in seinem Restaurant „Olsen“ mit Hinz&Künztlern.

(aus Hinz&Kunzt 237/November 2012)

Einen besseren Titelhelden für unser Sonderheft „Hamburger Kochreisen“ (siehe Info) hätten wir auch nicht backen können: Ole Plogstedt reist nicht nur als „Kochprofi“ fürs Fernsehen herum, sondern hat auch mit seiner Roten Gourmet Fraktion unzählige Kilometer heruntergerissen und dabei Musiker wie Jan Delay bekocht. Seit Mai hat der Rastlose nun ein eigenes Restaurant: das „Olsen“ in Eimsbüttel. Das Konzept: Die Hälfte der Gerichte kommt ohne tierische Produkte aus. So möchte Ole, bekennender Fleischfan, dem Billigwahn bei ­Lebensmitteln entgegentreten. „Fleisch soll wieder als etwas Besonderes wahrgenommen werden“, wünscht er sich. Stolz führt er uns im Olsen herum. „Ich muss euch mein Highlight zeigen!“, sagt er. Er meint seine „Kumpelecke“, in der geklönt und den Köchen auf den Herd geguckt wird. An der Wand hängt ein Banner vom FC St. Pauli, Oles Verein. Aus einer kleinen Anlage trötet Punkpolka.

Was er mit uns kocht, hat sich Ole spontan überlegt. Das ist so seine Art. Ein vegetarisches Menü soll es sein: Zuerst arabische Orangen-Zwiebelsuppe mit roten Zwiebelringen und Fladenbrotcroutons. Als Hauptgang eine asiatische Gemüserolle. Das Dessert wird noch nicht verraten. Rein vegetarisch? Für die Hinz&Künztlerinnen Moni und Mandy eine Horrornachricht. Sie lieben Fleisch. Ihr Fazit zum Kochen: „War nur zu wenig Hack!“ wird später zum geflügelten Wort in der Redaktion werden. Erst mal aber ist Schnibbelarbeit angesagt: Moni hat sich die großen, weißen Zwiebeln vorgeknöpft. Nicht nur wegen der potenziellen Heulerei keine leichte Übung. Denn Moni legt viel Wert auf ihre makellos lackierten, langen Fingernägel. „Darf ich dir mal zeigen, wie deine Fingernägel das überleben?“, fragt Ole. Und weiht Moni in die Geheimnisse der Schnitttechnik ein: mit eingerollten Fingern festhalten, was es zu schneiden gibt. So geht alles viel besser.

So flink wie er ist natürlich keiner von uns. Und während Ole in Windeseile das Gemüse zerkleinert, stellt er immer wieder Fragen: „Kennt ihr schwarzen Kardamom?“ Schulterzucken. Ole reicht die Kapseln, die wie verschrumpelte Riesenkaffeebohnen aussehen, für eine Duftprobe herum. Moni schüttelt sich. „Das riecht komisch“, befindet sie. „Man darf da nicht draufbeißen, das schmeckt fies“, sagt Ole. Wir einigen uns, insgesamt acht Kapseln in unsere Suppe zu geben. Bevor ­serviert wird, müssen wir die herausfischen, ermahnt uns Ole gespielt streng. Der Koch wuselt derweil unruhig zwischen dem Gasherd und der Arbeitsplatte umher. „Ingwer, Ingwer, Ingwer, Ingwer ?“ So richtig heimisch ist er in seiner Küche noch nicht. Hier hat alles seinen festen Platz, bloß welchen? „Ich verbrenn mir hier am Gasherd auch immer noch die Pfoten“, sagt Ole und grinst, „auf Tour habe ich immer meine kleinen Cerankochplatten dabei.“ Jetzt kommt das Zitronengras dran. Mit einem Knall schlägt Ole es aufs Brett und hält es uns dann unter die Nasen. „Riecht ihr das?“ – „Wie Erfrischungstücher!“ Hinz&Künztlerin Bea weiß, dass man das Zitronengras später aus der Soße fischen muss. „Es geht ja nur ums Aroma“, sagt sie und lächelt schüchtern. Dafür gibt es ein Lob vom Koch. „Da kennt sich jemand aus.“

Ole versucht, so wenig wie möglich wegzuschmeißen. So landen zum Beispiel die Korianderstiele später fein geschnitten im Hauptgang. Worüber er sich richtig aufregen kann: die Lebensmittelindustrie: „Die schmeißen so viel weg, dagegen ist das, was ein Verbraucher wegwirft, ein Schiss. Aber der soll es jetzt richten. Und die Industrie lässt man weitermachen wie vorher“, schimpft er. „Jedes vierte Tier landet im Müll!“ Er vermisst das Eingreifen der Politik. Auf Landwirtschaftsministerin „Frau Aigner“ ist er gar nicht gut zu sprechen. Es gab bereits Anfragen zur Zusammenarbeit. Eigentlich für ­gute Aktionen, wie Ole sagt. Aber „solange Frau Aigner solche Politik macht“, lasse er sich nicht vor ihren Karren spannen.

Zurück an den Herd: Mutige Beiköche sind gefragt. Ole hält einen Löffel mit grüner Wasabipaste hoch. „Wer traut sich?“ Online-Redakteurin Beatrice ist mutig. „Halt dir die Nase zu, sonst ist es die Hölle“, rät Ole. Beatrice kneift sich in die Nase und schluckt beherzt. Alle Blicke sind bei ihr: „Uuuund?“ Beatrice lacht. „Das war nicht so schlimm.“ Wir sind beeindruckt. Wie viel davon kommt in den Basmatireis? „Ach, würzen frei nach Schnauze!“, sagt Ole. Auf Vorschriften in der Küche kann er so gar nicht.

Jetzt wird es knifflig: Wir sollen die Gemüserollen herstellen. Das hat was von Pakete packen. Nur dass das Papier durchsichtig und millimeterfein ist und Reisblatt heißt. Wir behandeln die „Rock ’n’ Rollen“ und die Gemüse-Erdnuss-Füllung wie Patienten auf dem OP-Tisch: behutsam, bloß nichts kaputtmachen! „Und das sollen wir essen? Sieht ja aus wie Plastikfolie!“, fragt Moni, die gerade nur zuguckt, skeptisch. Plötzlich schreckt sie auf. Ole hat ihr eins der Päckchen zugeworfen. Gerade so kann sie es noch fangen. „Boah, bist du verrückt?“, fragt sie. „Na, noch fit?“, scherzt Ole.

Und dann muss es plötzlich ganz schnell gehen. Essen ist fertig. Weil wir im Restaurant sind, soll es natürlich hübsch angerichtet werden, oder wie Ole sagt: „Das muss rocken!“ Bea löffelt Reis in einen Ring, streut Granatapfelkerne drauf, dann wieder Reis und oben drüber zerhackte Wasabinüsse. Die Gemüserollen werden auf den Tellern drapiert, drumherum Pak Choi. Ole ist beeindruckt von Beas Geschick. „Hast du schon in der Gastronomie gearbeitet?“, fragt er. Bea verneint. Und sagt, dass sie früher immer gern mit ihrer Mutter gekocht hat. Dann sind alle Teller bestückt. Essen fassen! Dabei reden wir – übers Essen. Und landen schnell in der Kindheit. Ole liebte Rinderrouladen. Für die würde er immer noch alles stehen und liegen lassen. „Was man als Kind gern gegessen hat, liebt man auch später“, sagt er. Moni und Mandy schwören auf Nudeln mit Bolognesesoße und Tütensuppen. „Ich finde, jedes Essen hat seine Berechtigung“, sagt Ole versöhnlich. Vieles, was gut ist, ist leider zu teuer, wirft Mandy ein. Bio kann sie nicht kaufen. „Da gibt es eine Zweiklassengesellschaft“, bestätigt Ole. Er kaufe Bio „um ein Signal zu geben“. Er hofft: Wenn alle, die es sich leisten können, Bio kaufen, wird das Angebot steigen und günstiger.

Wir sind beim Dessert angelangt. Das ist ein reiner Ankommer! Die Joghurt-Sahne-Creme schmeckt einfach köstlich. Ole hat sie mal eben so aus dem Handgelenk geschüttelt. Na ja, es war schon vorbereitet. Das Tollste ist, wie es serviert wird: Aus der Sprühflasche direkt auf die Faust: Klecks und ablecken! Wenn das nicht Punk ist, was dann?

Text: Simone Deckner
Foto: Martin Kath

„Olsen“, Bellealliancestraße 45, Di–So, 18–23 Uhr, Montag Ruhetag, Telefon: 55 89 18 15, www.restaurant-olsen.de. Noch bis 4.11. steht das vegetarische Hinz&Kunzt-Menü auf der Speisekarte.

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